Politik und Medien stecken in der Krise

Autor: Kurt O. Wörl

Politik und die Mainstream-Medien, vor allem in Deutschland, aber merklich auch in allen anderen Ländern der westlichen Welt, befinden sich in der Krise. In einer Vertrauenskrise. Die Politik hat ihr Vertrauen verspielt, weil sie sich seit 30 Jahren im Wesentlichen nicht mehr um jene kümmert, für die sie eigentlich gewählt und finanziert wird: Die Bevölkerung.

Und viele Medien kommen nicht mehr aus ihrer Tendenzberichterstattung heraus.

Quot esset demonstrandum!

1. Politik in der Krise

Ureigendste Aufgabe der Politik ist es, mit gesetzlichen Rahmenbedingungen (Legislative), durch Anwendung (Exekutive) und Sicherstellung der Einhaltung derselben (Judikative) dafür zu sorgen, dass die Lebensbedingungen für möglichst alle Menschen gut sind und möglichst immer besser werden. Das findet auch Eingang in den Eid der Amtsträger: Das Wohl des Volkes zu mehren.

Auf Regierungen konnte man dabei trotzdem noch nie vertrauen, sie sind von jeher wesentlich von der Wirtschaft und deren Vorgaben zu sehr abhängig, sucht das irgendwie Mögliche auch mal an der Verfassung vorbei. Die Drohung der Wirtschaft mit Arbeitslosigkeit ist ein mächtiges Instrument. Aber von den Parlamenten sollte erwartet werden können, dass diese den Bedürfnissen der Bevölkerung weitestgehend entsprechen. Sie sollten der Regierung notfalls Einhalt gebieten und nicht erst das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil. Volksvertreter sollten sich als die Lobby der Bevölkerung verstehen – was aber zunehmend immer mehr zur Theorie verkommt. Denn wie lautet ein Sponti-Spruch: “Staubsaugervertreter verkaufen Staubsauger, Volksvertreter verkaufen demnach …” Na? Genau! – und leider gar nicht so selten!

Zu mächtig ist der ausufernde Lobbyismus, zu verführerisch sind die Versprechen auf gut dotierte Jobs nach dem öffentlichen Amt, nicht nur für Regierungsmitglieder, auch für Parlamantarier. Gerhard Schröder (jetzt im Gazprom-Konzern), Wolfgang Clement (ging zu RWE), Roland Koch (ging zum Baukonzern Bilfinger), Ronald Pofalla (heuerte bei der Deutschan Bahn an) und Dirk Niebel (jetzt beim Rüstungsriesen Rheinmetall) sind nur die bekanntesten Beispiele für ehemalige Regierungsmitglieder. Daneben gibt es aber auch noch die vielen unbekannten Abgeordneten, von denen man die “Belohnung für wirtschaftsfreundliches Verhalten” nicht so ohne weiteres mitbekommt, wenn sie irgendwann ihr Mandat aufgeben (müssen).

Und die Justiz? Richter sind unabhängig und nur dem Gesetz und ihrem Gewissen unterworfen. Deshalb dürfen sie für bezahlte Vorträge auch Geld annehmen. Da nehmen höchste Richter Geld von Versicherungsgesellschaften und müssen hinterher möglicherweise ein für die Versicherung teueres Urteil sprechen. Ob er dann noch einmal zu einem bezahlten Vortrag eingeladen wird?

Die Bevölkerung kann dieser Macht kaum etwas entgegensetzen, außer im öffentlichen Raum durch Demonstrationen, durch Petitionen und dergl – und bei Wahlen Ohrfeigen verpassen, um auf ihre Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Dafür wird sie dann aber auch regelmäßig von der Politik unflätig beschimpft: Das ist aktuell bei den PEGIDA-Bewegungen so, es war so beim Protest gegen die Startbahn-West am Frankfurter Flughafen, Stuttgart 21 dient als Beispiel, es war so bei der Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf usw. usf..

Die Bevölkerung kann keine hohen Referenten-Honorare für Vorträge anbieten und auch keine gut dotierten Anschluss-Jobs vergeben. Sie haben auch nicht die Möglichkeit, jederzeit sich zu ihren Abgeordneten Zugang zu verschaffen, um Wünsche zu äußern. Lobbyisten, äußerliches Merkmal des ausufernden, gobalen Wirtschafts- und Finanzfaschismus, können das – und sie können diese Ausgaben auch noch steuerlich geltend machen (und damit auf Kosten des Steuerzahlers – also der Bevölkerung).

