Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio begehren auf

Ein Manifest für Meinungsvielfalt

Autor: Kurt O. Wörl

Dass ich das noch erleben darf! – In einer Reihe von Beiträgen habe ich bereits meinem Frust über die zunehmende Tendenzberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks (ÖRR), also von ARD, ZDF und Deutschlandradio, Ausdruck verliehen. Immer wieder kam es auch von Mitarbeitern des ÖRR zu kritischen Einzeläußerungen. Gehört wurden sie nicht. Nun aber haben sich ÖRR-Angehörige zusammengetan und ein Manifest verfasst, verbunden mit einer flankierenden Online-Petition.

Ab wann ging es mit dem ÖRR bergab?

Den Zeitpunkt, ab wann der ÖRR den Pfad ordentlicher und vor allem ausgewogener Berichterstattung verlassen hat, kann man exakt benennen: Es war der 01.01.2013. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Rundfunkgebühren, die vorher nach der Anzahl angemeldeter Empfangsgeräte erhoben wurden, umgestellt auf eine Haushaltsabgabe. Das heißt, dass seit 2013 jeder Haushalt gebührenpflichtig ist, selbst wenn in diesem gar keine Empfangsgeräte dafür vorhanden sind, die Bewohner also gar keine ÖRR-Sender empfangen können. Damit wurde den Kunden des ÖRR aber zugleich eine wirksame Waffe aus der Hand genommen: Wer nämlich nicht mehr mit dem, was vom ÖRR ausgestrahlt wird, einverstanden war, konnte sich bis zur Reform durch Abmelden seiner Empfangsgeräte von den Rundfunkgebühren befreien, was sich spürbar auf das Gebührenaufkommen für den ÖRR auswirken konnte. Das hatte auch eine disziplinierende Wirkung. Der ÖRR war also gut beraten, vor allem die überwältigende Mehrheit des liberal-bürgerlich-konservativen Lagers nicht allzu sehr aus den Augen zu verlieren und mit Tendenzberichterstattung zu verärgern. Bis zur Reform konnten sich ARD, ZDF und Deutschlandradio auch noch einer hohen Zustimmung und Akzeptanz beim Rundfunk- und Fernsehpublikum erfreuen.

Ab 2013 wurde alles anders. In der Sicherheit, dass sich auch verärgerte Konsumenten nicht mehr ihrer Gebührenpflicht entziehen konnten, war eine sukzessiv zunehmende Tendenzberichterstattung zu verzeichnen. Glaubwürdigkeit und Akzeptanz des deutschen ÖRR rutschen seither unaufhaltsam nach unten und bewegen sich derzeit nur noch um die 30% Zustimmung. Die NZZ schreibt in einem – übrigens sehr lesenswerten – Kommentar vom 04.04.2024 ganz richtig: 

“Der öffentlichrechtliche Rundfunk in Deutschland hat kein Finanz-, aber ein Akzeptanzproblem. Wer sich informieren möchte, wie aus linker oder grüner Perspektive auf die Welt geschaut wird, kann sich bei zahlreichen Formaten von ARD, ZDF und Deutschlandradio bedienen. Der andere Teil des politischen Spektrums erreicht demoskopische Mehrheiten in der Bevölkerung, findet in den durch Pflichtbeitrag finanzierten Medien aber nur ein deutlich kleineres Angebot.”

