Symbolfoto von Goran Horvat auf Pixabay
Autor: Kurt O. Wörl
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ – Erich Kästners Satz ist heute aktueller denn je. Doch während frühere Generationen durch Arbeit, Entbehrung und Verantwortung Zukunft überhaupt erst möglich machten, erschöpfen sich Teile der Jugend von heute allzu oft im Lärm des Protests. Straßenblockaden, große Worte und moralische Anklagen ersetzen keine Tat. Der Essay erinnert an die Tatkraft der Nachkriegsgeneration, zeigt die Widersprüche der heutigen Aktivisten – von Greta bis Luisa – und stellt die Frage: Wollt ihr in der Geschichte als Schreihälse eingehen oder als Gestalter einer besseren Welt?
Prolog
Es gibt Sätze, die wirken auf den ersten Blick harmlos. „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es“ gehört dazu. Doch dieser Satz, von Erich Kästner inmitten der Wirren des 20. Jahrhunderts formuliert, ist alles andere als harmlos. Er ist eine Kampfansage gegen Bequemlichkeit, Selbstzufriedenheit und moralisches Schaulaufen.
Und er richtet sich heute, ob ihr es hören wollt oder nicht, in aller Schärfe an euch, die junge, selbsternannte „Letzte Generation“. Ihr seid laut – laut auf der Straße, laut in den sozialen Medien, laut in eurer Empörung, voll von Radikalität und Wut. Ihr tragt Schilder, ihr haltet Reden, ihr fliegt von Klimakonferenz zu Klimakonferenz, ihr blockiert Straßen und klebt euch auf Asphalt. Doch Lärm und Protest ersetzen keine Tat. Sie verschaffen vielleicht Aufmerksamkeit, aber keine Veränderung.
Eure Großeltern hatten weder Instagram noch TikTok. Sie hatten Hunger, Kälte und Ruinen. Sie mussten nicht diskutieren, ob es „sinnvoll“ sei, Mörtel und Putz von den Trümmersteinen zu klopfen – sie taten es, weil es keine Alternative gab. Sie mussten nicht fragen, ob es gerecht sei, Schichtarbeit auf sich zu nehmen. Sie arbeiteten, damit ihre Kinder satt wurden.
Und manche von euch glauben, es wäre das höchste Opfer, am Freitag die Schule zu schwänzen und ein Wochenende lärmend auf einer Straße zu verbringen oder einen empörten Post ins Netz zu setzen. Ihr verwechselt Pose mit Leistung, Aufmerksamkeit mit Wirkung, moralische Selbstvergewisserung mit Übernahme von Verantwortung.
Natürlich, ihr sagt, ihr „kämpft“ für eine große Sache: das Klima, die Zukunft, die Gerechtigkeit. Aber eine Sache wird nicht dadurch gerettet, dass man sie beschwört, sondern dadurch, dass man sie gestaltet. Nicht das Plakat rettet den Wald, sondern der Baum, den man pflanzt. Nicht die Parole macht die Welt gerechter, sondern die Tat, die im Kleinen beginnt und im Großen nachhallt.
Kästners Satz ist unbequem, weil er euch den Spiegel vorhält. Er nimmt euch die Ausrede, man habe doch „etwas gesagt und gefordert“. Worte sind billig, Likes sind wertlos, Protest ist flüchtig. Erst wenn ihr ins Handeln kommt, wenn ihr euren Beitrag nicht in Empörung, sondern in Arbeit messt, wird aus eurer Haltung mehr als ein bloßes Schauspiel.
Die Widersprüche einer lauten Jugend
Es ist kein Zufall, dass der Satz Kästners heute so scharf wirkt. Er entlarvt die Widersprüche, die sich in vielen Jugendbewegungen offenbaren. Einerseits erhebt ihr, die junge Generation, den Anspruch, moralisch überlegen zu sein – ihr nennt euch „die letzte Generation“, ihr stilisiert euch zur letzten Bastion vor der Katastrophe. Andererseits verhaltet ihr euch oft, als gäbe es keinen Widerspruch zwischen Anspruch und tatsächlichem Lebensstil.
