Stimme der Vernunft

Nachdem das Konzert zur (misslungenen) “Tatortreinigung” in Chemnitz unter dem Hashtag #WirSindMehr vor allem mit vulgären, sexistischen und gewaltverherrlichenden “Musikern” aufwarten konnte, ist eine andere, bessere Stimme willkommen. Es ist beruhigend, dass es in der Zunft der Kunstschaffenden auch besonnene, abwägende, differenziertere und tiefer blickende Vertreter wie Peter Maffay gibt, welche zeigen, dass man auch in zivilisierten Tönen und Wogen glättend deutlich Stellung beziehen kann. Deshalb gebe ich gerne sein Statement, welches er auf seiner Facebookseite zu den Chemnitzern Ereignissen gegeben hat, hier wieder:

“Liebe Freunde,

die Schlagzeilen und die Bilder aus Chemnitz beunruhigen jeden von uns. Wir diskutieren in der Band darüber, wir sprechen in unserem Team, aber auch mit Freunden und in der Familie über die Vorkommnisse. Trotzdem haben wir uns mit einem öffentlichen Statement ein paar Tage Zeit gelassen, weil es eine kaum überschaubare Gemengelage an Nachrichten und Meinungen gibt. Wir möchten nicht reflexartig in das ein oder andere Horn blasen, sondern möglichst viel wissen, bevor wir uns ein Urteil erlauben.

Fakt ist, dass schon zu DDR-Zeiten vergleichsweise viele Ausländer in Chemnitz lebten und arbeiteten, mehr als in den meisten anderen ostdeutschen Städten: Ungarn, Kubaner, Mosambikaner, Vietnamesen und Libyer. Einige blieben für eine gewisse Zeit, andere – vornehmlich Vietnamesen – für immer. Nach der Wende kamen weitere Nationalitäten hinzu. Einheimische und Neubürger lebten friedlich zusammen. Die Chemnitzer sind also nicht per se ausländerfeindlich oder rassistisch. Mit pauschalen Urteilen dieser Art würde man den Bürgern Unrecht tun.

Was aber ist geschehen? Es gibt in Chemnitz – wie auch andernorts – einige gewaltbereite Asylbewerber, auch solche, die längst hätten abgeschoben werden müssen – wie beispielsweise seinerseits der Attentäter auf dem Berliner Weihnachtsmarkt. In Chemnitz geschah ein Mord. Die Täter: zwei abgelehnte Asylbewerber, einer von ihnen war nach Zeitungsberichten bereits vor dieser Straftat polizeilich auffällig gewesen. Viele Menschen sind zu recht darüber aufgebracht und fordern Konsequenzen, sowohl für diese Tat als auch generell: Wie wird sichergestellt, dass Personen die nach rechtsstaatlicher Prüfung unser Land verlassen müssen, dies auch tun?

Aber was sich in Chemnitz dann ereignet hat, hat eine gesellschaftliche Realität zu Tage gefördert und eine erschreckende Dimension angenommen, die wir alle nicht schweigend hinnehmen dürfen. Rechtsradikale und Hooligans sowie gewaltbereite autonome Linke nutzen die emotional aufgeladene Atmosphäre, bemächtigen sich der Situation und missbrauchen sie für ihre ideologischen Ziele. Wir müssen fassungslos mit ansehen wie lange tot geglaubte Parolen gebrüllt und unter Strafe stehende Gesten gezeigt werden. Eine in unserer Nachkriegsgeschichte beispiellose ausländerfeindliche Hetze bricht sich Bahn. Früher standen solche kriminellen Wirrköpfe allein auf weiter Flur. Heute vermischt sich deren Nazi-Gesinnung mit den nachvollziehbaren Fragen, Zweifeln und Sorgen von Bürgern, die weder links- noch rechtsradikal sind. Dass diese aber ebenso wie die Mitglieder einer in den Bundestag und die Landtage gewählten Partei, nämlich der AfD, sich nicht angeekelt abwenden, dass sie sich nicht distanzieren und dem rechten und linken Mob entschieden Paroli bieten, darin liegt das Problem! Das ist es, was uns aufrüttelt und wozu wir nicht schweigen können und wollen. Vielleicht denkt mancher gutmeinende Bürger, dass der Zweck hier die Mittel heiligt. Das ist aber falsch! Es gibt aus unserer Sicht Linien, die niemals überschritten werden dürfen!

Ein klares Nein zu Extremismus jeder Coleur, Rassismus und Gewalt. Darüber muss gesellschaftlicher Konsens herrschen!

Die Politik, die demokratischen Parteien müssen endlich verwertbare und glaubhafte Konzepte zu Fragen der Integration von Migranten vorlegen. Parteipolitisches Taktieren, eitle und egoistische Positionierungen müssen einem übergeordneten, zukunftsorientierten Denken weichen und Platz schaffen für ein entschlossenes Handeln zu Gunsten aller, die in unserem Land leben und arbeiten, egal woher sie kommen. Das Grundgesetz und unsere Verfassung definieren die Richtlinien dafür. Und diesen müssen wir uns alle, ohne Einschränkung, verpflichtet fühlen. Wir dürfen nicht zulassen, dass radikalisierende Kräfte Vernetzung schaffen, bis hinein in unsere Parlamente, dass geltende Gesetze missachtet und ausgehebelt werden. Dazu gibt es keine Alternative. Wenn wir nicht wollen, dass sich die Geschichte wiederholt, müssen wir für unsere Werte EINSTEHEN und gemeinsam AUFSTEHEN in Chemnitz und an jedem anderen Ort.

#WIRSINDMEHR”

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