Der deutsche ÖRR ist beratungsresistent 

Jegliche Kritik an der von links-grünen Narrativen nur so strotzenden Tendenzberichterstattung prallte bisher an den, teilweise unanständig hoch bezahlten Verantwortlichen ab. Sie wurde gebetsmühlenartig einfach bestritten und zurückgewiesen, obwohl selbst im europäischen Ausland zunehmend kritisch auf die deutsche Berichterstattung im ÖRR geschaut wird. Einer der Hauptkritiker ist der ehemalige Nachrichtenschef des dänischen ÖRR-Senders DR, Ulrik Haagerup. Auch sein Sender hatte einst wegen Tendenzberichterstattung eine mangelnde Glaubwürdigkeit und Akzeptanz zu beklagen und er erkannte das Problem: “Ja, wir waren in unserer Berichterstattung einseitig! Wir haben den Menschen nicht die bestmögliche Wahrheit, sondern eine Wahrheit, wie wir sie als Journalisten richtig fanden, präsentiert” Und er löste das Problem, indem er seinem Sender eine Rosskur und damit eine Rückkehr zu ausgewogener Berichterstattung verschrieb. Mit großem Erfolg. Sein Sender erfreut sich seither mit 80% Glaubwürdigkeit der höchsten Akzeptanz in ganz Europa. Wer mehr darüber wissen möchte, ich bin in meinem Beitrag “Rundfunkstaatsvertrag reformbedürftig“, vom 19.08.2022, ausführlich darauf eingegangen. 

Mitarbeiter begehren auf: ein Manifest …

Nun aber riss offenbar nicht wenigen Mitarbeitern von ARD, ZDF und Deutschlandradio selbst der Geduldsfaden. Über 100 Beschäftigte des ÖRR schlossen sich nun in einer Aktion “meinungsvielfalt.jetzt” zusammen und verfassten ein sechsseitiges “Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland” mit konkreten Forderungen zur Reform des ÖRR. In der Einleitung schreiben sie wörtlich:

“Wir, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von ARD, ZDF und Deutschlandradio, sowie alle weiteren Unterzeichnenden, schätzen einen starken unabhängigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland als wesentliche Säule unserer Demokratie, der gesellschaftlichen Kommunikation und Kultur. Wir sind von seinen im Medienstaatsvertrag festgelegten Grundsätzen und dem Programmauftrag überzeugt. Beides aber sehen wir in Gefahr. Das Vertrauen der Menschen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nimmt immer stärker ab. Zweifel an der Ausgewogenheit des Programms wachsen. Die zunehmende Diskrepanz zwischen Programmauftrag und Umsetzung nehmen wir seit vielen Jahren wahr. Wir haben dieses Manifest verfasst, damit unsere Stimme und Expertise zur Zukunft des öffentlich- rechtlichen Rundfunks im gesellschaftlichen Diskurs gehört werden.

Für eine bessere Lesbarkeit verwenden wir überwiegend das generische Maskulinum, wir sprechen explizit alle an.”

Als Grundsätze ihrer Forderungen geben die Mitwirkenden an:

  • Meinungs- und Informationsvielfalt,
  • Ausgewogenheit und Fairness,
  • Transparenz und Unabhängigkeit,
  • Förderung von Kultur und Bildung,
  • Bürgerbeteiligung,
  • beitragsfinanziert

Der Text des Manifestes hat es in sich, werden darin nun eben auch von den Insidern genau die Kritikpunkte festgeschrieben, die – in offenbarer Realitätsferne – von den Verantwortlichen des ÖRR bislang vehement bestritten und klein geredet werden. Es lohnt sich wirklich, sich die sechs Seiten des Manifests zu Gemüte zu führen.

Der neue öffentlich-rechtliche Rundfunk von morgen

Und so stellen sich die Initiatoren des Manifests diesen neuen ÖRR von morgen vor und ich finde, das sind durchwegs sehr gute Vorschläge:

