Wer trägt die Gesellschaft – und wer zerrt an ihr?

Warum die Welt nicht durch Empörung besser wird – aber durch Verantwortung
Lesedauer ca. 10 Minuten

Autor: Kurt O. Wörl

Der eine zieht morgens die Gummistiefel an und bringt das Vereinsheim auf Vordermann. Der andere tippt empört in sein Smartphone, dass „das System wieder versagt“ habe. Der eine lebt mit der Welt, wie sie ist – und tut, was er kann. Der andere lebt gegen sie – im Namen eines Besseren, das selten ein Gesicht hat. Und was ist eigentlich moralisch? Ist es das fordernde Streben nach einer besseren Welt – oder das stille Gestalten des Alltags in der Gemeinschaft, in der Freiwilligen Feuerwehr, als Pflegkraft, als helfender Nachbar?

Dieser Essay schaut hinter die Fassaden, fragt nach psychologischen Mustern, nach Scheitern und Gelingen, nach dem langen Atem des Bürgerlichen und der lodernden Ungeduld des Progressiven. Und er kommt zu einer unbequemen Einsicht: Wer nur gut sein will, verfehlt oft das Gute. – Das Gute will nicht von anderen gefordert, sondern eigenhändig getan werden.

Mythus Fortschritt – das Narrativ des Guten

Es gehört zu den großen Illusionen der Gegenwart, dass die moralisch Bewegten automatisch die Guten seien – und dass jene, die das Gute bewahren wollen, bisweilen stillhalten oder zögern, mindestens rückständig, wenn nicht gar gefährlich wären. Diese Erzählung hat sich wie ein Sediment in die politische Kultur des Westens gelegt, gespeist vom Pathos des Fortschritts, der Gerechtigkeit, des Wandels. Doch wenn man den moralischen Nebel lichtet und sich mit psychologischer Klarheit der Frage nähert, wie sich linke und bürgerliche Menschen in ihrem Denken, Fühlen und Handeln unterscheiden, dann ergibt sich ein Bild, das dem medial gepflegten Mythos diametral widerspricht. Die laut Selbstverortung „Guten“ sind nicht zwingend die gut Wirkenden und nicht selten gleicht ihre gesellschaftliche Rolle eher der eines aufgebrachten Betriebsrats als der eines stabilisierenden Machers.

Psychologisch betrachtet verhalten sich bürgerliche und progressive Menschen wie zwei unterschiedliche Persönlichkeitsstrukturen, wie zwei verschiedene Temperamente im Umgang mit Welt, Risiko, Gemeinschaft und Verantwortung. Während der Bürgerliche aus Erfahrung lebt, aus dem Boden gewachsener Ordnung, aus erprobter Praxis, lebt der Progressive oft im Wunsch-Horizont des Möglichen – des noch nicht Gewesenen, des Herbeigesehnten, des Erwünschten. Diese Spannung kann fruchtbar sein, wenn sie sich ergänzt. Sie wird zerstörerisch, wenn die Gegenpole einander delegitimieren.

Das Menschenbild: Utopie oder Realitätssinn?

Beginnen wir mit dem Menschenbild. Der Bürgerliche geht davon aus, dass der Mensch nicht von Natur aus gut ist, sonst bräuchte keine Gesellschaft ein Strafgesetzbuch, sondern einer gewissen Regeltreue, Einhegung und Wertebindung bedarf, um in einer Gemeinschaft dauerhaft friedlich und konstruktiv zu leben. Das Leben ist kein Wunschkonzert, sondern ein Feld der Bewährung. Wer scheitert, muss mit Unterstützung rechnen können, aber auch mit der Forderung nach Eigenverantwortung. Der Progressive hingegen neigt dazu, das Subjekt als grundsätzlich gut zu denken – verformt nur durch Strukturen, diskriminiert durch Systeme, blockiert durch Machtverhältnisse. In seinem Blick liegt immer nur das Versprechen: Der Mensch wäre besser, wenn man ihn nur ließe. Der Bürgerliche sagt: Der Mensch ist wie er ist – man muss mit ihm umgehen. Der Progressive sagt: Der Mensch wäre besser – man muss ihn verändern, zum Guten zwingen. Das hat im kommunistischen Machtbereich schon mal nicht geklappt, er ging an der Realität jämmerlich zugrunde.

