Wehe dem, der sich darauf einlässt:

Neue Religionen

Autor: Kurt O. Wörl

Der Mensch ist die einzige Spezies, welche ihre Welt in „gut“ und „böse“, synonym auch „schlecht“ einteilt. Diese dualistische Weltbetrachtung ist keiner anderen Art unter den Lebewesen eigen. Übersehen wird dabei geflissentlich, dass es gar keine für alle geltenden Maßstäbe, Grundsätze und Parameter gibt, die das Gute und das Böse ein für alle Male zweifelsfrei definieren könnten.

Solange die westlichen Gesellschaften fest im Würgegriff der Konfessionen waren, war alles klar: Der liebe Gott ist gut, der Satan böse. Fromm sein war gut, ungläubig sein demzufolge schlecht, der gehorsame Untertan ist gut, der Rebell ein schlechter Mensch, Freiheitskämpfer werden bewundert und bejubelt, Terroristen verachtet usw. usf.

Mit diesem Dualismus in der Weltbetrachtung gingen Politik und Konfessionen schon vor langer, langer Zeit eine einzigartige Symbiose ein: Wir Kleriker halten die Menschen im Zustand der unaufgeklärten Höllenangst, damit die Staatenlenker diese zur Machtentfaltung nutzen können; – oder wie es Reinhard Mey in seinem Lied „Sei wachsam“ umschrieb:

„Der Minister nimmt flüsternd den Bischof beim Arm:
‚Halt Du sie dumm, – ich halt‘ sie arm!“

Das hat auch über Jahrhunderte wunderbar funktioniert. Die Zehn Gebote des Alten und die Bergpredigt des Neuen Testaments, mehr brauchte kein Mensch, um sich im dualistischen Dickicht von Gut und Böse zurechtzufinden.

Dann aber kam eine glanzvolle Zeit, Ende des 17., anfangs des 18. Jahrhunderts, welche von Klerikern und weltlichen Fürsten allerdings wohl eher als eine „Dunkle Zeit“ empfunden wurde, nämlich die Zeit der Aufklärung. Was ehedem unbestritten als gut oder böse eingestuft war, musste neu betrachtet werden. Alte Gewissheiten, etwa, die Erde stünde im Mittelpunkt des Universums, Sonne, Mond und Sterne umkreisten diese, waren dahin. Alles fest Geglaubte, bis hin zur göttlichen Schöpfung, geriet ins Wanken. Für die damalige Zeit Ungeheuerliches wurde postuliert, nämlich, dass die sog. „Heiligen Bücher“ kein einziges Wort Gottes enthielten, sondern durchwegs vom Menschengeist ersonnen und von Menschenhand niedergeschrieben sind.

Charles Darwin brachte die Evolutionstheorie in die Welt und widersprach der göttlichen Schöpfung, Immanuel Kant den freien Willen und die Vernunft und verdrängte damit den dumpen Köhlerglauben, Ludwig Feuerbach postulierte „Der Mensch schuf Gott nach seinem Bilde!“ und die Naturwissenschaftler zeigten in der Folge auf, dass alles Seiende gequantelt ist, dass Materie im Grunde eine Illusion sein und möglicherweise gar nicht existieren könnte. Mehr noch, die Philosophen wiesen nach, dass es das Gute und das Böse schlechthin gar nicht gibt, ja gar nicht geben kann, weil beides stets im Auge des Betrachters läge. Es käme nämlich nur darauf an, was für den Einzelnen aktuell vorteilhaft oder nachteilig erscheint, etwa:

Was denken wir, wenn eine Mutter im Kindbett ihr Kind verliert? Würden wir das als gut empfinden? Ich denke die meisten Menschen würde das eher betrauern, mithin als ein sehr schlechtes Ereignis empfinden.

Wie aber würde man mit heutigem Wissen einordnen, hätte Adolf Hitler das Kindbett nicht überlebt?

Weitere Beispiele:

Der Bestohlene wird den Diebstahl wohl als ausgesprochen böse empfinden. Der sich so bereichernde Dieb denkt darüber ganz anders.

Mehr Lohn und weniger Arbeitsstunden finden Arbeitnehmer richtig gut, Arbeitgeber in der Regel eher nicht.