  • Die Rundfunkbeitragszahlung wird beibehalten,
  • Finanzflüsse werden transparent und öffentlich einsehbar,
  • die Beitragszahler sind Eigentümer des ÖRR,
  • Beitragszahler werden in den Kontrollgremien eingebunden,
  • der ÖRR verzichtet auf Werbeeinnahmen, um Befangenheit zu vermeiden,
  • der ÖRR fungiert als Vierte Säule der Demokratie,
  • der Drehtür-Effekt für Ex-Politiker wird, dank mehrjähriger Sperrfristen, ausgeschlossen,
  • jegliche Interessenskonflikte derselben sind zu benennen,
  • das Führungspersonal hat einen jährlichen Transparenzbericht vorzulegen,
  • Führungspositionen werden nach einem transparenten Auswahlverfahren besetzt und zeitlich limitiert,
  • der ÖRR kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt,
  • Verpflichtung, vermeintliche “Wahrheiten” immer wieder zu überprüfen,
  • Das Publikum hat ein Recht zur selbständigen Meinungsbildung und bedarf keiner vorgegebenen Einordnung,
  • Meldungen von Nachrichten Agenturen werden – soweit möglich – nicht ungeprüft übernommen,
  • Petitionen und Programmbeschwerden werden vom neuen ÖRR ernst genommen,
  • Lokaljournalismus gehört als wesentliches Fundament zum ÖRR. Dazu gehören auch Themen aus dünn besiedelten Regionen und Gegenden fernab von urbanen Metropolen,
  • Bildung und Kultur haben substanziellen Anteil am Programmangebot,
  • Der neue ÖRR setzt mit eigenen Orchestern, Big Bands und Chören Akzente und engagiert sich im Bereich der Radiokunst Hörspiel,
  • die Archive und Mediatheken des ÖRR sind dauerhaft abrufbar,
  • der ÖRR verfügt über eine gebührenfinanzierte, nicht kommerzielle Internet-Plattform für Kommunikation und Austausch,
  • im neuen ÖRR arbeiten überwiegend festangestellte Journalisten,
  • journalistische Autonomie wird in den Landesgesetzten und in den Rundfunkstaatsverträgen festgeschrieben,
  • auf kontraproduktives Outsourcing wird verzichtet, um Lohndumping zu unterbinden,
  • der neue ÖRR (wie auch der jetzige) steht nicht in Konkurrenz zu den privaten Medien. Die vorrangige Bewertung nach Einschaltquoten und Zugriffszahlen wird abgeschafft,
  • und schließlich: Die Stabilität unserer Demokratie erfordert einen transparent geführten, neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk als offenen Debattenraum. Zu dessen Eckpfeilern gehört die Unabhängigkeit der Berichterstattung, die Abbildung von Meinungsvielfalt sowie die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern.

Jede dieser Forderungen ist im Manifest verständlich kommentiert und überaus nachvollziehbar. Nur in einem Punkt widerspreche ich, und zwar bei der These: “Der ÖRR kontrolliert die Politik und nicht umgekehrt.” Ich habe nämlich nicht den Eindruck, dass die Politik wirklich wirksamen Einfluss auf die Arbeit des ÖRR entfalten kann. Vielmehr dürfte die Tatsache, dass sich über 70% der Journalisten (unter ARD-Volontären gar über 90%), nach mehreren Umfragen, selbst eine “eher links-grüne Grundhaltung” attestieren, der wahre Grund für die Berichterstattung mit Schlagseite sein – und die Gewissheit, dass sich die Zuschauer und -hörer nicht mehr durch Abmelden ihrer Empfangsgeräte von der Gebührenpflicht befreien können. Allenfalls halte ich eine Art vorauseilenden Gehorsam ggü. der Regierung für wahrscheinlich.

Die Ära Merkel musste von den ÖRR-Medien hochgejubelt werden, weil die Amtszeit der ersten Frau im Kanzleramt einfach ein Erfolg werden “musste”. Dass die Dame für unser Land keinerlei Zukunftsperspektiven anzubieten hatte, wurde ignoriert, ebenso, dass unter Angela Merkels das Land – trotz boomender Wirtschaft mit üppigem Steueraufkommen – über fast zwei Jahrzehnte und trotz langer Nullzinsphase – in einen mehr als peinlichen und auch gefährlichen Zustand heruntergewirtschaftet wurde. Das wollen die ÖRR-Medien erst jetzt entdeckt haben, nachdem die marode Infrastruktur des Landes (Straßen, Schulen usw.), die versäumte Digitalisierung und eine erbärmlich unzureichend ausgestattete Bundeswehr nicht mehr zu verleugnen sind. 

