Warum werden US-Soldaten „GIs“ genannt?

Etymologie - Vom Blecheimer zum Soldatenmythos
Lesedauer ca. 2 Minuten

Autor: Kurt O. Wörl

Vom Blecheimer zum Symbol des Heldentums: Wie aus dem technischen Kürzel „GI“ für verzinktes Eisen die bekannteste Soldatenbezeichnung der US-Geschichte wurde – zwischen Selbst­iro­nie, Propaganda und Popkultur.

Wenn man heute von „GIs“ spricht, denkt man an junge Männer in Uniform, an staubige Militärstraßen, an Helme, Feldrationen und heroisch inszenierte Propaganda. Der Begriff „GI“ ist weltweit zum Synonym für den amerikanischen Soldaten geworden – doch die Herkunft von „GI“ ist kaum bekannt und zunächst alles andere als heldenhaft. Sie beginnt dort, wo man es am wenigsten vermuten würde: auf der Seitenwand eines verzinkten Blecheimers.

Ursprünglich stand die Abkürzung „GI“ für „galvanized iron“ – also verzinktes Eisen. Die US-Armee des frühen 20. Jahrhunderts versah ihre Ausrüstungsgegenstände, vom Putzeimer bis zum Mülleimer, mit dieser technisch-bürokratischen Markierung. Was zunächst nichts weiter als eine Materialangabe war, fand sich bald auf beinahe allem wieder, was nicht bei drei im Schützengraben war. Die Soldaten, deren Welt ohnehin von Uniformität, Standards und Stempelaufdrucken geprägt war, begannen, dieses Kürzel in ihre Alltagssprache zu übernehmen – erst für Gegenstände, dann für sich selbst.

Im Ersten Weltkrieg wandelte sich „GI“ zu einer ironischen Selbstbezeichnung. Die Soldaten, vollständig ausgestattet und standardisiert von der Regierung, bezeichneten sich selbst als „Government Issue“ – als Ausgabe der Regierung. Es war ein Ausdruck jener galligen Selbstironie, mit der Soldaten aller Zeiten dem Unausweichlichen begegnet sind: dem Verlust individueller Bedeutung im Apparat. So wurde aus dem verzinkten Eimer eine Metapher für den Soldaten selbst – belastbar, zweckmäßig, jederzeit austauschbar.

Der endgültige Durchbruch kam mit dem Zweiten Weltkrieg. „GI“ wurde nun zur offiziellen wie populären Bezeichnung für den amerikanischen Infanteristen schlechthin – gleichsam eine Chiffre für den kleinen Mann im großen Krieg. In Zeitungen, Wochenschauen und Propagandafilmen wurde der „GI“ zum Gesicht des Krieges: ein junger, namenloser Mann mit Helm und Hoffnung, der in der Fremde kämpfte. Die Armeepostille Stars and Stripes schrieb ebenso vom „GI“ wie TIME Magazine oder die Reden der Generäle. Der „GI“ war der unscheinbare Held, der den Atlantik überquerte, um Europa von der Diktatur zu befreien.

Nach dem Krieg wurde diese Figur zur kulturellen Ikone. 1964 brachte die Spielzeugfirma Hasbro den „G.I. Joe“ auf den Markt – eine bewegliche Actionfigur, die sich bald in die Wohnzimmer und Fantasiewelten amerikanischer Kinder einschlich. Aus dem Soldaten war ein Mythos geworden, aus dem Mythos ein Marketingprodukt. Der „GI“ war nun nicht mehr nur ein Kämpfer, sondern ein Symbol für Männlichkeit, Tapferkeit und nationale Identität. Und werbetechnisch ein Volltreffer.

Natürlich blieb dieser Held nicht unkommentiert. Gerade unter Veteranen des Vietnamkriegs machte sich bitterer Spott über die vermeintliche Heroisierung breit. Sarkastische Neudeutungen wie „Guaranteed Idiot“ oder „Government Indigent“ kursierten in den Baracken – Zeichen eines tief sitzenden Zynismus angesichts einer Kriegsrealität, die mit dem Bild des „G.I. Joe“ wenig zu tun hatte.

Trotzdem hat der Begriff überlebt – als sprachliches Fossil mit überraschend robuster Symbolkraft. Heute spricht niemand mehr vom verzinkten Eisen, wenn er „GI“ hört. Der Begriff für US-Soldaten hat sich vollständig emanzipiert – von der technischen Notiz zur kulturellen Signatur. Und so erzählt er nicht nur die Geschichte eines Begriffs, sondern auch die Wandlungsfähigkeit von Sprache: Wie aus einem Stempel auf einem Eimer ein Mythos des 20. Jahrhunderts werden konnte.

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