Ordnung, Sicherheit und die Angst vor Grenzen

Diese unterschiedliche Anthropologie hat Konsequenzen: Für den Bürgerlichen ist Ordnung kein Zwang, sondern Sicherheit. Für den Linken ist Ordnung meist Einschränkung, gar Unterdrückung. Der Bürgerliche zieht sein Vertrauen aus Bestehendem – der Linke aus  bloßem Versprechen des Kommenden. Entsprechend fällt auch ihre Welterfahrung aus: Während der Bürgerliche Stabilität, Kontinuität und Pflichterfüllung als sinnvoll und segensreich erlebt, ringt der Progressive permanent mit der Unzulänglichkeit der Welt, mit ihrer Ungleichheit, ihrer Imperfektion, ihrer vermeintlich mangelnden Humanität.

Hieraus ergibt sich auch die erste große psychologische Differenz: Bürgerliche Menschen sind – empirisch vielfach belegt – im Schnitt zufriedener. Studien zeigen, dass sie seltener an Depressionen leiden, stabilere familiäre Bindungen haben und häufiger in ehrenamtlichen oder sozialen Tätigkeiten engagiert sind. Sie sehen sich nicht als Opfer widriger Verhältnisse, sondern als Mitgestalter einer Ordnung, die es zu bewahren gilt. Linke hingegen sind überdurchschnittlich oft von Unzufriedenheit durchdrungen, erleben sich selbst als „nicht genug“ – weil die Welt, in der sie leben, nie genug sein kann. Der Widerspruch zwischen Sein und Sollen ist ihr ständiger Begleiter.

Warum Bürgerliche stabiler durchs Leben gehen

Diese Haltung ist nicht per se verwerflich. Im Gegenteil: Der moralische Unfriede hat auch Gutes hervorgebracht – Bürgerrechte, Arbeitsstandards, demokratische Mitbestimmung. Doch auf Dauer führt diese Haltung zu einer paradoxen Selbstüberforderung: Wer ständig nach dem „Anderen“ strebt, wer die Gesellschaft, das Klima, das Geschlecht, die Sprache und die Institutionen alle gleichzeitig „transformieren“ will, lebt im Dauerzustand des Unvollendeten. Für ihn ist Normalität eine Zumutung, Tradition ein Rückschritt und Andersdenkende zu überwindendes Hindernis. Nicht selten schlägt dieses Streben nach dem vermeintlich Guten um in Zorn auf die Wirklichkeit, etwa, weil andere unter dem Guten etwas ganz anderes verstehen. – Und aus dieser Dissonanz erwächst der moralische Furor, der heute so viele öffentliche Debatten dominiert.

Bürgerliche hingegen erleben kein solches Grunddefizit. Sie glauben nicht an das Paradies auf Erden, sondern an die Notwendigkeit, das Bestehende ordentlich, friedlich und gerecht zu verwalten und zu erhalten. Sie streben nicht nach Revolution, sondern nach Bewahrung und Verlässlichkeit. Nicht weil sie bequem wären, sondern weil sie wissen, was man verlieren kann, wenn man nur auf das hofft, was man in Fiktionen nur vielleicht gewinnen könnte. Das macht sie nicht mutlos, sondern maßvoll. Psychologisch gesehen ist diese Haltung Ausdruck eines gereiften Selbst: Man hat sich arrangiert mit der Unvollkommenheit der Welt widerstrebender Interessen – nicht aus Zynismus, sondern aus Realismus.

Dieses Selbstbild beeinflusst auch das Verhältnis zum Glück. Für den Progressiven ist Glück ein Projekt – machbar, erzwingbar, planbar. Der Bürgerliche hingegen meidet vor allem das, was unglücklich macht. Er versucht nicht, den Himmel auf Erden zu errichten, sondern das Leben so zu gestalten, dass es tragbar, friedlich und sinnerfüllt bleibt. Nicht ewiges Glück ist das Ziel, sondern lebensbejahende Zufriedenheit. Und diese Zufriedenheit ist – psychologisch gut belegt – deutlich stabiler als das flüchtige Glücksgefühl nach Konsum, Anerkennung oder moralischem Beifall. Man könnte sagen: Der Progressive addiert Ideale – der Bürgerliche subtrahiert Illusionen. Und Letzterem gelingt oft der ruhigere, lebensdienlichere Weg.

Wenn Empörung zur Selbsterschöpfung führt

Bürgerliche Menschen erfahren ihr Leben als grundsätzlich tragfähig, sinnstiftend und von einer gewissen Ordnung getragen. Sie erleben familiäre Bindungen nicht als Zwang, sondern als Halt; ihre Berufe nicht als Selbstverwirklichungstribüne, sondern als notwendigen Beitrag zur Gesellschaft. Aus dieser Haltung erwächst eine Art bodenständiger Lebenszufriedenheit, die nicht auf euphorische Hochgefühle abzielt, sondern auf Verlässlichkeit, Kontinuität und sinnvolles Handeln. Diese Menschen müssen sich nicht ständig neu erfinden, nicht ihre Identität permanent hinterfragen, nicht jeden Tag das System dekonstruieren, um sich zu spüren. Sie haben gelernt, mit dem zu leben was erreichbar ist und dies durch eigenes Tun und nicht durch lärmende Forderungen an andere zu mehren – und darin liegt eine weit unterschätzte Stärke.