Wie glaubwürdig ist es, das Ende der Welt zu beschwören und gleichzeitig Urlaubsfotos aus Bali zu posten? Natürlich gilt das nicht für alle von euch – aber für genügend, dass es ins Auge springt. Wie ernsthaft ist ein Protest, wenn er mit der nächsten Kreuzfahrt unterbrochen wird? Wer sich auf Straßen klebt, um gegen den CO₂-Ausstoß zu demonstrieren, sollte wissen, wie viel CO₂ bereits das eigene Smartphone im Alltag verschlingt – jenes Smartphone, das unentwegt aufgeladen, gestreamt, upgedatet wird, und dessen Herstellung mehr Ressourcen kostet, als ein Ziegel im Trümmerfeld je verschlungen hätte.
Diese Doppelmoral wird nicht dadurch kleiner, dass man sie mit Empörung übertönt. Im Gegenteil: Sie springt jedem ins Auge, der hinschaut. Ihr beklagt die Verantwortungslosigkeit der Älteren, aber vergesst, dass Verantwortung nicht nur darin liegt, Schuld zuzuweisen, sondern selbst mit gutem Beispiel voranzugehen.
Wohlgemerkt: Kritik an den älteren Generationen mag ihre Berechtigung haben. Fehler wurden gemacht, Chancen verpasst, Ressourcen verschwendet. Doch wer die Vergangenheit verdammt, ohne selbst konsequent zu handeln, setzt sich dem Verdacht aus, lediglich Theater zu spielen. Und Theaterstücke mögen packend sein, aber sie verändern keine Realität.
Euer größtes Risiko ist nicht, dass ihr zu wenig redet, sondern dass ihr euch im Reden verliert. Ihr lebt in einer Welt, in der Worte, Bilder und Posts binnen Sekunden millionenfach geteilt werden. Ihr seid Meister der Inszenierung, Virtuosen der Empörung, Stars im eigenen Feed. Aber Taten, die Substanz haben, Taten, die bleiben – die sind selten.
Das ist der Kern des Widerspruchs: ihr fordert von den Älteren, was ihr selbst oft nicht einlöst. Kästners Satz schneidet genau hier hinein: Das Gute existiert nicht in Tweets, nicht in Schlagworten, nicht in moralischen Gesten. Es existiert erst, wenn man es tut.
Luisa Neubauer – Radikal im Auftritt, widersprüchlich im Leben
Ein weiteres Beispiel für die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit liefert Luisa Neubauer, die deutsche Gallionsfigur von „Fridays for Future“. Radikal in ihren Forderungen, kompromisslos in ihren Reden, inszeniert sie sich gern als Stimme der Generation, die keine Ausreden mehr akzeptiert.
Zugegeben: Ihre ausgedehnte Vielfliegerei in jungen Jahren, die ihr die Spottbezeichnung als „Langstrecken-Luisa“ einbrachte, lag vor ihrem öffentlichen Klimaaktivismus. Und ja, junge Menschen reifen, Fehler gehören dazu. Es wäre unfair, ihr jede frühere Reise wie einen Schuldschein vorzuhalten. Doch was bleibt, ist das Bild einer Aktivistin, die auch nach ihrem Rollenwechsel keineswegs konsequent lebt. Auch wenn man zugesteht, dass frühe Fehler nicht ewig vorgehalten werden dürfen, bleibt doch ihr extrem hoher CO2 – Fußabdruck. Denn noch immer fliegt sie von einer Klimakonferenz zur nächsten, quer durch die Welt – ohne dass dadurch ein greifbarer Fortschritt erzielt würde.
Natürlich, sie will „auf höchster Ebene“ mitreden, ihre Bewegung sichtbar halten, Politiker unter Druck setzen. Doch seien wir ehrlich: Diese Konferenzen sind längst zu Ritualen geworden. Man redet, man verhandelt, man vertagt. Und währenddessen steigen Emissionen weiter. Jeder Flug, jede Reise, jeder Hotelaufenthalt erzeugt genau jene Belastungen, gegen die Neubauer so vehement anschreit.
Damit steht sie exemplarisch für das Dilemma vieler Klimaaktivisten: Man fordert radikalste Konsequenz – aber lebt sie selbst nicht. Man verlangt Verzicht – und nimmt sich Sonderrechte. Genau hier verliert eine Bewegung Glaubwürdigkeit. Wer der Welt moralische Vorschriften macht, darf nicht das Gegenteil vorleben. Neubauer ist so zum Sinnbild einer Jugend geworden, die schnell mit Forderungen bei der Hand ist, aber in der Praxis zu oft im Widerspruch zu sich selbst steht.
