Autor: Kurt O. Wörl
Robert Habeck verlässt die Politik – nicht als Elder Statesman, wie man erwarten könnte, sondern als beleidigte Leberwurst. Zum Abschied wetterte er gegen Söders „fetischhafte Wurstfresserei“ und Klöckners „Unfähigkeit, Dinge zusammenzuführen“. Zurück bleibt ein Germanist, der lieber über Erwartungsräume philosophiert, als Heizungen zu reformieren. Ein Abgang, der mehr über Verletztheit verrät als über Größe.
Der Anfang vom Ende
Man hätte es eigentlich ahnen können: Der Mann, der einst in einem seiner Bücher schrieb „Vaterlandsliebe fand ich stets zum Kotzen. Ich wusste mit Deutschland noch nie etwas anzufangen und weiß es bis heute nicht.“, wollte ausgerechnet Kanzler von Deutschland werden.
Das ist ungefähr so, als würde jemand bekennen „Ich kann mit Kindern nichts anfangen“ und sich dann als Erzieher im Kindergarten bewerben. Oder wie ein Veganer, der eine Bratwurstfabrik eröffnet. Und Deutschland – treuherzig wie immer – hat es fast mitgemacht. Aber eben nur fast.
Nun also der große Abgang: Robert Habeck, Germanist, Philosoph, Kinderbuchautor, Ex-Wirtschaftsminister, Ex-Vizekanzler – und ewiger Liebling aller Politikjournalistinnen mit Faible für Männer mit Dreitagebart und Schönrederei – zieht Leine.
Nicht souverän, nicht staatsmännisch, nicht als Elder Statesman, nicht in eleganter Distanz. Nein: in „beleidigte Leberwurst“-Manier, mit einem Hektoliter Groll im Herzen und der rhetorischen Schrotflinte im Anschlag. Getroffen hat es Markus Söder, dem er „fetischhafte Wurstfresserei“ unterstellte und Julia Klöckner. Seiner Ansicht war sie „noch nie in der Lage, Dinge zusammenzuführen“. Söder nahm’s gelassen wie eine Eiche, an der sich ein Wildschwein reibt und empfahl Habeck: „Geh‘ mit Gott – Hauptsache weit weg.“
Man nennt so etwas nicht Rückzug, sondern frustriertes Nachtreten im Stehen.
Habeck erklärte in der taz, er wolle „nicht wie ein Gespenst über die Flure laufen“. Schön gesagt – zumal er die letzten Jahre eher wie ein Poltergeist durch die deutschen Heizkeller tobte. Gespenster können immerhin durch Wände gehen, Habeck scheiterte schon an der Wand der Realität.
Vom Kinderbuch zum Kanzler – ein Bildungsroman
Dass ausgerechnet ein Germanist Wirtschaftsminister werden konnte, darf man getrost als Pointe der Geschichte betrachten. In anderen Ländern übernimmt jemand das Amt, der wenigstens schon mal eine Bilanz gesehen hat oder im Notfall einen Taschenrechner bedienen kann. In Deutschland reicht es, Kafka verstanden zu haben. Die Grünen hielten das für eine Qualifikation. Am Ende wirkte es so, als hätte man Goethe zum Maschinenbauer ernannt – mit entsprechendem Ergebnis: viel Gefühl, wenig Funktion.
Habeck, der sich in Kinderbüchern an Schafen und Möwen abarbeitete, wollte später die deutsche Industrie umbauen. Der Mann schrieb Verse über Freiheit, bis er merkte, dass Paragrafen in Gesetzen sich nicht reimen lassen. Er dichtete, wo er rechnen sollte, und philosophierte, wo Schrauben anzuziehen waren. Und so kam es, wie es kommen musste: Die Heizungen sollten grün werden – und das ganze Land lief rot an vor Wut.
Annalena und das Duell der Eitelkeiten
Bevor Habeck sich im Heizungskeller verhedderte, war er der Hoffnungsträger der Grünen für die Ampelregierung. Der Mann fürs Ganze. Der, der es mit Scholz aufnehmen könnte. Der Typ, bei dem Politikjournalistinnen einen spontanen Eisprung außerhalb des Zyklus hatten und sich fragten: „Warum kann nicht jeder Politiker so smart daherreden?“
Doch dann kam Annalena Baerbock. Sie spielte – wie es bei den Grünen mittlerweile zum guten Ton gehört – die Frauenkarte. Dummerweise aus dem falschen Kartenblatt. Ihr Lebenslauf entpuppte als bunte Mischung aus Märchen und ihr Buch als Plagiatssammlung. Man hatte auf einen grünen Kanzler gesetzt und bekam eine Kanzlerkandidat-Darstellerin, die im entscheidenden Moment alles versaute.