Hohe Preise im Handel erfreuen die Händler, die Käufer können diese Freude nicht teilen. usw.

Viele halten den Wohlfahrtsstaat für eine gute Sache, vor allem jene, welche von einem solchen profitieren. Wie denken jene darüber, welche die Mittel zur Finanzierung erwirtschaften?

Diese Beispiele zeigen auf, dass alles, was wir in gut oder böse (schlecht) einordnen möchten unmittelbar von unserer ganz individuellen Einstellung, von unserem ganz persönlichen, subjektiven Wertekanon abhängt.

Oder, um noch eines drauf zu setzen:

Die Weltkriege und der Holocaust! Ich kenne keinen anständigen Menschen, der diese mit Vernunft als gute Weltgeschehnisse einordnen würde. Es sei aber dennoch darauf hingewiesen, dass das heute geläuterte, weltoffene Deutschland und die längste Friedensperiode in Europas wohl ohne diesen Irrsinn vergangener Tage kaum denkbar wäre. Und man stelle sich nur für einen Moment vor, die Nazis währen siegreich aus dem 2. Weltkrieg hervorgegangen. Wie sähe unser Land heute aus? Wir Heutigen, ausgestattet mit der Gnade der späten Geburt, verdanken unser Leben in Frieden, Freiheit und Wohlstand damit aber dummerweise zugleich auch der Schuld und dem Wahnsinn, also dem Bösen vorheriger Zeiten und Generationen. 

Dieses letzte Beispiel zeigt auf, dass das Böse auch das Gute (und umgekehrt) stets in sich birgt. Das eine folgt dem anderen und das Erstere wird oft zur Keimzelle des Zweiten. Ja ich gehe noch weiter, sie bedingen einander, weil das eine ohne das andere gar nicht denkbar ist. So ergäbe der Begriff „Frieden“ z.B. gar keinen Sinn, wenn wir nicht wüssten, was „Kriege“ sind und bedeuten und dass es solche jederzeit wieder geben kann und es schon viele  davon gegeben hat. 

Die Konfessionen, als vor drei Jahrhunderten noch unbestritten anerkannte Institutionen, nahmen uns einst die schwierige Aufgabe ab, das Gute vom Bösen selbst unterscheiden zu müssen. Heute müssen wir einräumen, dass es diese klare Trennlinie gar nicht gibt. Dass die dualistische Weltbetrachtung eine bloße, von Menschen selbst geschaffene Illusion ist. Die Welt ist nicht dualistisch, sondern monistisch geprägt. Gut und Böse sind rein menschlichen Kategorien und damit eine Fiktion.

Die Konfessionen aber waren auf diese dualistische Weltbetrachtung angewiesen. Man musste dem guten, lieben Gott einen bitterbösen Satan gegenüberstellen. Die Vorstellung, dass der gute Mensch ins Paradies, der böse in die Hölle käme befriedigte nicht nur die Sehnsucht vieler Menschen nach Gerechtigkeit, sie ist auch geeignet, Menschen zu beeinflussen und in Bahnen gewünschten Verhaltens zu lenken.

Doch die Zahl der Gottesdienstbesucher nimmt – zumindest in den christlichen Konfessionen – kontinuierlich ab, in manchen Gemeinden dramatisch – und damit auch die Möglichkeit der Priesterscharen von der Kanzel herab Einfluss auf die Gläubigen zu nehmen. 

Neue Ersatzreligionen auf dem Vormarsch

Schaut man sich in der gegenwärtigen Welt um, dann erkennt man schon, dass sich all überall neue, Ersatzreligionen etablieren. Es scheint für viele Menschen ein großes Bedürfnis zu sein, an irgend etwas einen Glauben knüpfen zu können, weil sie mit der Erbärmlichkeit und Endlichkeit ihres Lebens nicht klar kommen – und wenn es nur der eigene Fußballverein ist, dem inbrünstig in Ritualen gehuldigt wird.