Blick zurück: Die Generation der Tatkraft
Ein Blick in die Vergangenheit genügt, um zu begreifen, wie sehr Handeln über das Schicksal ganzer Gesellschaften entschieden hat. Die Generation der Großeltern, gerne belächelt als „altmodisch“ oder „von genstern“, wusste um die Härte des Lebens auf eine Weise, die heutige Aktivisten kaum erahnen. Sie stand nach 1945 vor einem Nichts, das man sich heute schwer vorstellen kann: Städte in Trümmern, Fabriken zerstört, Felder ausgezehrt, politische Institutionen diskreditiert. Die Lebensmittelmarke war mehr wert als 1 Mrd. Reichsmark.
Damals hätte man klagen können. Man hätte anklagende Plakate malen und gegen das Schicksal protestieren können. Doch wovon wären die Kinder satt geworden? Welcher Ofen hätte mit Empörung geheizt werden sollen? Stattdessen griffen Männer und Frauen zu Schaufel, Maurerkelle und Eimer. Ziegel wurden von Hand aus Schutt geschlagen, Dächer notdürftig gedeckt, Wege freigeräumt.
Diejenigen, die heute über den Klimawandel sprechen, tun dies in beheizten Hörsälen, in wohltemperierten Wohnzimmern, oft mit dem Smartphone in der Hand. Jene damals sprachen nicht – sie schaufelten, mauerten, flickten, bauten. Ihre Worte waren knapp, ihre Taten ausdauernd.
Man mag einwenden, dass diese Generation auch Schuld auf sich geladen hatte, dass ihre Väter und Mütter dem Nationalsozialismus nicht entschieden genug entgegentraten. Das stimmt. Doch gerade deshalb war es entscheidend, nach 1945 Verantwortung nicht nur in Worten zu bekennen, sondern sie praktisch zu übernehmen. Sie taten es, indem sie ein zerstörtes Land nicht nur materiell, sondern auch moralisch wiederaufbauten.
Ohne diesen Willen zum Tun gäbe es heute keine Demokratie, in der Protest überhaupt möglich wäre. Ohne jene Generation, die im Hungerjahr 1947 Kartoffeln aus kargen Böden zog, gäbe es keine Plattform, auf der man über globale Erwärmung diskutieren könnte. Ohne jene Frauen, die als „Trümmerfrauen“ Steine stapelten, gäbe es keine Universitäten, in denen man Parolen gegen die „alten weißen Männer“ skandieren könnte.
Es lohnt sich, diesen Kontrast festzuhalten: Während damals jeder Ziegel ein Akt der Zukunftssicherung war, ist heute manch jugendliche „Tat“ nur eine Inszenierung. Während jene Generation ohne große Worte baute, ruft die junge Generation heute oft nach großen Worten und vergisst das Bauen.
Errungenschaften der Nachkriegsgeneration
Die Geschichte der Nachkriegszeit ist nicht nur eine Erzählung von Schutt und Hunger, sondern auch ein Lehrstück über Tatkraft und Weitsicht. Wer heute von „Zukunft“ spricht, sollte sich vergegenwärtigen, wie diese Generation Zukunft nicht nur beschwor, sondern Schritt für Schritt erschuf.
Aus Trümmern erhob sich binnen weniger Jahre ein Land, das in den 1950er- und 1960er-Jahren zum Inbegriff des Wiederaufstiegs wurde. „Wirtschaftswunder“ nennt man es heute, fast wie ein märchenhaftes Ereignis, als sei Reichtum vom Himmel gefallen. Doch Wunder waren es nicht – es war Arbeit, Mühsal, Disziplin. Es war die Bereitschaft, Schicht um Schicht, Tag für Tag, Aufbauarbeit zu leisten, während zugleich an der Verbesserung der Lebensumstände gearbeitet wurde.
Es gab keine Abkürzung, kein bequemes „Müsste man mal tun“. Man tat es. Fabriken wurden wieder hochgezogen, Produktionslinien in Gang gesetzt, Straßen gebaut, Bahnlinien repariert. Es war das Prinzip Kästners in Reinkultur: Das Gute existierte nur, weil man es tat.