Zurück blieb Habeck, der sich hinter ihr anstellen musste. Er tat es. Verbissen, missmutig, aber gehorsam. Ein Philosoph im Schatten einer zum Scheitern geborenen Selbstdarstellerin. Es war der erste Knacks in seiner politischen Karriere – der Soundeffekt dazu: ein lautes „Plopp“, wie ein Luftballon, der platzt. Aber dann, heuer bei den Neuwahlen im Februar, durfte er Kanzlerkandiat spielen. – Kanzler wurde aber nicht er, sondern Friedrich Merz.
Die Ironie der Geschichte wollte es, dass Habeck, dieser Mann mit philosophischem Diplom und Germanisten-Seele, ersatzweise das Wirtschaftsministerium und sich dabei auch gleich selbst übernahm. Immerhin: Vizekanzler durfte er sich nennen. Frage: Was konnte da schon schiefgehen? Antwort: Alles!
Die deutsche Wirtschaft, ohnehin schon von Energiepreisen, Bürokratie und globalem Chaos gezeichnet, brauchte Stabilität. Habeck lieferte stattdessen: Wärmepumpenpflicht, Heizungsverbote und halbfertige Konzepte, die klangen, als hätte man sie in einem Kreativseminar für Poetry-Slammer entwickelt.
„Mehr Verbindlichkeit im Zwischenraum der Möglichkeiten“ – so hätte vielleicht ein Germanist die Energiepolitik beschrieben. Für Handwerker, Hausbesitzer und Unternehmen hieß das schlicht: teurer, unklarer, unsicherer.
Das Resultat: Die Wirtschaft schmierte ab, während der Minister in Talkshows erklärte, Firmen würden nicht insolvent, sondern „stellen ihre Produktion einfach ein“. Das war kein Fauxpas – das war Germanistik im Höhenflug: ein Konkurs als semantisches Experiment.
Man kann mit Sprache viel machen – aber kaum Arbeitsplätze retten.
Aber: Fairness darf auch bei satirischer Begleitung sein. Nicht unerwähnt soll deshalb bleiben, dass das von ihm geführte Wirtschaftsministerium die Energiekrise, infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine, meisterhaft bewältigt hat. In Rekordzeit neue LNG-Terminals für die Anlandung von Flüssiggas zu errichten, das war unbestritten eine Meisterleistung.
Der große Abgang – mehr Groll als Größe
Und nun? Statt mit Grandezza geht Habeck wie ein beleidigter Schüler von der Schulbühne. In seinem Abschiedsinterview – ein Tagebuch voller Unmut, abgeschmeckt mit Selbstgerechtigkeit – verteilte er Seitenhiebe. Markus Söder bekam die „fetischhafte Wurstfresserei“ um die Ohren gehauen. Ein Satz, der zwar knackig klingt, aber mehr über Habecks Groll verrät als über Söders Essgewohnheiten. Julia Klöckner bekam ihr Fett weg: „noch nie in der Lage, Dinge zusammenzuführen“. Wenn das die neue Definition von Staatskunst ist, dann war Habeck selbst nie in der Lage, Heizungen sauberer arbeiten zu lassen.
„Wo eine Tür zugeht, geht auch eine auf“, philosophiert er im Interview. In der Berliner Politik heißt das allerdings: Hinter der einen Tür wartet die Parteibasis mit dem Baseballschläger, hinter der anderen Tür die Bundestagsfraktion mit dem erhobenen Zeigefinger. Offen blieb am Ende nur die Hintertür – und die hat er genutzt.
Man merkte dabei: Hier spricht kein Mann, der loslassen kann. Hier spricht einer, der eigentlich bleiben will – es aber nicht mehr kann.
Markus Lanz und die Leere im Erwartungsraum
Sein Auftritt bei Markus Lanz sollte ein Vermächtnis werden. Man erwartete Pathos, vielleicht eine letzte große Idee, eine Vision für Deutschland. Heraus kam – nichts. „Außerhalb des Erwartungsraums agieren“, so nannte er es, was immer er damit auch sagen wollte. Lanz, Melanie Amann und Carlo Masala schauten drein, als hätten sie eine Matheklausur in Altgriechisch vor sich. Übersetzt hieß es schlicht: „Die Leute waren zu dumm, meine Genialität zu erkennen. Jetzt hab’ ich keine Lust mehr.“
Es war ein Statement, das zwischen Hybris und Resignation oszillierte. Der Philosoph in Habeck wollte es tief klingen lassen, der Politiker aber wirkte einfach nur beleidigt.
Und so blieb von diesem Abend nur hängen: Trapattoni hatte recht. Der Mann hat fertig.