Neue, religionsähnliche Konfessionen bilden sich, wie etwa die der bisweilen gar missionarisch auftretenden Veganer. Andere versuchen sich über Urlaubsreisen die Rückkehr ins Paradies zu erkaufen, was die Werbe- und Reisebranche freut und schamlos ausnutzt und wieder andere suchen mit suchtähnlich betriebenem Extremsport ihrem Leben neuen Sinn und ihrem Körper eine gewisse Heiligkeit zu geben. Und wenn ich von Ersatzreligionen spreche dann ist damit vor allem ein funktionaler Ersatz gemeint, der gar nichts mit dem Göttlichen oder mit Jenseitserwartungen zu tun haben muss, sondern eben ein Ersatz dafür ist. Zwei Beispiele dafür möchte ich näher betrachten: die „grüne“ Klimareligion und die Fußballreligion.

Die „grüne“ Klimareligion

Das Polareis schmilzt, die Meeresspiegel steigen, 2018 erlebten wir in ganz Europa ein Jahrhundert-Dürrejahr. Viele Störche sparen sich inzwischen den Flug gen Süden. Die Klimaerwärmung ist für viele kaum mehr bestreitbar. Der Weltklimarat ist überzeugt: Die Klimaerwärmung ist von Menschen gemacht und verweist auf die zunehmende Einbringung von klimarelevanten Gasen wie Kohlendioxyd in die Atmosphäre (sog. anthropogene Einflüsse). Skeptiker halten dagegen, dass diese Einbringung viel zu gering sei (nur 0,038%!), um klimawirksam werden zu können und, dass unser Globus gerade aus der Kleinen Eiszeit, mit einem von Hungersnöten und Missernten geprägten, kalten Mittelalter, in eine normale Warmzeit zurückkehre. Sie weisen – zurecht – auch darauf hin, dass mit dem weltweiten Handel von Emissionspapieren eine neue Geschäftsidee geboren wurde, die aber nur dann funktioniert und Profite sichert, wenn die Massen der These vom menschengemachten Klimawandel folgen und sie sich durchsetzt. Es ist wie mit dem Papiergeld, das selbst keine eigenen Wert und aus dem Nichts heraus – ohne das zugleich Gegenwerte erschaffen würden – geschöpft wird sondern nur einen zugesprochenen Wert und ein Versprechen besitzt, dass man dafür Waren kaufen kann. Nur auf Basis des Glaubens an einen imaginären Wert des Geldes funktioniert unsere Weltwirtschaft. Zerbricht das Vertrauen, verliert das Geld von Heute auf Morgen seinen Wert.

Die Klimareligion ist eine neue, globale Kirche und hat auch alle Merkmale einer Glaubensbewegung. Henryk M. Broder zählte diese Merkmale kürzlich auf: Da gibt es die gläubigen Massen, die mit den Grünen-Parteitagen, Klimakonferenzen und Demonstrationen zur Klimarettung ihre Kirchentage abhalten,. Da gibt es die „Heiligen“, wie die 15jährige Greta Thunberg aus Schweden, die inzwischen als Wiedergeburt der Jeanne d’Arc von ihren gläubigen Followern verehrt wird und bereits in einem eigenen WikiPedia-Eintrag seelig gesprochen ist, da gibt es die Priester vom Weltklimarat wie Hans Joachim Schellnhuber. Und natürlich hat diese neue Religion auch ihre Ketzter, Häretiker, und Abweichler, welche sich heute in einer ganz ähnlichen Situation wie Guidarno Bruno befinden. 

Broder wörtlich: „Die Tatsache, dass so viele christliche Geistliche sich mit dieser neuen Kirche solidarisieren, zeig nur, dass sie versuchen auf einen Zug aufzuspringen, den sie für zukunftsträchtiger halten, als das, was sie selber vertreten. […] In einer säkularen Gesellschaft wächst der Glaube an transzendentalen Angeboten.“  

Sachargumente zwischen Klimapriestern und Skeptikern werden dabei eher selten ausgetauscht. Wie Gläubige und Ungläubige grenzt man einander aus. Dass der Weltklimarat in der Vergangenheit alle möglichen Tricks, auch unwissenschaftliche, angewendet hat, um die drohende Gefahr vor der Überhitzung des Planeten möglichst drastisch darzustellen, wird dabei tunlichst verschwiegen. Also auch im Lügen sind die neuen Priester den alten sehr, sehr ähnlich  Ich will an dieser Stelle nicht weiter darauf eingehen und stattdessen auf den Beitrag vom 19.08.2018 Echter Klimawandel oder Klimareligion verweisen.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Auch wenn ich wegen der vielen Tricksereien des IPCC dessen Thesen inzwischen eher kritisch gegenüberstehe, ich halte es aber dennoch für dumm, die Faktoren Industrialisierung, Energieverschwendung und Mobilisierung einfach als nicht wirkmächtig bezeichnen zu wollen. Schon als Kind habe ich mich oft gefragt, ob es nicht ziemlich gefährlich und dämlich sein könnte, Kamin- Industrie- und Autoabgase einfach in unsere Atemluft zu blasen.

