Zum Glück werten Träume selten Realität - hoffe ich:

Seltsamer Traum von seltsamer Gerechtigkeit

Autor: Kurt O. Wörl

“Sie manchmol dou traamt’s oan an Bläädsinn zamm…”, lautet der Titel eines alten Wiener Schrammerls und will aussagen, dass man manchmal eigenartige Träume hat.

So ging es auch mir neulich: In meinem Traum stand ein mir lieb gewonnener Mensch, Betriebsrat seines Zeichens, auf einer Barrikade und blies zum Sturm auf einen Traum von Villa, in der gerade ein Sack voll Bänk(st)er und Habgieriger anderer Konzerne – ich erkannte Ackermann, Esser und Zumwinkel – sich zum Dinner zusammen fanden und ausheckten, auf welch schmutzige Weise sie als nächstes ein deutsches Traditionsunternehmen kampflos feindlich übernehmen lassen und wie sie sich dafür aus der Firmenkasse und auf Kosten der Gesellschaft bereichern wollten.

“Reißt den Wirtschaftsfaschisten den edlen Zwirn vom Leib!” schrie einer der Aufständischen nach dem Eindringen in die Villa und Null Komma nichts standen unsere Magnaten der Wirtschaft nur noch in edlen Unterhemden und albern wirkenden, seidenen Boxershorts, bibbernd vor Schiss, da. Auf einmal trugen die revolutionären Protagonisten – Träume sind schon wirklich unberechenbar – phrygische Mützen, also Jakobinermützen, nur nicht in blau-weiß-roter Farbe, sondern in schwarz-rot-blond, äh …-gold. Deshalb nenne ich meine Traum-Aufständischen der Einfachheit halber mal Germabiner.

Diese Germabiner trieben die Schmuddel-Manager vor sich her zum nächsten Klärwerk, wo man ihnen mit vorgehaltenen Dreschflegeln hieß, sie sollten gefälligst riesige Haufen Exkremente wegschaufeln. “Als Lohn erhaltet ihr einen Gutschein, um Euch billige Hosen besorgen zu können, wie sie auch mein Bruder trägt, seit er durch Eure Raffgier arbeitslos wurde”, versprach einer der Germabiner feixend.

Zwei vorbeigehende Putzfrauen kicherten, als sie die Manager – würgend und schimpfend über den Gestank – werkeln sahen und eine rief ihnen zu: “Habt Euch nicht so, wir putzen jeden Tag anderer Leute Dreck, auch euren, für einen Hungerlohn weg. Es ist uns zumutbar, also auch euch!”.

Als nächstes spazierten zwei Polizisten, sich unterhaltend und den Schlagstock lässig baumelnd lassend, vorüber. Einer der Erbärmlichen flehte mit sich überschlagender Stimme, die Beamten mögen ihnen doch zu Hilfe kommen. Diese blieben stehen, wandten sich dem Schreihals zu, einer hob eine Augenbraue, neigte den Kopf beim Betrachten der Szene erst leicht nach links, dann nach rechts, klopfte dabei mit dem Schlagstock verspielt in die andere Handfläche und fragte schließlich: “Wieso sollten wir euch helfen? Ihr zahlt keine Steuern und Eure Unternehmen auch nicht. Nun habt ihr auch noch durch Börsen-Zockerei die Wirtschaft ruiniert. Der Staat, unser Arbeitgeber, muss die kleinen Leute noch mehr belasten, um den von Euch angerichteten Schaden und sich selbst finanzieren zu können. Auch meine Kaufkraft schwindet Jahr um Jahr, wegen ‘Nullrunde um Nullrunde’. die man uns zumutet. Außerdem nehmt ihr jede Gelegenheit wahr, um auf angeblich ‘faule’ Beamte herum zu hacken. Wo also sollte meine Motivation herkommen, mich für Euch gegen die zurecht Aufgebrachten in Gefahr zu bringen und mich gar noch zu Euch in die Kloake zu begeben? Wisst ihr was, wir sind jetzt wirklich einfach zu faul!”