Wem aber wird ein anfälliger Abgeordneter, der vielleicht nie einen anderen Beruf ausgeübt hat als sein Mandat, im Zweifel folgen, wenn es um seine eigene Zukunft geht? Ein altes Sprichwort lautet “Wess’ Brot ich ess, dess’ Lied sing’ ich!” – Vielleicht ist es genau das, was unsere Kanzlerin (jene mit dem höchsten Destruktionsfaktor seit Kriegsende) meinte, als sie in einem Vortrag, ohne mit der Wimper zu zucken, aussprach: “Ich wünsche mir eine marktkonforme Demokratie.” Wohl gemerkt, sie wünscht sich keine demokratiekonformen Märkte, sondern die Demokratie solle sich an die Märkte anschmiegen.

In die ohnehin angespannte Situation brach dann auch noch die Flüchtlingswelle, mit der zugleich geltendes europäisches wie nationales Recht außer Kraft gesetzt wurde. Die Politik zeigte sich handlungsunfähig und überfordert. Aber das wäre ein eigenes Thema.

Ich will das nicht weiter vertiefen und auch nicht verallgemeinern, das wäre ungerecht, denn es gibt sie durchaus noch, die gewissensgetragenen Politiker, die sich mit Herzblut für die Interessen der Bevölkerung einsetzen – und zwar in allen Parteien. Aber sie sind heute nach meiner Wahrnehmung nur noch Ausnahmerescheinungen. Daneben gibt es leider auch noch die faulen Parlamentarier, die eigentlich nichts anderes tun, als zuverlässig die Hand zu heben, wenn ihre Fraktion das wünscht… auch sie können sich kaum noch berechtigt Volksvertreter nennen.

Ist man sich dessen bewusst, dann kann man sich auch das AfD-Phänomen, nämlich, dass die meisten AfD-Wähler diese Partei gar nicht wegen ihres Programms wählen (eine “neoliberales”, das massive Austeritätspolitik verspricht) erklären, sondern weil das aktuell die einzige Möglichkeit ist, der etablierten, wirtschaftshörigen Politik mit Anlauf in den Hintern zu treten. Taktisches Wählen also. Wenn die AfD 30% Stimmen holt, dann fliegen 30% der Abgeordneten der etablierten Parteien aus dem Parlament – und das wirkt in diesen Pareien durchaus.

Man könnte das Thema noch fortführen, etwa dass die Bevölkerung nicht mitgenommen wird, wenn im fernen Brüssel folgenreiche Freihandelsabkommen wie CETA und TTIP ausgehandelt werden, mit schon bizarr wirkenden Geheimhaltungsstrategien. Ich wollte nur einige wichtige Gründe für den Vertrauensverlust der Politik darlegen.

2. Medien in der Krise

Wie die Politik, hat auch die deutsche Medienlandschaft ein massives Vertrauensproblem, aus der sie sich nicht recht zu befreien weiß. “Lügenpresse” brüllen die Pegidisten ihren Vertretern entgegen. Ein Begriff aus der Nazi-Zeit. Ich finde ihn völlig überzogen. Aber es gibt durchaus berechtigte Kritik. Zulange haben sich Journalisten nicht mehr als Bericherstatter und Kommentatoren verstanden, sondern haben sich als Propagandisten betätigt. Es wird nicht mehr die Nachricht, sondern das eigene Weltbild publiziert. Ich habe noch gelernt, dass Nachrichten frei jeder Bewertung des Inhalts vermittelt werden sollen. Doch keine Tagesschau, keine heute-Sendung wird heute mehr ausgestrahlt, in welcher dem Zuschauer mit der Nachricht nicht zugleich vermittelt wird, was dieser gefälligst davon zu halten hat. Irgendwie glaubt die Journaille heute dazu berufen, ggü. der Bevölkerung auch einen Erziehungs- oder Prägungsauftrag wahrnehmen zu müssen. Bei Claus Kleber, Moderator des heute-Journals, kann man z.B. darauf wetten, das er die USA immer als das Gute schlechthin und Putins Reich genauso regelmäßig als Ausgeburt des Bösen wirken lassen wird. Mögliche Erklärung: Kleber ist Kuratoriumsmitglied der Atlantik-Brücke, eine Organisation, die u.a. darauf Einfluss nehmen will, in Deutschland eine US-freundliche Berichterstattung zu gewährleisten.