Kulturkampf als Lebenselixier
Habeck beklagte die „sinnlosen Kulturkämpfe“. Ironischerweise sind die Grünen darin die Navy SEALs des Moralmilitärs: Sie springen nachts durchs Fenster, um das Gendersternchen zu retten. Gendern, Fleischverzicht, Tempolimit, Regenbogenfahne – das sind keine Nebensachen für sie, das sind Glaubensfragen. Habeck tat so, als sei er über diesen Kämpfen erhaben. Doch er selbst zog in jede Schlacht, die ihm nützlich erschien.
Söder = Wurstfetischist, Klöckner = unfähig, Deutschland = zu dumm. Das sind auch Kulturkämpfe, nur eben persönliche. Vielleicht wäre Unkultur das treffendere Wort.
Und wenn Habeck über das Land sagt, es müsse sich „aufraffen“, dann bleibt am Ende nur die Erkenntnis: Mit Schmollfiguren wie ihm gelingt das sicher nicht.
Der Philosoph, der Kanzler werden wollte
Besonders bitter schmeckt der Rückzug, weil Habeck selbst nie müde wurde, den großen Bogen zu schlagen. Mal ging es um „Ordnungsgerechtigkeit“, mal um „das Offene“, mal um „den Erwartungsraum“ – Begriffe, die klingen wie Kapitelüberschriften aus einem unveröffentlichten Philosophie-Seminar.
Sogar beim Thema Wehrpflicht, als Vater von Söhnen, sorgte er sich mehr um die richtige Terminologie als um die Realität. Statt eine klare Haltung zu zeigen, murmelte er: „Das sei eine politische Ordnungsgerechtigkeitsfrage.“ Übersetzt: keine Ahnung, Hauptsache es klingt tiefsinnig. Aber immerhin, er wolle lieber selbst in den Krieg ziehen als seine Kinder ziehen lassen. Das war vielleicht sein sympathischster Auswurf bei Lanz.
Der Mann, der Deutschland nie mochte, wollte dieses Land führen.
Der Mann, der Kinderbücher schrieb, wollte die Wirtschaft lenken.
Der Mann, der lieber Essays verfasste, wollte Heizungen verkaufen.
Das war von Anfang an ein Projekt, das scheitern musste. „Ich bin abgewählt worden“, gesteht er. Das klingt wie ein Akt der Demut – ist aber eigentlich nur die grüne Variante von: „Die Klausuraufgabe war unfair gestellt.“
Die letzte Pointe – Deutschland ohne Habeck
Und jetzt ist er weg. Oder zumindest halb weg. „Ins Offene“, wie er sagt. Im taz-Interview verrät er, er ziehe nun ins Ausland, nach Kopenhagen und als Gastdozent an die Elite-Universität Berkeley, Kalifornien, „zur Horizonterweiterung“. Man könnte sagen: Und in Kalifornien lernt er dann, wie man mit Solarenergie nicht nur über Dächer Akkus, sondern auch entleerte Karrieren wieder auflädt. Fraglich allerdings, ob Donald Trump ihn überhaupt einreisen lässt. Bekanntlich hat dieser allem Progressiven, auch an den links-tickenden Universitäten, den Krieg erklärt.
Deutschland atmet derweil durch. Nicht aus Bosheit, sondern aus Erleichterung. Einer weniger, der gleichzeitig philosophieren und regieren wollte und beides vergeigte. Einer weniger, der von „Erwartungsräumen“ spricht, während draußen die Wirtschaft ächzt. Einer weniger, der sich für zu fein hält, mit Deutschland etwas anfangen zu können – aber Kanzler werden wollte.
Vielleicht wird er jetzt auch wieder Romane schreiben. Vielleicht Theaterstücke. Vielleicht ein Buch über das Drama einer Nation, die ihm nicht folgen wollte. Titelvorschlag: „Die fetischhafte Wurstfresserei – ein deutscher Bildungsroman.“
Am Ende verkündete er, er gehe „ins Offene“. Das Offene – das ist der Ort, an dem keine Opposition nervt, keine Ampel blinkt und keine Bürger quengeln. Manche nennen es auch schlicht: Vortragsreisen mit Spesen.
Resümee
Robert Habeck verlässt die Politik – und zurück bleibt ein leises Kopfschütteln. Nicht, weil er ging, sondern wie er ging. Keine Souveränität, keine Größe, nur Nachkarten. Kein Abschied, sondern ein unwürdiger Abgang.
Er hätte es besser wissen müssen. Vielleicht wollte er auch nie pragmatische Politik machen. Vielleicht war er immer nur Philosoph, Schriftsteller und Germanist auf Abwegen. Vielleicht war Deutschland für ihn immer nur Material – für ein Buch, für Reden, für ein Projekt. Und weil das Material nicht mehr mitspielt, lässt er es fallen.