Demokratie – nicht geschenkt, sondern geschaffen
Auch die politische Ordnung wuchs nicht von allein. Nach der Katastrophe des Nationalsozialismus war Vertrauen in staatliche Strukturen am Boden. Demokratie musste nicht nur verkündet, sondern gelebt werden. Parlamente, Parteien, freie Presse – all das musste aufgebaut, verteidigt und erlernt werden. Millionen Menschen, die zuvor Diktatur kannten, lernten mühsam, Kompromisse zu akzeptieren, Mehrheiten zu respektieren, Opposition auszuhalten.
Das Grundgesetz, 1949 in Kraft gesetzt, war kein Zufallsprodukt, sondern Ergebnis harter Arbeit von Männern und Frauen, die verstanden hatten: Worte allein reichen nicht, man muss Institutionen schaffen, Verfahren etablieren, Verantwortung übernehmen.
Europa – ein Werk des Handelns
Vielleicht die größte Leistung: die Öffnung nach Europa. Wer im Jahr 1945 durch zerstörte Städte ging, konnte kaum glauben, dass Deutsche und Franzosen, Italiener und Belgier je wieder zusammenfinden würden. Doch gerade in dieser Lage ergriffen Politiker und Bürger die Initiative. Sie schufen mit den Römischen Verträgen, der Montanunion, EWG, EG und in den 2000ern die Europäische Union. Eine Struktur, die aus alten Feinden Partner machte.
Auch das war kein automatischer Prozess. Er erforderte Mut, gegen Ressentiments zu handeln, Brücken zu bauen, Verträge zu unterzeichnen, Zollschranken abzubauen. Es erforderte, den alten Reflex „die anderen sind schuld“ hinter sich zu lassen und die Verantwortung für eine gemeinsame Zukunft praktisch anzunehmen.
Fazit der Nachkriegszeit
Die Generation der Eltern und Großeltern schuf in wenigen Jahrzehnten, was wir heute für selbstverständlich halten: Wohlstand, Frieden, Demokratie, Reisefreiheit. Sie tat es nicht, indem sie sich moralisch inszenierte, sondern indem sie anpackte. Sie tat es im Kleinen – mit Maurerkelle, Schreibmaschine, Wahlurne – und im Großen – mit Verträgen, Institutionen, Unternehmen.
Ohne diese Generation gäbe es in Deutschland keine Basis für heutige Diskussionen über Klima, Digitalisierung oder globale Gerechtigkeit. Sie haben uns nicht die perfekte Welt hinterlassen – aber sie haben eine Welt geschaffen, in der Zukunft möglich blieb.
Vom Fundament, auf dem heutiger Radau erst möglich wurde
Es ist eine Ironie der Geschichte: Gerade jene Jugend, die heute am lautesten gegen die Fehler der Alten protestiert, verdankt den Alten ihre Bühne. Denn ohne die Leistungen der Nachkriegsgeneration gäbe es weder die Freiheit noch den Wohlstand, um Radau zu schlagen.
Ihr könnt euch auf Straßen kleben, weil andere zuvor Straßen gebaut haben. Ihr könnt Universitäten besetzen, weil andere das Bildungssystem errichtet haben. Ihr könnt die Demokratie anklagen, weil andere sie mühsam errungen und verteidigt haben. Ihr könnt gegen die Globalisierung protestieren, weil andere mit ihrem Fleiß überhaupt erst die globale Vernetzung möglich gemacht haben.
Kurz: euer Protest ist ein Luxus, den ihr den Taten jener verdankt, die ihr so gern beschimpft. Es waren die „alten weißen Frauen und Männer“ (und nicht zu vergessen: die Frauen, die Trümmer schleppten, Büros führten, Familien zusammenhielten), die euch eine Welt hinterlassen haben, in der Freiheit des Wortes, Reisefreiheit, Wahlrecht, Wohlstand und soziale Sicherheit existieren.
Ein schlichtes „Danke“ wäre also durchaus angebracht. Nicht als blinder Applaus für alles Vergangene, sondern als Anerkennung dafür, dass ihr nur deshalb protestieren könnt, weil andere vor euch gehandelt haben. Wer die Vorgänger-Generationen ausschließlich als Sündenböcke darstellt, vergisst, dass man auf den Schultern jener steht, die etwas geschaffen haben.