Subtraktion statt Addition

Auf der anderen Seite steht jene linke Dauerklage über das Unzulängliche, über Diskriminierung, über die gesellschaftlichen „Verhältnisse“. Sie erzeugt auf lange Sicht ein psychologisch riskantes Lebensgefühl: eine ständige Unruhe im Ich, eine emotionale Heimatlosigkeit, ein chronisches Gefühl, dass das Leben „so nicht reicht – ungerecht und unfair ist“. Wer sich ständig als Opfer von Strukturen erleben will, entwickelt eine chronische Ohnmachtshaltung – und oft auch eine unüberwindbare Abwehr gegen die Übernahme persönlicher Verantwortung, vor allem für das eigene Ich. Die Folge: Viele dieser Menschen geraten im späteren Leben in eine existenzielle Leere. Ihre Dauerklagen verhallen, ihre Ideale verwehen, ihre Biografien wirken am Ende ungelebt, ihr Lebensweg brüchig.

Nicht selten enden solche Biografien in einer verzweifelten Suche nach Sinn – sei es im Aktivismus, in immer radikaleren Ideologien oder auch in Süchten. Es ist kein Zufall, dass man unter gescheiterten linken Existenzen überdurchschnittlich viele antriebslose, von Drogen oder Depression gezeichnete Persönlichkeiten findet. Nicht weil linke Menschen grundsätzlich schwächer wären, sondern weil ihr psychisches System oft auf chronischer Dissonanz basiert: Sie wollen eine bessere Welt nch ihren Vorstellungen, erleben aber, dass ihre Mittel ihren Ansprüchen nicht gerecht werden können, dass die Mehrheit ganz anderes will. Diese Spannung ist auf Dauer zermürbend – besonders dann, wenn sie nicht durch praktisches eigenes Wirken, sondern durch bloßes, kämpferisches Fordern kompensiert wird. – Dauerfrust vorprogrammiert.

Was die Bürgerlichen anders (und besser) machen

Bürgerliche hingegen geben sich keinen Illusionen hin, meinen nicht, die Welt müsse erlöst werden. Sie leben nicht in der Idee des Besseren, sondern im Machbaren, Nutzbringenden. Sie wissen um die nicht perfekte Struktur des Lebens, dass das Gute und Böse (Schlechte) ohnehin nur im Auge des Betrachters liegt – und genau diese Demut schützt sie davor, seelisch am Scheitern zu zerbrechen. Wer weiß, dass das Leben hart sein kann, hat bessere Chancen, darauf vorbereitet zu sein und daran nicht zu verzweifeln. Wer dagegen glaubt, es müsse stets erdachten Idealen gerecht werden, der wird an der Realität verzweifeln, an ihr scheitern.

Die stoische Grundhaltung führt bei bürgerlichen Menschen eher zu Gelassenheit, Zuversicht und lebenspraktischem Optimismus. Nicht weil sie naiv wären, sondern weil sie ein stabiles Fundament aus Erfahrung, Wertebindung und Eigenverantwortung mitbringen. Sie streben nicht nach dem Glück, sie vermeiden vielmehr, was sie unglücklich macht. Und das – so paradox es klingt – ist der verlässlichere Weg zur Zufriedenheit.

Zwei junge Klimaaktivisten zwei Qualitäten

Diese Differenz wird besonders greifbar am Beispiel zweier junger Klimaaktivisten: Greta Thunberg und Felix Finkbeiner. Beide traten schon in jungen Jahren  mit dem Anliegen an die Welt, den Klimawandel zu bekämpfen. Doch wie grundverschieden ist ihre Herangehensweise – und wie symptomatisch für den Unterschied zwischen progressiver Anspruchshaltung und vernunftgelenkter, bürgerlicher Wirkung.

