Organspenderausweis vernichtet, Patientenverfügung neu gefasst

Autor: von Kurt O. Wörl

Jetzt reicht es! Mit der Vorlage des neuen Transplantationsgesetzes durch Gesundheitsminister Jens Spahn, mit welchem jeder, der künftig nicht explizit widerspricht, automatisch zur ausschlachtbaren Biomasse wird, bin ich nicht einverstanden. Ich war schon lange Organspender, jetzt habe ich meinen Organspenderausweis und die Patientenverfügung zerrissen. Dafür habe ich jetzt eine detaillierte Sterbefallverfügung erstellt, und die lautet wie folgt:

Nach meinem Tod dürfen meinem Leichnam für Transplantationen alle aktuell benötigten Organe zu Transplantationszwecken entnommen werden, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. Es gilt die Todes-Definition der Schweizer Akademie der medizinischen Wissenschaften von vor 1968. Sie lautet: „Ein Mensch ist als tot zu betrachten, wenn die folgende Bedingung erfüllt ist: Unumkehrbarer Herzstillstand mit dadurch unterbrochener Blutzirkulation im Organismus und damit auch im Gehirn.”
  2. Die sog. Hirntod-Theorie lehne ich ab, sie wurde auch erst 1968 im Zusammenhang mit einer sich intensivierenden Transplantationsmedizin frei dazu erfunden. Eine Organentnahme aus meinem noch Vitalwerte zeigenden Körper ist untersagt.
  3. Mein Tod ist durch den irreversiblen Stillstand aller Kreislaufaktivitäten auf natürliche Weise eingetreten. 
  4. Mein Tod wurde nicht durch die Abschaltung lebenserhaltender Geräte oder die Nichtgabe lebenserhaltender Medikamente vorsätzlich herbeigeführt. Sollte dies aus Kostengründen dennoch erfolgen, widerspreche ich einer Organentnahme ausdrücklich.
  5. Alle an der Organentnahme und an der Transplantation beteiligten Personen arbeiten ohne Bezahlung ehrenamtlich. Es werden keine Rechnungen gestellt und Krankenkassen damit nicht belastet. – Chefärzte dürfen keine Privatliquitation stellen.
  6. Die Entnahme meiner Organe und die Transplantation dürfen nicht in privatwirtschaftlich und auf Profitbasis betriebenen medizinischen Einrichtungen vorgenommen werden.

Begründung:

Das von Jens Spahn vorgelegte, neue Transplantationsgesetz zielt auf eine massive Entwicklung hin zu einer kommerzialisierten Transplantationsindustrie. Der Gesetzentwurf verwendet den Begriff “Organspende” semantisch falsch. Eine Spende ist immer eine freiwillige Gabe und erfordert eine explizite Willenserklärung des Spendenden. Aus einer fehlenden Willenserklärung zu schließen, sie bedeute Zustimmung, ist eine durch nichts zu belegende Spekulation, welche auch per Gesetz nicht legimitiert werden kann. Sie dennoch zu unterstellen bedeutet mangelnden Respekt vor der Würde des selbstbestimmten Menschen.

Ich bin mir dessen bewusst, dass die Lebendentnahme von Organen größere Erfolgsaussichten für eine gelingende Transplantation bietet, als eine Entnahme aus einem Leichnam. Dennoch sind solche Transplantationen bereits öfter geglückt als gescheitert. Im Übrigen widersprechen sich Begriffe wie “Hirntod” und “Lebendentnahme”. Entweder eine Kreatur lebt oder ist tot. Dieser Widerspruch kann auch mit Rabulistik nicht beseitigt werden.

Ein paar Worte zu den unvermeidbaren Moralisten:

Alle Menschen müssen sterben. Manche früher, manche erst hochbetagt. Unser Körper und unsere Organe verschleißen. Wir leben aber in unseren Kindern in frischen Körpern weiter, so hat es die Natur – wie ich finde genial – eingerichtet. Ich verstehe dennoch Menschen, welche sehnsüchtig auf ein Spenderorgan warten, um ihr Leben noch für eine Weile zu verlängern. Aber jeder muss wissen: Für die Erfüllung dieses Wunsches muss erst ein anderer Mensch sein Leben lassen und wird bevorzugt vorher bei lebendigem Leibe ausgeweidet. Wir müssen den Tod, wenn unsere Organe versagen, wieder etwas mehr als natürlichen Vorgang betrachten. Wer nicht sterben will, hätte sich gar nicht erst auf das Leben einlassen dürfen. 

Es gibt auch weder einen moralischen, noch ethischen noch rechtlichen Anspruch darauf, dass das eigene Leben durch die Organe anderer verlängert wird. Eine Organspende ist stets ein Geschenk – und das sollte sie auch bleiben.! Und es missfiele mir übrigens sehr, wenn ein Säufer, nachdem er seine Leber durch übermäßigen Alkoholgenuss selbst zerstört hat, mit meiner Leber weitersaufen könnte. Dafür habe ich sie nicht so lange geschont.

In der Öffentlichkeit wird für den Gesetzentwurf – wie so oft – moralisierend  und auf das Mitleidsgefühl zielend argumentiert. Sätze wie “Stellen Sie sich vor, ihr eigenes Kind benötigt ein neues Organ!” sind mir wohlbekannt. Sie rühren mich nicht, sie festigen eher noch meinen Entschluss. Aber wer als Politiker oder Transplantationsmediziner so argumentiert, kann ja seine rein humanitäre Gesinnung dadurch unter Beweis stellen, dass für das Transplantationswesen keine Kosten entstehen dürfen und niemand daran verdient. 

Wie eingangs erwähnt: Ich war bislang und schon lange Organspender mit Ausweis und entsprechender Patientenverfügung. Der Ausweis ist vernichtet, die Verfügung neu gefasst. Für meine jetzige Haltung möge man sich bei Jens Spahn und den Geschäftemachern der Transplantationsindustrie bedanken.

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Ein Kommentar:

  1. Sehr guter Text.
    Besser kann man das kaum begründen.

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