“Aber, um Menschen in der Not zu helfen, dafür seid ihr doch da?” maulte einer der neuen “Klärarbeiter” verzweifelt. Der Gendarm darauf: “Siehst du, so ist das, wenn jemand, der sollte, seinen Pflichten nicht nachkommt… so wie ihr, die ihr Eurer Pflicht, Steuern zu bezahlen und Wohlstand für möglichst viele Menschen zu erwirtschaften, schon lange nicht mehr nachkommt, dafür euch lieber selbst die Taschen vollstopft. Wenn andere, auf deren Macht und Pflichterfüllung man angewiesen ist, diese verweigern, kann das Verzweiflung auslösen. Verzweiflung habt ihr vielen Menschen zugemutet, genießt nun die eure. Ihr habt eure missliche Situation redlich verdient!”

Sprach’s, hob noch einmal eine Augenbraue und wandte sich wieder seiner Gehrichtung zu, ins Gespräch mit seinem Kollegen zurückkehrend. Das ging so eine ganze Weile weiter. Alle möglichen Menschen nützlicher aber unterbezahlter Berufe wie Feuerwehrmänner, Kranken- und Pflegeschwestern, Kindergärtnerinnen, Sozialarbeiter, Lehrer usw. flanierten ungerührt und allenfalls Schulter zuckend an den Erbärmlichen vorbei, Rührung zeigte keiner und jeder hatte für die Erbärmlichen ein paar schmerzliche Wahrheiten auf den Lippen.

Dann schließlich kam ein Pfarrer vorbei, der einmal die Hände nach Protestantenart faltete, mal nach Katholikenart die Hände zum Gebet mit ausgestreckten Fingern zusammenlegte. Der hörte das Gejammere und schallte die Germabiner “gottlos” und “unmenschlich”, drohte mit Seelenqualen und Hölle. Demonstrativ begab er sich zu den Managern in Not und reichte einem von ihnen die Hand, um ihn aus dem Klärbecken zu ziehen. Stattdessen rutschte er auf glitschigem Boden aus und lag nun selbst inmitten des Klärgebräus. Die Germabiner lachten erneut auf und meinten, “Du kannst den Vögeln da unten ruhig helfen, ihr wart ja sowieso immer ein Herz und eine Seele… macht also einander weiter glücklich!”

Ich gestehe eine zeitweise, nicht nur rudimentäre Schadenfreude – natürlich nur im Traume. Die gewissenlosen Egoisten in der Kacke stehen zu sehen, das hatte etwas Süßes an sich. Diese wohlige Genugtuung verflog jedoch schnell als einer aus der Masse mit dem Finger auf mich wies und brüllte, “Der da ist aus der Gewerkschaft ausgetreten, dafür soll auch er Scheiße schaufeln!” …

Völlig verdattert und durchgeschwitzt erwachte ich in dem Moment mit heftigem Druck auf der Brust und war heilfroh, dass nur unsere Katze Fanny auf meiner Bettdecke schlummerte. “Hoi, hoi, hoi”, dachte ich, “gerade noch davon gekommen”. – Ich sagte ja, manchmal träumt man wirklich Blödsinn!

Indessen: Einer Bekannten, die vorgibt sich auf Traumanalyse zu verstehen, habe ich von meinem merkwürdigen Traum erzählt und auch von der mich befallenden, unbezwingbaren Schadenfreude und der diesmal einfach nicht aufkommen wollenden humanitären Gedanken. Sie ließ mich schließlich mit gemischten Gefühlen zurück:

“Exkremente”, meinte sie, “stehen in Träumen üblicherweise als Synonym für Geld. Ackermann und Esser und Konsorten, wie auch der Pfaffe haben in deinem Traum schlicht Geld hin und her geschaufelt, gleich einer Zwangshandlung wie sie auch Sisyphus verrichtete. Sie erflehten von dir und den Vorbeiziehenden Erlösung von ihrer Zwangsneurose. Du hättest ihnen helfen sollen, zum Wohle aller!”

Ich: “Merde!”

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