Jedenfalls, wer falsch liegt und wer richtig, ob beide Seiten recht haben oder beide irren, ist noch nicht ausgemacht und der Schreiber dieser Zeilen hat sich da auch noch lange nicht festgelegt. Die Diskussion über die Erwärmung unseres Planeten wird allerdings längst nur noch rein religiös geführt. Wie einst die Konfessionen, so drohen die einen den Ungläubigen mit apokalyptischen Zukunftsbildern während die anderen auf Verharmlosung, Relativierung und alternative Erklärungen setzen, wie das einst auch zwischen Klerikern und Aufklärern stattfand. Die öffentliche Diskussion wird vor allem auf Glaubensbasis geführt. Der an den von Menschen verursachten Klimawandel Glaubende hält sich vermeintlich der guten Seite zugehörig, ist aber selbst nicht in der Lage die Postulate des Weltklimarates zu verifizieren, zu bestätigen. Der andere, ein Klimawandelleugner ist in derselben Situation und muss der Logik nach dem Reich des Bösen angehören.

Wenn man das neue, smarte Gesicht der Grünen, Robert Habeck (eine Art Robert Redford mit philosophisch gebildetem Geist) und seine Art seine Reden vorzutragen genauer betrachtet, dann fällt auf, dass seine Auftritte und sein Habitus evangelikalen Fernsehpredigern erstaunlich nahe kommen. Habeck hat im Gegensatz zu seinen meist miesepetrigen, aufgeregten und bunten Papageien ähnlichen Vorgängern ein wirksames Rezept entdeckt, das der Predigtrede. Er hat mit dieser Art der Inszenierung seine Partei binnen kurzer Zeit zu einer neuen Volkspartei, nun übrigens die einzige neben CDU/CSU, aufgeblasen: Bitte schön:

Robert Habeck

Evangelikale Predigerin Joyce Meyer

Die Religion des „heiligen“ Fußballs

Besonders gut kann man „König Fußball“ als Ersatzreligion erkennen. Die Konfession des jeweiligen Fußballfans ist der jeweils favorisierte Verein. Seine Farben, seine Embleme und Trikots werden wie heilige Hostien getragen, gepflegt und gegen die Schändung durch „Andersgläubige“ – oft gar gewaltsam – verteidigt. Das Fußballstadion übernimmt die Funktion des Tempels und das Spiel folgt, wie der Gottesdienst, genauen Regeln, in gewisser Weise also einer vorgegebenen Liturgie.

Die „Göttlichen“ sind die Spieler des eigenen Vereins. Die Rolle des zu überwindenden Bösen hat die Gastmannschaft zu übernehmen. Jede der Gläubigen Teilnehmergruppen hat ihre eigene Fankurve, gut getrennt (also ausgegrenzt) von den Ungläubigen des anderen Vereins und der Trainer ist zugleich der Hohe Priester der eigenen Fangemeinde.

Apropos Fan – nur am Rande sei erwähnt: Fan, genauso, wie Fanatiker, leitet sich von dem lateinischen Begriff „fanum“ ab – und das bedeutet übersetzt „heiliger Bezirk“ oder „heiliger Bereich“. Und „heilig“ ist auch der Rasen, der nur von den „göttlichen“ Spielern betreten werden darf.

