Robert Habeck fällt aus der Rolle

Autor: Kurt O. Wörl

Die gestrige Talkrunde bei “Maybrit Illner” spiegelte recht deutlich die allgemeine, politische Nervosität in unserem Land wider. Eigentlich wollte die Moderatorin mit ihren Gästen über Angela Merkel und den Verfall ihrer Macht plaudern. Sie leitete mit der abhanden gekommenen Rücktrittskultur ein und spannte den Bogen dann von Jogi Löw, der trotz einer Misserfolgsserie Bundestrainer der deutschen Nationalmannschaft bleiben will, über Horst Seehofer und Angela Merkel. Eigentlich!

Die Besetzung war hochkarätig: Eingeladen waren Vizekanzler Olaf Scholz (SPD), der NRW-Ministerpräsident Armin Laschek (CDU), Alexander Dobrindt (CSU-Landesgruppenchef in Berlin), der Grünen-Chef Robert Habeck und von der WELT die Ressortleiterin Politik, Claudia Kade. Fachkompetenz holte Illner im Laufe der Sendung mit der Politologin Prof. Ursula Münch in die Runde, die sich m.E. aber gar nicht so fachkundig präsentierte und allerhand Unsinn plapperte. 

Das Wahldesaster der SPD in Bayern, der zu erwartende Einbruch der CSU sowie die bevorstehenden Landtagswahlen am übernächsten Sonntag in Hessen dienten Illner als Aufmacher. Sie eröffnete die Talkrunde mit einem schönen und passenden Bild:

“Die Kanzlerin und ihre Minister, sie wirken wie Cowboys, denen man das Pferd unter dem Sattel weggeschossen hat und die trotzdem versuchen weiterzureiten!”

Das Thema glitt Maybrit Illner dann aber schnell aus den Händen und es ging letztlich nur noch um die schwächelnden Volksparteien. Doch auch dieses dynamisch entstandene Ersatzthema zeigte sich als interessant und unterhaltsam.

Dobrindt wurde von einem Sprecher aus dem Off mit der These vorgestellt: “Die deutliche Mehrheit hat bürgerlich gewählt, das linke Lager ist geschwächt.” Eine These, die Dobrindt so in der Sendung auch wiederholte und die Robert Habeck dann sehr unsympathisch und verbohrt erscheinen ließ.

Dobrindt zeigte völlig richtig auf, dass es, sieht man sich die Wahlanalysen an, gar keine Bewegung nach links, die immer gerne unterstellt würde, gebe, auch wenn die Grünen zugelegt hätten. Das aber gehe im wesentlichen zu Lasten der SPD. SPD und Grüne hätten heute weniger Zustimmung als noch vor fünf Jahren. Das bürgerliche Lager – Mitte und demokratische Rechte – hätte nach wie vor 65% in Bayern – und mit letzterem griff Dobrindt dann allerdings rhetorisch ungeschickt daneben, weil er auf die 65% nur kommen kann, wenn er das Wahlergebnis der AfD ins bürgerliche Lager subsumiert. Damit hat er mit Blick auf die Wählerwanderung zwar auch vollkommen recht, mit Blick auf die Parteien und wofür sie stehen bot er damit unnötig eine Angriffsfläche. Was dann geschah hatte ich von dem ja stets konziliant und betont sachlich auftretenden Robert Habeck nicht erwartet. Von Beginn der Sendung an fiel er den anderen Teilnehmern immer wieder undiszipliniert ins Wort und nach Dobrindts Darstellung legte er zunächst theatralisch beide Hände vor das Gesicht und fiel dann völlig aus der Rolle.

Habeck störte erneut Dobrindts Vortrag, unterbrach ihn ständig und griff ihn an: “Wissen Sie, was Sie gerade getan haben? Sie habe gerade die AfD zum bürgerlichen Lager gezählt.” 

Dobrindt widerspricht sofort und will auf die Wählerwanderung verweisen, legt Wert darauf, dass man die Funktionäre und die Wähler schon noch unterscheiden müsse, doch Habeck lässt ihn eifernd mit erhobenem Zeigefinger nicht mehr zu Wort kommen. Habeck addierte ständig die Wahlergebnisse der bürgerlichen Parteien, CSU, Freie Wähler, FDP und die AfD, während Dobrindt seinerseits stets von den Wählern und der Wählerwanderung sprach und Habeck explizit aufforderte, nun doch keine Wählerbeschimpfung vorzunehmen. Doch Habeck ließ sich in seinem Wortschwall weder unterbrechen noch korrigieren. Er wollte erkennbar die Gelegenheit nutzen, Dobrindts Vortrag zu skandalisieren und unterstellte wieder und wieder, Dobrindt zähle die AfD zum bürgerlichen Lager und er ordne damit die AfD als bürgerliche Partei ein. Doch das hat Dobrindt nicht mit einem Wort auch nur ansatzweise behauptet.