Oder nehmen sie Talkshows, oder Wahlsendungen. Regelmäßig werden dort Vertreter nicht gewollter poltitischer Kräfte vorsätzlich, teilweise unmenschlich, vorgeführt. Ihr Ruf in der Bevölkerung als “Populisten” soll so verfestigt werden. Ob das Markus Lanz nun mit Sahra Wagenknecht macht oder Maischerger & Co. mit Beatrix von Storch oder Frauke Petry ist nebensächlich. Es ist erkennbar, dass sie – beide an den poltischen Rändern angesiedelt – hinterher möglichst ramponiert wieder aus der Sendung gehen sollen. – Mainstream ist Mitte – und die soll gut aussehen. (Vielleicht ein Grund, warum alle etablierten Parteien sich immer mehr dort zusammendrängen: Weder ist die SPD noch eine Arbeiterpartei, noch kann die CDU noch eine wertkonservative genannt werden).

Die sog. “Willkommenskultur” als 2015 Hundertausende von Menschen in unser Land kamen – war im Wesentlichen von den eher links-liberalen, deutschen Medien inszeniert, wie wir heute wissen. Es kamen da eben nicht vor allem hochgebildete Hochschulabsolvenden, sondern das ganze Spektrum der Gauß’schen Verteilungskurve zu uns. Spätestens nach der Geschichte schreibenden Silversternacht 2015/2016 war das Kartengebäude des Tendenz-Journalismus in sich zusammengebrochen – und damit auch der Ruf der deutschen Medien – vorher schon von “Rechts” als “Lügenpresse” beschimpft, jetzt wirklich massiv beschädigt.

Oder nehmen wir die Print-Medien. Wenn Sie heute den SPIEGEL-aufschlagen (Sie können aber auch den FOCUS nehmen), fällt Ihr Blick auf der rechten Seite, unten, zu allererst auf das Logo eines Konzerns, der dort eine ganzseitige, aufwändige Werbeanzeige geschaltet hat. Und das zieht sich durch das ganze Heft: Rechts Werbung, links redaktioneller Inhalt. Und diese Werbung lässt sich jedes Magazin natürlich gut bezahlen. Mit dem Kaufpreis alleine ist so eine Publikation mit hoher Auflage heute nicht mehr finanzierbar, zumal Investoren auch Gewinne sehen wollen.

Es wundert von daher nicht, dass der SPIEGEL sein einstiges Image als undabhängiges, investigatives Magazin verloren, womöglich freiwillig aufgegeben hat. Wie soll so ein Magazin z.B. auch Skandale von Konzernen aufklären und publizieren, wenn es doch von deren Werbeetat massiv abhängig ist? Das “Linke” in dem Heft beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das “Rechte” zu verunglimpfen. Ausgewogene Berichterstattung Fehlanzeige!

Ich muss einräumen, dass ich deshalb schon länger vor allem auf ausländische Berichterstattung setze. Die von mir gewählten verzichten meist auf wertend-tendenziöse Berichterstattung und Kommentare werden auch als solche benannt und, dass diese solche einer Einzelperson sind und nicht etwa generell die redaktionelle Ausrichtung widerspiegeln. Das öffentlichrechtliche Fernsehen Dänemarks DR ist derzeit meine bevorzugte Quelle im TV-Bereich (ich komme unten auf Letzteres zurück).

3. Konsequenzen

Neue, von den Etablierten nicht gewollte, politische Kräfte haben es schwer, in den Mainstream-Medien hinreichend Präsenz zu erfahren. Das haben anfangs der 80er Jahre die “Grünen” ebenso erfahren wie aktuell die AfD. Und das hat übrigens auch Donald Trump im Wahlkampf erfahren und sich in seiner Situation durchaus mediengerecht verhalten. Die Medien wollten Hillary Clinton als Vertreterin des Establishments und nicht Trump. Entsprechend haben sie ihn von Beginn an behandelt.

Jeder gute Spin-Doktor, der Politiker berät, kennt die Abhilfe: Tabubrüche! – Ob 5,– DM für den Liter Benzin und strafreier Sex mit Kindern damals bei den Grünen oder die hinlänglich bekannten Tabubrüche zulasten der Migranten der AfD heute. Sie sind ein wirksames Mittel dazu, dass sich die Medien mit der neuen politischen Kraft befassen müssen. Keine andere Partei kann akuell eine derartige Medienpräsenz vorweisen wie die AfD. Die Führungskräfte frohlocken deshalb zurecht: Unseren Wahlkampf führen und finanzieren die Medien in ihrer Hysterie – wir müssen so weitermachen.

4. Gibt es Hoffnung?

Gibt es Hoffnung? Ich denke schon! Das Rauschen, die Kakophonie und die Macht der Sozialen Medien (oft in Hetzkampagnen mündend) wird dazu zwingen, dass die Medienlandschaft über ihre Rolle wird reflektieren müssen. Bei den Print-Medien wird die sinkende Auflage, bei den Sendeanstalten die Einschaltquote zusätzlichen Druck ausüben.