Und wie in einer religiösen Gemeinschaft beim Gottesdienst sind im eigenen Fanblock alle gleich, vom Bänker bis zum Hartz IV-Empfänger und eben auch im Glauben an den eigenen Verein. Alle tragen das Trikot und die Embleme der eigenen Fußballkonfession, alle haben dasselbe Thema des Tages. Das alles zusammen wirkt – wie jede Religion – dann auch massiv gemeinschaftsbildend. König Fußball bietet eine ebenso intensive Gemeimschaftserfahrung wie das Zusammentreffen der Gläubigen beim sonntäglichen Gottesdienst. Man stimmt in die selben Sprechchöre ein, singt dieselben Lieder (wie in der Kirche, wenn die Orgel den Gesang der Gläubigen begleitet). Und nicht selten wird für die eigene Mannschaft im heiligen Tempel der Fußballarena sogar gebetet. Es gibt also schon jede Menge religöser Rituale, ehe das Spiel überhaupt beginnt.

Wenn die Spieler in ritueller, ja man kann sagen in liturgischer Kleidung den Platz betreten, werden sie von Kindern begleitet, wie der Priester in der katholischen Kirche bei seinem Eintritt von den Messdienern (Ministranten) begleitet wird. Der Fußballfan erwartet den Spielbeginn ganz sicher in tiefer Hoffnung auf das was kommen wird und ist in seiner Gefühlslage dem der Besucher eines Gottesdienstes, der alle Hoffnung auf die Predigt des Tages legt, sehr ähnlich. Und Reliquien, etwa die Autogrammkarten oder von verehrten Spielern signierte Fußbälle oder Trikots, gibt es auch. Und manche haben zu Hause sogar eine kleine Altar-Ecke, in welcher solche Devotionalien des Fußballgottes ehrfürchtig und mit Stolz präsentiert werden.

Fällt für den eigenen Verein ein Tor oder gewinnt er am Ende das Spiel, befinden sich alle seine Fans augenblicklich im „Fußballhimmel“. Sogar Wunder gibt es, etwa, wenn der vermeintlich chancenlose Tabellenletzte überraschend den Tabellenführer schlägt. Eine wahrhaftige David-und-Goliath-Erfahrung für die Fans also. Die Verzückung der Fans ist von jenen, die eigenen Auges eine vermeintliche Spontanheilung in Lourdes beobachten können, nicht zu unterscheiden. Die Fans der unterlegenen, eigentlich favorisierten Mannschaft werden den Sieg der anderen hingegen als eine Art Sakrileg empfinden.

Gewinnt der eigene Verein, ist die Freude groß, als hätten die Gläubigen erfahren, ihnen sei soeben das Himmelreich zugesichert worden. Verliert der Verein, stellen sich Trauer, Verzweiflung und Niedergeschlagenheit ein, wie das Zeugen Jehovas wohl immer wieder erleben müssen, wenn wieder der aktuell berechnete Tag des Jüngsten Gerichtes ohne besondere Ereignisse verstrichen ist und ihre Entrückung weiter auf sich warten lässt.

Besonders bei Relegationsspielen, wenn es darum geht, ob der Verein den Klassenerhalt noch schafft oder absteigen wird, entsteht im Stadion eine prickelnd religiöse Atmosphäre. Man beobachte die Fans, wenn ihr Verein tormäßig im Rückstand liegt und die letzten Minuten des Spiels angebrochen sind. Der mitfiebernde Fan erlebt dabei apokalyptische Momente: Die Furcht vor dem drohenden Abstieg einerseits und andererseits, das mögliche Wunder, dass die Rettung in letzter Minute doch noch möglich sein könnte. 

Resümee

Natürlich beantworten die genannten Ersatzreligionen nicht die drängenden Menschheitsfragen: Wer bin ich? Woher komme ich? Wohin gehe ich? Was kann ich wissen? In der Funktion aber erfüllen sie in der Tat alle Aspekte einer Religion. Sie können breiten Massen als Ersatz für die zunehmend an Bedeutung verlierenden Glaubenssysteme, vor allem der christlichen Konfessionen, als Ersatz dienen.

Vor diesem Hintergrund immer neuer Glaubenssysteme muss man wohl auch in vielen Bereichen unserer Gesellschaft in der Gegenwart den zunehmend verrohenden Umgang miteinander in kontroversen Themenbereichen betrachten. Wenn die eigenen kleinen Heiligtümer und Gewissheiten relativiert oder gar verächtlich gemacht werden, dann wird der Dissens immer weniger mit Argumenten, sondern mit Hass, Gebrüll und Aggression ausgetragen. Wehe dem, der sich darauf einlässt.

Foto: pixabay Creative Commons CC0

 

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