Autor: Kurt O. Wörl
In Schwabach reicht schon eine Abfallsatzung, um den Stadtrat ins Chaos zu stürzen. Weil die CSU das Wort „Grundstückseigentümer“ wieder ohne Doppelungen haben wollte, verließen SPD und Grüne empört den Saal – Demokratie zum Davonlaufen. Heraus kam eine Provinz-Posse, in der mehr Drama gespielt wurde, als die Satzung Text hatte. Eine Satire über Sprachmüll, Saalflucht und ein fragwürdiges Verständnis von Demokratie.
Es gibt Städte, die machen Schlagzeilen mit großen Ereignissen: eine Messe, ein Festival, ein Rathausbrand. In München ist’s der Bierpreis auf dem Oktoberfest, in Nürnberg ein verregnetes Bardentreffen und in Fürth genügt der Abstieg des „Kleeblatts“, um die Emotionen zum Überkochen zu bringen. In Schwabach dagegen reicht eine Abfallsatzung.
Genauer gesagt: ein CSU-Fraktionsvorsitzender, der den Mut aufbringt zu sagen, dass man „Grundstückseigentümerinnen und -eigentümer“ vielleicht doch wieder einfach „Grundstückseigentümer“ nennen könne. Kein Genderstern, kein Doppelpunkt – nur eine schlichte Rückkehr zur Regelsprache. Ein Vorschlag, der anderswo als pragmatische Petitesse durchgewunken würde, löste im Schwabacher Stadtrat ein Drama aus, das man eher auf der Bühne des Schauspielhauses erwarten würde: empörte Zwischenrufe, kollektiver Abgang zweier Fraktionen, und ein Oberbürgermeister, der plötzlich durchzählt wie ein Lehrer in der dritten Klasse.
Politische Saalflucht
Was also geschah? Zwei Fraktionen – SPD und Grüne – verließen geschlossen den Saal. Nicht wegen Korruption, nicht wegen Millionengräbern im Haushalt, nicht wegen Bauprojekten, die die Stadt an den Rand des Bankrotts treiben. Nein, sie zogen aus, weil das Wort „Grundstückseigentümer“ plötzlich wieder in seiner klassischen Form in einer Abfallsatzung stehen sollte.
Man stelle sich das vor: Zwei Parteien, die sonst keine Angst davor haben, über Klimakollaps, Weltfrieden oder Asylpolitik zu debattieren, warfen das Handtuch – über eine juristische Fußnote im Stadtrecht, die kaum ein Bürger je zu Gesicht bekommt. Wenn man im Bürgerhaus ein Drama sucht, findet man es offenbar nicht bei Haushaltszahlen oder Verkehrsplanung, sondern beim Komma hinter „Grundstückseigentümer“.
Die Flucht wirkte weniger wie ein politisches Statement, sondern eher wie eine überhitzte Szene im Laientheater: Man stampft empört hinaus, damit es wenigstens im Protokoll nach Haltung aussieht. Draußen vor dem Saal aber interessierte sich niemand dafür – weder die Müllabfuhr noch die Bürger, die nur wissen wollen, ob ihre Tonne pünktlich geleert wird.
In Wahrheit zeigte sich an diesem Abend ein altes Muster: Sprache als Ersatzschlachtfeld. Wo man in Sachfragen oft keine großen Differenzen findet, wird das Vokabular zur Schicksalsfrage erklärt.
Abfalltrennung und Sprachmüll
Abfalltrennung ist in Schwabach längst Alltag: Bio in die braune Tonne, Plastik in den gelben Sack, Papier ins Grüne, Glas in den Container, den Rest in die Schwarze. Nur für den sprachlichen Sondermüll fehlt bislang ein Behälter. Genau diesen versuchte die CSU in der Ratssitzung kurzerhand einzuführen: Weg mit den überflüssigen Doppelungen, zurück zur klaren, schlanken Sprache.
Doch statt Erleichterung erzeugte das einen Aufstand. „Unsäglich!“, riefen die Aufgebrachten, als ginge es um eine Attacke auf die Menschenrechte. Dabei hatte niemand ein Sternchen aus dem Satz getilgt – es gab ja keines. Kein Doppelpunkt, kein Unterstrich. Lediglich die Anhäufung von „Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern“ sollte gestrichen werden.
Das Kuriose: Jeder weiß, dass im Deutschen generische Geschlechter alles umfasst, Dinge genauso wie Tiere und auch Menschen – selbstverständlich auch die Grundstückseigentümerinnen. Das ist seit Jahrhunderten so und wurde weder von Goethe noch von Thomas Mann oder Ingeborg Bachmann je beanstandet. Niemand liest in einer Stellenausschreibung für „Lehrer“ nur Männer heraus – außer vielleicht jene, die beruflich an Sprachleitfäden schreiben. Wer hier zum Widerspruch neigt, den fordere ich auf zu erklären, wie man „die Fachkraft“ so gendert, dass auch „sprachsensible“ Männer sich angesprochen fühlen. Etwa „Fachkraftende“?
Nur am Rande: Weil die Dauermarkierung des biologischen Geschlechts maximal sexistisch ist, geht die Gleichstellung von Mann und Frau in den englischsprachigen Ländern, den entgegengesetzten, weil richtigen Weg: Dort würde es heute niemand mehr wagen, eine Schauspielerin noch als „actress“ zu bezeichnen – sie würde den Reporter mit einem eisigen „No! I’m an actor!“ in die Moderne fauchen. Wenn „gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit“ richtig ist – und das ist sie –, dann kann gleiche Berufsbezeichnung für die gleiche Tätigkeit nicht falsch sein. Alle Berufe sind Unisexberufe.