Dobrindt stellt dann schließlich klar: “Die AfD ist keine bürgerliche Partei, die AfD ist eine Partei rechtsaußen, die sich gemein macht mit Hooligans, mit Rechtsradikalen und sie wird von uns bekämpft, weil wir sie überflüssig machen, weil in Deutschland keine Rechtsaußenpartei existieren darf.” 

Habeck geiferte nach: “Dann kann aber das bürgerliche Lager nicht gewonnen haben!”

Wirklich nicht? Schauen wir uns doch das Ergebnis der Bayernwahl im Vergleich zu den Wahlen 2013 etwas genauer an.

Wahlergebnisse der Bayernwahlen 2013 und 2018 im Vergleich:

1. Die bürgerlichen Parteien

2013: CSU 47,7% + Freie Wähler 9% + FDP 3,3% = 60%
2018: CSU 37,2% + Freie Wähler 11,6% + FDP 5,1% = 53,9%

Die bürgerlichen Parteien haben bei der Bayernwahl also 6,1% ggü. 2013 eingebüßt.

2. Die Parteien links der Mitte

2013: SPD: 20,6% + Grüne 8,6% = 29,2%
2018: SPD: 9,7% + Grüne 17,5% = 27,2%

Auch SPD und Grüne Parteien haben zusammen also 2% ggü. 2013 eingebüßt.

Soweit der Ergebnisvergleich der beiden Wahlen. Die beiden Schmuddelparteien LINKE und AfD blieben bei dieser Betrachtung im Sinne Robert Habecks außen vor.

Von Dobrindts Sicht aus der Wählerperspektive sieht das dann aber ganz anders aus, denn da ist eben noch das Wahlergebnis der AfD mit 10,2%. Und da die CSU 9,5% verloren hat, muss man nicht allzu lange suchen, woher die Stimmen für die AfD hauptsächlich kamen. Addiert man diese 9,5% der abtrünnigen, bürgerlichen Wähler, die diesmal aus Protest AfD wählten, dann hat Dobrindt schlicht recht: Die bürgerlichen Wähler sind mit 64,1% stärker geworden, die linken Wähler haben um 2% abgenommen.

Diese Betrachtung ist allerdings schräg, denn wer AfD gewählt hat, ist AfD-Wähler. Sie ist aber insofern erforderlich, als Dobrindt ausdrücklich betonte, es sei Ziel und Aufgabe der CSU, diese verloren gegangenen, bürgerlichen Wähler zurück zu gewinnen und die AfD wieder überflüssig zu machen. Ein ehrnswertes, legitimes Ziel, wie ich finde.

Richtiger freilich wäre diese Betrachtung, die Habeck auch nicht bestreiten kann: Es hat in Bayern, trotz des grandiosen Ergebnisses der Grünen, im Gesamten einen Rechtsruck und keine Stärkung des linken Spektrums gegeben. Die Linke ist mit knapp über 3% sogar an der 5%-Hürde gescheitert.

Und richtig ist auch, was Habeck in der Sendung aber vehement bestritten hat, der Erfolg der Grünen geht nahezu ausschließlich zu Lasten der SPD, da hat Habeck die Analyse der Wählerwanderung offenbar nicht richtig verstanden. Vor allem die Grünen haben die SPD schlicht kannibalisiert.

Fazit

Den Robert Habeck habe ich bislang als vernünftigen, sachlichen und sympathischen Politiker eingestuft, das beste, was die verpeilte grüne Lehrerpartei je an ihre Spitze gestellt hat. Warum er nun in recht kraftmeierischer Art mit abstoßender Rabulistik und häufig erhobenem Zeigefinger auftritt, begreife ich nicht recht und ich kann mir nicht vorstellen, dass solch undisziplinierte Auftritte bei der anstehenden Hessenwahl nützlich sein könnten. Wer sich selbst ein Bild vom Auftritt Robert Habecks machen möchte, bitteschön, hier geht’s zur Sendung:

 


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