Felix Finkbeiner hielt im Alter von 13 Jahren eine beeindruckende Rede vor den Vereinten Nationen – in makellosem Englisch. Doch er beließ es nicht bei Appellen, beschimpfte nicht das Auditorium. Er initiierte vielmehr eine weltweite Bewegung mit dem einfachen, aber konkreten Ziel: eine Billion Bäume zu pflanzen! Die von ihm initiierte Organisation „Plant-for-the-Planet“ tat genau das – und bereits nach wenigen Jahren waren über eine Million Bäume gepflanzt – inzwischen sind es über 30 Millionen. Finkbeiner demonstrierte nicht, plärrte nicht, schwänzte nicht die Schule, klebte sich nicht mit Sekundenkleber auf den Asphalt – er wirkte einfach durch Vorbild. Er moralisierte nicht, er organisierte. Und genau diese Form pragmatischer Wirksamkeit ist es, die mehr Zufriedenheit stiftet – für andere und für sich selbst. – Mehr jedenfalls, als bloßes Fordern von anderen, etwas zu tun, mehr als sich strafbewehrt mit Händen auf dem Asphalt festzukleben. – Im Selbsttun haben Progressive gewaltige Defizite.

Greta Thunberg hingegen wurde zur Ikone eines globalen, linken Empörungspathos. Ihre Reden auf Weltklimakonferenzen waren geprägt von Zorn, Anklage, Schuldzuweisung. „How dare you!“, rief sie den Politikern zu. „Ich will, dass ihr in Panik geratet.“ Sie will Menschen nicht mitnehmen, sie will ihnen mit Anlauf in den Hintern treten. Hingegen ihr eigener Beitrag zum Klimaschutz: mehr als bescheiden. Und obwohl sie Flugreisen verteufelt, reist sie mit erheblichem CO₂-Fußabdruck von einer Konferenz zur nächsten. Was davon bleibt, ist billige Symbolik – und zuletzt auch noch ein erbärmliches Abrutschen in linksradikale und antisemitische Abgründe. Der Wunsch, gut zu sein schlug um in ein scheinmoralistisches Selbstbild, das den eigenen Ansprüchen nicht ansatzweise entspricht und von Kritik nicht mehr erreicht werden kann. Der Idealismus kippte in Hybris – und zurück blieb ein erschöpftes, verbittertes Ich, das sich selbst so verbrannt hat, dass es niemand mehr ernst nimmt. Greta Thunberg ist gescheitert.

Gesellschaftlicher Betriebsrat oder Macher mit Weitblick?

In dieser Gegenüberstellung zeigt sich der psychologische Unterschied: Der eine verändert die Welt tatkräftig und wirksam – der andere verurteilt sie laut und erfolglos, erschöpft sich im Fordern. Der eine bindet, motiviert andere, der andere spaltet, wirkt abstoßend. Der eine lebt im Realen – der andere in einem Ideal, das an der Wirklichkeit zerschellen muss. Es ist das ewige Missverhältnis zwischen dem, was man sich wünscht – und dem, was getan werden kann.

Diese Gegenüberstellung lässt sich auch auf das gesellschaftliche Verhältnis übertragen. Man kann es so zuspitzen: Linke können Gesellschaftsprobleme benennen, aber sie sind nicht in der Lage, eine Gesellschaft in Wohlstand, Freiheit und Frieden zu lenken. Buchstäblich alle Versuche in Ländern, in welchen sie die Macht errangen, brachten keine freien, wohlständigen Gesellschaften hervor. Aber Unfreiheit, Zwang, Unterdrückung – und am Ende stets den Untergang (UdSSR, DDR und alle anderen Ostblockländer). Progressive taugen eher zu einer Art gesellschaftlichem Betriebsrat – nicht aber zur verantwortungsbewussten Geschäftsführung und schon gar nicht zum Regieren.

Der Vergleich passt gut. Denn der Betriebsrat hat durchaus eine wichtige Funktion: Er artikuliert Missstände, gibt der Belegschaft eine Stimme, pocht auf Gerechtigkeit, drängt zur Veränderung. Aber er trägt besser keine unternehmerische Verantwortung. Er muss nicht haushalten, keine Bilanz sichern, keine Krisen überstehen. Genau darin liegt der Unterschied: Gesellschaftlich brauchen wir beides – die fordernde Stimme nach Verbesserung der Lebensumstände für die kleinen Leute und die ordnende Hand der Verantwortlichkeit für das Ganze. Aber führen kann am Ende nur, wer den Überblick behält, Vernunft dem Wunschdenken vorzieht und Zuversicht ausstrahlt. – Im Grunde prallen hier die Gegensätze von Gesinnungs- und Verantwortungsethik aufeinander. Der abgewogene Mix aus beidem kann fruchtbar für alle sein.