Und genau hier zeigt sich die Brisanz von Kästners Satz: Das Gute war nie ein Geschenk, es musste immer erarbeitet werden. Reden allein hat nie eine Gesellschaft getragen – Taten schon.
Greta Thunberg und Felix Finkbeiner –
zwei Gesichter jugendlichen Engagements
Wenn man heutige Jugendbewegungen betrachtet, stechen zwei Figuren heraus, die auf den ersten Blick viel gemeinsam haben: Greta Thunberg und Felix Finkbeiner. Beide traten schon als Jugendliche auf die öffentliche Bühne, beide wollten die Welt verändern, beide appellierten an ihre Generation. Doch der Unterschied könnte kaum größer sein.
Greta Thunberg, die inszenierte Ikone des Klima-Protests, wurde weltbekannt durch ihr Schweigen vor dem schwedischen Parlament und durch ihre schneidenden Worte auf internationalen Bühnen. Sie will, dass Politiker in „Panik“ geraten, sie wirft den Älteren Verrat vor, sie lebt von der Schlagkraft ihrer Anklage. Ihr Kapital ist Empörung. Hat das auch nur ein Gramm CO2 aus der Atmosphäre geholt?
Felix Finkbeiner dagegen begann als Neunjähriger mit einer schlichten Idee: Bäume pflanzen. Statt Anklagen zu formulieren, griff er zur Schaufel. Er gründete „Plant-for-the-Planet“, eine Initiative, die Millionen Bäume in aller Welt gesetzt hat. Sein Kapital ist nicht das Geplärr, sondern Vorbild durch die Tat.
Der Vergleich ist lehrreich. Greta verkörpert die Haltung „man müsste etwas tun“ – sie ruft, klagt, fordert. Finkbeiner verkörpert Kästners Maxime: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Er pflanzt, er organisiert, er hinterlässt Spuren, die wachsen.
Greta Thunberg mag die Schlagzeilen dominieren – zuletzt auch mit antisemitisch wirkenden Parolen und Aktionen, die weit über das Klima hinausgehen und politisch hoch umstritten sind. Doch egal, ob es um Israel oder das Klima geht: Ihr Kapital bleibt die bloße Empörung, nicht die Tat. Felix Finkbeiner dagegen veränderte Landschaften. Greta lebt von Bildern im Netz, Felix von Wurzeln im Boden. Greta empört sich, Felix gestaltet. Er weiß: Ohne Bäume bleibt der Wald eine Metapher, ohne Handeln bleibt der Protest nur Lärm.
Wollt ihr Greta sein – oder Felix?
Hier liegt die Frage, die ihr, die junge Generation, euch stellen müsst: Wollt ihr Greta sein oder Felix? Wollt ihr euch auf Bühnen stellen, Anklagen formulieren, mit dem Pathos der Empörung Schlagzeilen machen – oder wollt ihr im Schatten der Kameras Schaufeln in die Hand nehmen, Projekte organisieren, Ergebnisse schaffen?
Greta Thunberg ist zur Ikone geworden, weil sie Wut verkörpert. Ihre „How dare you?“-Rede ist legendär, ihre Miene zum Symbol des globalen Protests erhoben. Doch was bleibt, wenn der Applaus verklingt, wenn die Schlagzeilen dem nächsten Skandal weichen? Worte zerfallen schnell, sie sind wie Rauch im Wind. – Hat Gretas Wutrede CO2 eingespart?
Felix Finkbeiner dagegen hat nie Weltkonferenzen dominiert, aber er hat Wälder wachsen lassen. Millionen Bäume stehen heute als stille Zeugen seiner Beharrlichkeit. Sie brauchen keine Mikrofone, keine Schlagzeilen. Sie wachsen, sie binden CO₂, sie verändern das Klima real. Das ist kein Symbol, das ist Substanz.
Eure Generation hat die Wahl: Wollt ihr euch inszenieren oder wirken? Wollt ihr Lärm oder Wandel? Wollt ihr in Geschichtsbüchern stehen als die, die schrien, oder als die, die pflanzten?