In England und anderen anglophonen Weltgegenden hat man das begriffen. In Deutschland müssen SPD und Grüne noch lernen, was „Gleichbehandlung“ wirklich bedeutet – im Mindesten bedeutet es jedenfalls nicht Andersbehandlung. Es mag sie grämen, dass Frauen und Männer beide Menschen sind und der Singular auch noch „der Mensch“ lautet. Vielleicht sollten sie mal in Großbritannien oder USA einen Bildungsurlaub einlegen und sich erklären lassen, warum dort auch Schauspielerinnen nur Schauspieler sein wollen und man deutsche Genderkämpfer schlicht für unverbesserliche Sexisten hält.
Demokratie heißt, Mehrheiten akzeptieren
Muss man noch extra darauf hinweisen, dass die überwältigende Mehrheit der Sprachnutzer, Frauen genauso wie Männer und sogar Diverse, diesen sexistischen Genderunfug ablehnen? Und ja, in Demokratien sagen noch immer die Mehrheiten, wo es lang geht, nicht Minderheiten und schon gar nicht ideologiegetriebene Spalter.
Denn in bisher allen Erhebungen dazu: rund 80% – wie gesagt, Frauen wie Männer gleichermaßen – sind es, die diese Sprachverhunzung nicht wollen, rund 15% ist es egal oder haben keine Meinung dazu und nur lausige 5% Übergeschnappte, vorwiegend aus dem links-grünen, akademisch-urbanen Umfeld, wollen es gegen alle Widerstände durchsetzen.
Warum? Nun, der Genderunfug ist nichts anderes als Teil des Dauerversuches, die vom linken Spektrum so verhasste bürgerliche Gesellschaft zu dekonstruieren und zu zersetzen. Es ist der permanente Versuch, der Mehrheit den Minderheitswillen zu oktroyieren, ob Veggi-Day oder Gendern. Das wird ohnehin nicht gelingen, sorgt aber auf allen Ebenen für Dauerzoff und vor allem sorgt es für Zulauf bei den Rechtspopulisten (AfD und Konsorten).
Wie in Schwabach: hier wurde der berechtigte Einwand der CSU plötzlich zur Provokation hochgestuft, als hätte die CSU gefordert, Plastikflaschen künftig in den Restmüll zu werfen.
Logikfrage
Wenn ich die Genderbefürworter ernstnehme und mich für einen Moment auf deren Argumentation einlasse, nämlich dass generische Geschlechter eben doch wie biologische Geschlechter zu betrachten sind, kann ich dann davon ausgehen, dass „die Prostata“ ein weibliches und „der Uterus“ ein männliches Organ ist? – Wurde ich falsch aufgeklärt und sollte ich als Mann künftig statt eines Urologen einen Gynäkologen aufsuchen? Eine reine Frage der Logik.
Posse im Kleinformat
Was dann folgte, war Kommunalpolitik als Posse. Oberbürgermeister Reiß, auch SPD, saß als letzter Sozi am Pult und zählte durch, ob der Rat nach dem Abgang überhaupt noch beschlussfähig sei. Er bat um Ruhe und Anstand für den Zählakt. Ein Stadtoberhaupt, reduziert auf die Rolle eines Grundschullehrers.
Aus den Reihen der CSU kam dazu die ironische Bemerkung: „Der Anstand ist schon aus dem Raum gegangen.“ Ein Satz, der es verdient, ins städtische Zitatenschatzkästchen aufgenommen zu werden.
Über Tonnen kann man streiten, über Gebühren auch. Aber dass zwei Fraktionen den Saal räumen, nur weil ein Wort statt zwei genügt hätte – das wirkt wie ein Provinzstück, in dem die Dramatik mit dem Textumfang der Satzung umgekehrt proportional wächst.
Am Ende blieb eine knappe Mehrheit, die beschloss, die Abfallsatzung von sprachlichem Ballast zu befreien. Die Tonnen werden also weiterhin pünktlich geleert – und die Bürgerinnen und Bürger, pardon: die Bürger, dürfen sicher sein, dass ihre Müllentsorgung auch ohne Doppelformen funktioniert.
Und so endete eine Stadtratssitzung, die sich anhörte wie eine Groteske, aber tatsächlich stattfand. Zwei Fraktionen stürmten hinaus, weil das Wort „Grundstückseigentümer“ nicht doppelt genannt werden sollte. Während draußen die Müllabfuhr arbeitet und niemand fragt, ob der Fahrer heute ein Mann oder eine Frau ist, erklärte man drinnen die Sprachregelung zur Frage von Anstand und Würde.
Merkwürdiges Demokratieverständnis
Demokratie bedeutet, Mehrheiten zu akzeptieren, auch wenn sie wehtun. Wer jedoch aus dem Saal marschiert, sobald die eigenen Vorstellungen nicht durchgehen, stellt die eigene Meinung über die Spielregeln der Volksvertretung. Im Kern heißt das: „Wir sind die Demokratie – ihr anderen nur Staffage.“ Ein Verständnis, das gefährlicher ist als jede geschlechtsneutrale Doppelform.
Was hier zum Vorschein kam, ist ein Demokratieverständnis auf KITA-Niveau: „Wenn ihr nicht so wollt wie wir, dann spielen wir eben nicht mehr mit!“ SPD und Grüne erhoben ihren eigenen Willen kurzerhand zur obersten Wirkmacht – über Mehrheiten, Geschäftsordnung und Anstand hinweg. Das ist kein demokratischer Diskurs, das ist beleidigtes Schmollen in doppelter Fraktionsstärke.
Es bleibt die Pointe: Wer Sprache zur Abfallfrage macht, darf sich nicht wundern, wenn er selbst im Sondermüll der Geschichte landet.
Aktuelle Umfrageergebnisse: einstige Volkspartei SPD 13%, Grüne 11%. Noch Fragen?