Denn wer apokalyptisch glaubt, die Welt gehe in naher Zukunft ohnehin unter, wird nie zu einer stabilen, langfristig tragfähigen Politik fähig sein. Er wird polarisieren, moralisieren, spalten – aber keine Häuser bauen, keine Wirtschaft sichern, keine Schule leiten und auch das Klima nicht retten. Für all das braucht es Vertrauen in das Gelingen, nicht bloß den Protest. Wer führen will, muss nicht gegen das Volk kämpfen, sondern mit ihm wirken – auch wenn es nie perfekt sein wird. Der „ideale Mensch“ wird immer ein Sphinx bleiben. Es gibt keine perfekten Menschen. Und wer Verantwortung übernehmen will, muss mehr können als nur Anklagen und Forderungen formulieren: Er muss gestalten, vermitteln, heilen und vor allem zusammenführen können.

Diese Fähigkeit ist bei bürgerlich geprägten Menschen überdurchschnittlich häufig ausgeprägt. Nicht weil sie klüger wären, sondern weil ihre Haltung sie zu Pragmatismus und Realitätssinn führt. Sie leben nicht auf einem moralisch aufgeladenen Hochsitz, sondern in der Werkstatt der Gesellschaft. Ihre Werkzeuge heißen nicht Protest und Pathos – sondern Geduld, Verlässlichkeit und vor allem Tatkraft. Und genau das macht sie – gegen die verächtlichen Zuschreibungen von links – zu den stillen Garanten eines friedlichen , gelingenden Gemeinwesens.

Die Liberalitas Bavariae – das eigentliche Erfolgsgeheimnis Bayerns

In Bayern etwa lässt sich diese Kultur besonders deutlich erkennen. Es ist vielleicht das konservativste und am bürgerlichsten geprägte Bundesland Deutschlands – zugleich aber auch das erfolgreichste auf fast allen Gebieten. Nicht weil es hier keine Probleme gäbe, sondern weil es eine kulturelle Grundhaltung pflegt, die man dort mit dem Begriff der „Liberalitas Bavariae“ zusammenfasst: „Leben und leben lassen!“. Wer sich arrangiert und engagiert, kann alles sein und erreichen. Wer andersdenkt, wird hier nicht erbittert bekämpft – nicht einmal der Linke – sondern stoisch geduldet, manchmal belächelt, meistens aber einfach ignoriert, weil Ideologie ohnehin kein Überzeugen zulässt. Es gibt keine ideologische Dauermobilisierung gegen das Anderssein, sondern ein pragmatisches Einvernehmen mit der Wirklichkeit. Grundsatz: „Jeder spinnt auf seine Weise, der eine laut, der andere leise.“ Das schafft Ruhe, Bindung, Vertrauen – und ermöglicht Pluralität, ohne das Fundament zu zersetzen. 

Wer trägt? – Wer täuscht?

Man kann also mit gutem Recht sagen: Wer das Gute will, sollte nicht nur lautes Wollen verkünden. Wer nützlich sein und helfen will, sollte es tun – nicht nur fordern. Und wer sich für befugt hält, die Gesellschaft zu lenken, sollte zuallererst lernen, sie auch zu verstehen. Es braucht die andere Seite: die Geduld, das Maß, die Bereitschaft, auch unbequeme Realitäten ertragen zu können und mit Anstrengung mühsam zu verbessern. Und es braucht nicht nur die Bereitschaft das Gute zu wollen, sondern auch den Willen, selbst bereit zu sein, es in der gegebenen Welt machbar zu erreichen.

Wer also sind die Guten? Jedenfalls nicht die Lautesten, nicht die mit moralistischer Monstranz, nicht die Empörtesten – sondern die, auf die man sich verlassen kann. Nicht der, der die Welt endlos beklagt, sondern der, der sie trägt und mit Ärmelhochkrempeln auch meistert.

Wer sind die Üblen? Diejenigen, die mit aufgesetzter Rechthaberei andere entwürdigen, ohne selbst Verantwortung zu tragen. man findet sie dort, wo sie nur Plakate hochhalten, wo geplärrt wird, statt Lasten zu schultern. Empörung ist aber immer nur eine Pose und Ausrede, selbst nichts tun zu müssen. – vom aktivistischen „Zeichensetzen“ allein geschieht das Gute nicht.

Und wer hat recht? Im Großen und Ganzen: jener Typus Mensch, der aus Erfahrung, Pflicht und innerer Mäßigung heraus handelt – nicht aus Erregung und utopischem, lauten Furor.

Denn am Ende bleibt immer das bestehen, was im Fundament trägt und kaum das, was im Wolkenkuckucksheim als Wunschtraum glänzen soll.


Lesen Sie auch:

Gesinnung statt Debatte

Diesen Beitrag teilen:

Die Kommentare sind geschlossen.