Natürlich, Protest hat seinen Platz. Er kann aufrütteln, er kann Aufmerksamkeit schaffen. Aber er ist nur der Anfang, nicht das Ziel. Wer beim Protest stehen bleibt, bleibt im Vorhof des Handelns stecken. Er wird dafür allenfalls einen Listenplatz bei den Grünen ergattern. Wer wie Greta nur Anklagen formuliert, ohne selbst zu gestalten, bleibt nur Symbol. Wer wie Felix handelt, schafft Wirklichkeit.
Kästners Satz richtet sich genau hier an euch: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Er zwingt euch, Farbe zu bekennen. Ihr könnt nicht ewig im sicheren Raum der Empörung verharren. Ihr müsst euch entscheiden: Wollt ihr zu jener Generation gehören, die nur die Hände ringt, oder zu jener, die die Hände gebraucht?
Und lasst euch eins sagen: Die Geschichte wird euch nicht an euren Worten messen, sondern an euren Taten.
Jugendbewegungen im Spiegel der Geschichte
Es wäre ein Irrtum zu glauben, dass nur die heutige Jugend lautstark und rebellisch auftrat. Schon frühere Generationen hatten ihre Proteste, ihre Demos, ihre Parolen. Die 68er etwa, jene Bewegung, die als „antiautoritär“ in die Geschichte einging, füllten Hörsäle und Straßen mit revolutionären Losungen. „Unter den Talaren Muff von tausend Jahren“ – das war ein Satz, der traf, der ein ganzes Bildungssystem in Frage stellte.
Doch seien wir ehrlich: Was blieb von dieser Bewegung? Ein Teil der Parolen zerfiel, ein Teil der Ideale verflog, manche Protestführer wandelten sich zu saturierten Professoren oder Politikern, andere wurden Terroristen in der RAF. Aber dort, wo Worte in Institutionen mündeten, wo Reformen tatsächlich erarbeitet, Gesetze verändert, Universitäten demokratisiert wurden – dort blieb Substanz. Der Rest: viel Lärm, wenig Wirkung.
Ähnlich die Friedensbewegung der 1980er. Millionen gingen auf die Straße, forderten Abrüstung, wetterten gegen die Stationierung neuer Raketen. Ihr moralischer Anspruch war hoch, ihre Reden eindringlich. Doch die eigentliche Abrüstung kam nicht durch die Transparente allein, sondern durch politische Entscheidungen, durch Verträge, durch konkrete Verhandlungen. Der Protest war Impuls, aber er wurde erst wirksam, als er in Taten übersetzt wurde. – Wie schnell sich moralistisch vorgetragene Ideale wandeln können, leben uns die aus der Friedensbewegung schaumgeborenen Grünen vor: Gestern plärrten sie noch „Soldaten sind Mörder“, heute liefern sie schweres Kriegsgerät in die Ukraine, um die tapfer gegen den russischen Angriffskrieg kämpfenden Soldaten zu unterstützen. – Auch das eine Lehre: Nicht jedes Ideal erweist sich als ideal.
Auch die Umweltbewegung der 1970er-Jahre ist ein Lehrstück. Sie begann mit lauten Rufen gegen Waldsterben, gegen Atomkraftwerke, gegen chemische Verschmutzung. Doch ohne die mühselige Arbeit in Parteien, Parlamenten, Bürgerinitiativen wären diese Rufe verhallt. Erst das konkrete Handeln – das Erarbeiten von Umweltgesetzen, Ingenieurskunst, FCKW-freie Technik, das Installieren von Filtern – brachte den Wandel.
Was lehrt uns das? Jugendbewegungen leben von Idealismus, Leidenschaft und Hypermoral. Das ist zum Teil auch den Umbauprozessen im jugendlichen Gehirn geschuldet – eine Phase, in der Emotionalität und Radikalität naturgemäß stärker ausgeprägt sind. Doch wenn sie nicht in Handlung übersetzt werden, enden sie allenfalls als Fußnoten. Nur wo aus Parolen Projekte werden, wo aus Empörung Institutionen und technische Lösungen erwachsen, erwächst Wirkung.
Und genau das ist die Botschaft an euch: ihr seid nicht die erste Generation, die laut ist. Aber ihr entscheidet, ob ihr die erste sein wollt, die laut bleibt, ohne eigenen Beitrag, ohne eigenes Handeln.