Und dass seit Arbeitsaufnahme der Ampel-Koalition ebenfalls keine wirklich kritische Berichterstattung zur Regierungsarbeit im ÖRR erkennbar wird, das dürfte wiederum an der mehrheitlich links-grün orientierten Zusammensetzung der Redaktionen liegen. – Nur eine Ausnahme machen der ÖRR hier: bei der FDP als einziger bürgerlich-liberaler Koalitionspartner. Sie wird in Polittalkshows und in sog. “Satire-Sendungen” penetrant heruntermoderiert. – Wie gut, dass wir sie als Korrektiv der Vernunft in der Regierung haben!

Wie auch immer: nachfolgend kann das Manifest als PDF-Datei heruntergeladen werden:

Download: Manifest für einen neuen öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland

… und eine Online-Petition

Flankierend zum verfassten Manifest haben die Initiatoren von “meinungsvielfalt.jetzt” am 31.03.2024 eine Online-Petition “Erneuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks” gestartet, in die sich jeder, der das Anliegen der ÖRR-Mitarbeiter unterstützen möchte, eintragen kann. Die Petition richtet sich an ARD/ZDF/DLR-Rundfunkräte, an die Intendanten, Rundfunkkommissionen der Länder und den Deutschen Bundestag. Über folgenden Link ist die Online-Petition aufrufbar:

OpenPetition: Erneuerung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks

Ich empfehle dringend das Vorhaben zu unterstützen und die Petition mitzuunterschreiben. Es werden für das erforderliche Quorum 30.000 Unterschriften benötigt. Aktuell, zum Zeitpunkt der Freischaltung dieses Beitrags, haben bereits über 13.000 Petenten unterschrieben.

Übrigens: nach Bekanntwerden des Manifests reagieren die Chefetagen des ÖRR wie schon immer. Sie bestreiten die Vorwürfe aus den eigenen Reihen, beklagen, dass einige der mitunterzeichnenden Mitarbeiter ihre Beteiligung nicht öffentlich machen, sondern diese bei einer Anwaltskanzlei hinterlegten (aus nachvollziehbarem Brund: sie wollen ihren Job nicht verlieren).

Dennoch bleibt zu hoffen, dass sich in den Chefetagen und in den Redaktionen des ÖRR so etwas wie Einsicht und Wille zur Besserung einstellen möge und nicht die mehrheitlich links-grünen Ideologen in den Redaktionen die Oberhand behalten. Der dänische ÖRR-Sender DR könnte jedenfalls in besonderer Weise als herausragendes Vorbild dienen. Der ehemalige Chef des dänischen ÖRR-Senders DR, Ulrik Haagerup, der mit seiner Reform seinen Sendern die höchste Glaubwürdigkeit in ganz Europa bescherte, wäre bestens geeignet, den deutschen ÖRR-Sendern als Berater zur Seite zu stehen. Die britische BBC hat dies jedenfalls getan.

Beifall von der falschen Seite – leider!

Was ich ausdrücklich bedauere, ist, dass das Manifest der ÖRR-Mitarbeiter nun erwartungsgemäß auch von dem Gesindel am politisch rechten Rand (AfD und andere rechte Konsorten) mit Genuss und Frohlocken wie eine Sau durchs Dorf getrieben wird. Das wird, wie das Amen in der Kirche, zur Folge haben, dass die ÖRR-Verantwortlichen versuchen werden, auch das Manifest, dessen Initiatoren und Unterstützer in dieses Spektrum zu framen. Das kann man leider nicht verhindern. Aber auch das muss eine plurale, demokratische Gesellschaft ertragen – leider.


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