Ich denke, wir werden eher früher als später erleben, dass die Medienlandschaft sich wieder auf mehr ausgewogene und fairere Berichterstattung, mit deutlich vom Bericht getrennten Kommentaren besinnen und auch den Umgang mit neuen politischen Kräften überdenken wird. – Sie müssen den teilweise obskuren Infoangeboten im Internet Seriosität entgegensetzen, oder sie werden zunehmend bedeutungslos.

Und das Umdenken hat schon begonnen: Die beste TV-Quelle in Europa stellt zur Zeit das öffentlich-rechtliche Fernsehen DR in Dänemark dar, wie ich oben bereits erwähnte. – Theoretisch jedenfalls, denn das wird leider nicht in die deutschen Kabelnetze eingespeist, wie uns überhaupt die Sender unserer direkten europäischen Nachbarn, auch die deutschsprachigen in Österreich und der Schweiz, vorenthalten werden. Wir dürfen noch nicht einmal den Live-Stream über das Internet mitverfolgen – soviel zum “geeinten Europa”, soviel zur Informationsfreiheit. Man ist hierzulande schon auf Satellitenempfang angewiesen. Offenbar sollen wir uns gar nicht auch über die Auslandsmedien informieren können – oder zumindest nicht deren Werbeeinblendungen wahrnehmen, das könnte den Werbekuchen in Deutschland schmälern.

Zurück zum Vorbild gebenden dänischen Fernsehen DR:

Dass mein Eindruck als Dänemark-Fan, die seriöseste TV-Berichterstattung fände im DR statt, simmt, wurde kürzlich in einem – durchaus einmal selbstkritisch zu nennenden – Beitrag des NDR Magazins ZAPP ausgestrahlt. Nach Umfragen halten 82% der Dänen die DR-Berichterstattung für sehr glaubhaft (ein Wert, von dem deutsche Sendeanstalten nur träumen können). Der DR-Nachrichtenchef Ulrik Haagerup erklärte, wie das auch beim DR in Ansätzen verlorengegangene Vertrauen erfolgreich zurückgewonnen werden konnte. Ich halte mich im Folgenden wesentlich an den Text der Sendung (ist also nicht meine Geistesleistung):

Haagerup: “Ich denke, es lag am Spiegel, den wir uns vorgehalten haben. Wir haben reingeguckt und ehrlich gesagt ‘ja, wir sind einseitig’. In Redaktionskonferenzen haben wir nicht über Journalismus geredet, sondern ob uns eine bestimmte Position gefällt oder nicht. Aber wir sollten nicht unsere Macht gebrauchen, um die Welt mit unserer eigenen politischen Haltung zu filtern. Das können die Menschen alleine.”

Heute legen die DR-Redaktionen großen Wert auf Ausgewogenheit, behandeln z.B. Dänemarks Rechtspopulisten genauso wie jede andere Partei. Inzwischen berät Haagerup sogar die britische BBC. Am Anfang stand bei der Neuausrichtung des Senders die Ahnung, “Vielleicht haben die Kritiker recht?”

Haagerup weiter: “Wenn die Zuschauer nicht mit dem zufrieden sind, was du sendest, liegt es wahrscheinlich nicht an ihnen sondern an dir. Also musst du wahrscheinlich was ändern. Wir Journalisten sind viel besser im Reden als im Zuhören. Vielleicht sollten wir uns einfach mal anhören, was die Kritiker zu sagen haben?”

Haagerup hat auch die deutschen Medien genau verfolgt. Sein Urteil wirkt auf mich vernichtend: “Die deutschen Medien haben den Menschen nicht die bestmögliche Version der Wahrheit präsentiert, so wie sie es tun sollten. Sie haben ein Bild gezeigt, wie sie es sich als Jorunalisten, als Elite für die Gesellschaft, wünschen. Es ist nicht verboten Angst zu haben, wenn Tausende Flüchtlinge aus fremden Kulturen zu uns kommen. Ob das auch meine Meinung ist, ist egal. Aber wenn sie jemand hat, ist das völlig legitim. Also sollen wir sie auch abbilden.”

Ich finde, unsere Medienlandschaft sollte vom Vorbild gebenden DR lernen – und zwar sehr schnell, bevor die wuchernde Kakophonie in Deutschland zu noch schlimmeren Zuständen führt. Schon jetzt brüllen sich die Vertreter verschiedener politischer Lager nur noch an, Moderatoren lassen es geschehen. Dem anderen einfach mal zuhören, das will bei uns offenbar niemand mehr.

Hier der sehr sehenswerten ZAPP-Sendung auf YouTube:

 

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