Eure Aufgabe: Verantwortung, nicht Radau
Liebe junge Generation, ihr habt euch viel vorgenommen. Ihr nennt euch „die letzte Generation“, ihr sprecht von der Rettung des Klimas, ihr fordert radikalen Wandel. Das klingt gewaltig, beinahe heroisch. Doch hinter den großen Worten verbirgt sich eine unbequeme Wahrheit: Große Worte retten gar nichts.
Eure eigentliche Aufgabe ist nicht, immer neue Formen des Krawalls zu erfinden. Straßen zu blockieren, Kunstwerke mit Suppe zu bewerfen, Politiker zu beschimpfen – das alles erzeugt Schlagzeilen, bleibt aber oberflächlicher Aktionismus. Schlagzeilen sind keine Veränderung. Veränderung entsteht dort, wo Verantwortung übernommen wird.
Verantwortung heißt: nicht nur klagen, sondern gestalten. Verantwortung heißt nicht, nur moralische Überlegenheit für sich zu reklamieren und sich ansonsten zurückzuziehen, sondern die Ärmel hochzukrempeln. Verantwortung heißt: im Alltag konsequent handeln, nicht nur im Protest.
Fragt euch ehrlich: Wie viele von euch verzichten tatsächlich auf das Smartphone, auf Playstation, Rock- und Tayler-Swift-Konzerte, deren Produktionen Tonnen von CO₂ verschlingen? Wie viele von euch reisen wirklich konsequent mit dem Zug statt mit dem Flugzeug? Wie viele konsumieren bewusst, sparen Energie, bauen etwas auf, das bleibt?
Es ist allzu billig, die Älteren als „verantwortungslose Klimasünder“ abzustempeln und gleichzeitig sich im eigenen Lebensstil großzügige Ausnahmen zu gewähren. Ihr müsst begreifen: Glaubwürdigkeit wächst nicht aus Parolen, sondern aus Konsequenz.
Und noch etwas: euer „Fridays-for-Future“-Schuleschwänzen ist keine Heldentat, sondern eine Bankrotterklärung. Wer glaubt, die Welt werde durch demonstratives Fehlen im Klassenzimmer besser, täuscht sich. Die Welt verändert man nicht, indem man das Lernen verweigert, sondern indem man lernt, forscht, erfindet. Wollt ihr wirklich etwas bewegen? Dann geht in die Schule, studiert, werdet Ingenieure, Naturwissenschaftler, Erfinder, Techniker. Entwickelt neue Energien, neue Materialien, neue Lösungen. Damit gestaltet ihr Zukunft – nicht durch ein freitägliches Ritual.
Maulhelden gab es in jeder Epoche genug. Gefragt sind Köpfe und Hände, die Probleme wirklich lösen. Kästners Satz zwingt euch, genau das zu tun: das Gute nicht nur fordern, sondern hervorbringen.
Junge Menschen, die wirklich handeln
Es wäre unfair, die gesamte junge Generation auf die Lautsprecher und Maulhelden zu reduzieren. Es gibt sie – die anderen, die stilleren, die nicht auf Titelseiten landen, weil sie keine Straßen blockieren, sondern weil sie Dinge aufbauen. Junge Menschen, die verstanden haben, dass die Welt nicht durch Parolen, sondern durch Projekte besser wird.
Felix Finkbeiner wurde als leuchtendes Beispiel bereits genannt. Er beließ es nicht bei seiner – sehr guten und konstruktiven – Rede vor den Vereinten Nationen. Da sind auch die Studenten, die in Forschungslabors an neuen Batterietechnologien arbeiten, um Elektromobilität praktikabler zu machen. Keine Kamera begleitet deren langen Arbeitstage zwischen Versuchsaufbau, Fehlversuch und Erfolg. Doch ihre Ergebnisse werden eines Tages darüber entscheiden, ob nachhaltige Mobilität wirklich Realität wird.
Da sind die jungen Gründer, die mit Start-ups Kreislaufwirtschaft praktisch gestalten: Kleidung aus Recyclingfasern, Verpackungen aus Algen, Software für Energieeffizienz. Sie reden nicht von Transformation – sie bauen sie. Schritt für Schritt, oft mit geringen Mitteln, aber mit unerschütterlicher Beharrlichkeit.
Da sind die jungen Landwirte, die alte, ausgelaugte Böden regenerieren, Permakultur einführen, regionale Versorgung neu denken. Sie wissen, dass ein gesunder Boden viel CO₂ bindet. Tausend Plakate auf einer Demo hingegen kein einziges Gramm.
Da sind Schüler und Schülerinnen, die sich in Programmierclubs oder Robotik-Teams zusammentun, weil sie verstanden haben: Die Lösungen von morgen entstehen nicht durch Plärren auf der Straße, sondern in Werkstätten, Rechenzentren, Laboren.
Und da sind Ehrenamtliche, die nachmittags nicht in amerikanischen Coffee-to-go-Lokalen sitzen, den Blick aufs Smartphone gebannt, sondern zur Freiwilligen Feuerwehr oder ins Technische Hilfswerk, zum Roten Kreuz gehen oder freiwillig Müll aus der Natur entfernen. Sie wissen, dass Verantwortung nicht bedeutet, nur zu klagen, sondern im Ernstfall den Schlauch zu halten oder Sandsäcke zu schleppen.
All diese Beispiele zeigen: Die Jugend hat sehr wohl die Kraft zum Handeln. Aber diese Kraft entfaltet sich nicht in der Pose, sondern in der Tat. Und genau diese wirksam aktiven jungen Menschen verdienen Vorbilderstatus, nicht die Schreihälse, die sich im Glanz der Empörung sonnen.
Epilog: Die Wahl liegt bei euch
„Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Kästners Satz ist keine Kalenderweisheit, die man nebenbei zitiert, sondern ein Prüfstein. Er legt offen, was Substanz hat und was nicht. Er unterscheidet zwischen Rede und Tat, zwischen Pose und Verantwortung.
Die Generationen vor euch haben Fehler gemacht – zweifellos. Aber sie haben auch gehandelt. Sie haben Straßen gebaut, Systeme errichtet, Demokratie verteidigt, Europa zusammengeführt. Sie haben die Flüsse wieder sauber gemacht, die Stadtluft vom Smog befreit, die Böden regeneriert. Auf diesem Fundament steht ihr heute. Ohne ihre Mühen gäbe es keine Schulen, in denen ihr demonstrativ fehlt, keine Universitäten, in denen ihr Dozenten anklagt, keine Parlamente, die ihr kritisiert. Alles, was ihr habt, verdankt ihr zuerst dem Handeln jener, die vor euch waren. – Und denkt daran: auch ihr werdet Fehler machen, auch ihr werdet Nachkommen haben, die Fragen an euch stellen, wie: „Was genau habt ihr für unseren Planeten getan, außer zu Lärm und heiße Luft zu produzieren?“
Nun liegt der Ball bei euch. Ihr könnt euch entscheiden: Wollt ihr die Generation der großen Worte sein – oder die Generation der großen Taten? Wollt ihr in Geschichtsbüchern erscheinen als jene, die plärrten und klagten oder als jene, die bauten und schufen? Wollt ihr Greta sein – oder Felix?
Vergesst nicht: Geschichte kennt keinen Applaus für tatenlose Ankläger in bequemer Work-Life-Balance. Geschichte erinnert sich an die, die etwas bewirkten. Nicht die Lautesten, sondern die Wirkenden verändern die Welt.
Ihr habt heute mehr Wissen zur Verfügung als jede Generation vor euch, mehr Möglichkeiten, mehr Freiheiten. Wenn ihr diese nutzt, könnt ihr Bahnbrechendes leisten: neue Energien entwickeln, globale Gerechtigkeit schaffen, Ressourcen klüger einsetzen. Aber wenn ihr euch im Protest erschöpft, werdet ihr die erste Generation sein, die trotz all ihrer Möglichkeiten scheitert – nicht, weil sie zu wenig wusste, sondern weil sie zu wenig tat.
Darum nehmt Kästners Satz ernst: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Er ist keine Floskel, er ist euer Auftrag. Nicht für morgen, nicht für irgendwann – sondern für heute. Die Frage an euch lautet also: Wollt ihr euch in die Reihe der Maulhelden stellen, oder wollt ihr Teil jener werden, die Zukunft wirklich bauen?
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