Ansprache an unsere idealistischen Grünschnäbel:

Es gibt nichts Gutes, außer man tut es

Autor: Kurt O. Wörl

Das Anliegen der neuen, klimabewegten Jugend ist grundsätzlich nachvollziehbar und verständlich. Eure Forderungen, unseren Planeten vor einer Klimakatastrophe zu bewahren, sind überaus berechtigt – sehr berechtigt sogar. Dabei ist es völlig nebensächlich, ob der Klimawandel wirklich vom Menschen zu verantworten ist oder nicht – Klimaforscher sind sich da keineswegs einig, auch wenn medial anderes verbreitet wird. Die extremen Sommer und überwiegend schneelosen Winter vergangener Jahre sind ja nicht wegzuleugnen. Dieser Beitrag wird unvermeidlich etwas länger, das bitte ich vorab schon zu entschuldigen.

Dass ihr sehr idealistisch euren Protest auf die Straße tragt, ist das Vorrecht der Jugend. Wer als junger Mensch keine Ideale hat, der hat auch kein Herz. Und, dass ihr für eure Zukunft lautstark auf die Straße gehen müsst, liegt auch daran, dass ihr, so ihr das 18te Lebensjahr noch nicht vollendet habt, gar keine andere Möglichkeit habt, eure Interessen kundzutun und demokratisch zu intervenieren. Kinder und Jugendliche unter 18 sind die einzige Bevölkerungsgruppe, die weder ein Wahlrecht besitzt, noch in den Parlamenten vertreten ist, während Erwachsene auch bis ins debile Hochalter noch ihre Kreuzchen auf Wahlzetteln hinterlassen dürfen und sich bisweilen auch vom Parlament nicht recht trennen mögen. Kurzum, ihr seid für die Politik (noch) keine “relevante” Wählerschicht. Ob eure Interessen in den Parlamenten vertreten werden oder nicht, wirkt sich auf Wahlergebnisse deshalb kaum aus. Deshalb fordern auch viele vernünftige Erwachsene schon lange ein sogenanntes “Familienwahlrecht”, in welchem eure Eltern das Stimmrecht für euch wahrnehmen können. Auch diese Forderung ist berechtigt, denn Eltern haften für jeden Unsinn, den ihre Kinder anstellen, müssen als eure gesetzlichen Vertreter für euch Verträge unterschreiben, also warum sollten sie euch nicht auch an der Wahlurne vertreten? Die Familienpolitik sähe anders aus, wenn auch die Stimmen der Jüngsten bei der Zusammensetzung der Parlamente Wirkung entfalten könnten.

Worum ich euch aber wirklich von Herzen bitte: bleibt gerecht, wenn ihr der Eltern- und Großelterngeneration die ultimative Schuld am Klimawandel zuschreibt. Prüft bitte, ob es wirklich stimmt, dass die Vorgenerationen “nichts zum Schutz des Planeten” und für euch getan haben. Pauschaliert nicht. Es ist nie richtig, alle für das Handeln von Einzelnen verantwortlich zu machen. Es gibt verachtenswerte Minderheiten in allen Bevölkerungsschichten. Deshalb ärgert es mich schon sehr, wenn eure Sprecher in den Medien den Vorgenerationen pauschal vorwerfen, nichts für den Klima- und Umweltschutz und für eure Interessen getan zu haben. Denn das stimmt einfach nicht. Lasst euch berichten, wie es wirklich war und was eure Vorgenerationen wirklich – auch für Euch – getan und erreicht haben, besonders in unserem Land. Und das kann sich weltweit durchaus sehen lassen.

Bedenkt bitte auch, dass all unsere und eure Anstrengungen, “den Planeten zu retten” am Ende wegen eines ganz anderen, aus dem Ruder laufenden Phänomens vergeblich gewesen sein könnten. Ich komme darauf noch zurück.

Zunächst aber ein kleiner Rückblick in die Entwicklung unseres Landes:

Die 1950er Jahre

Die Weltbevölkerung lag anfangs der 1950er Jahre etwa  bei 2.500.000.000.
 

Meine Geburtsstadt – Nürnberg – war zu über 90% völlig zerstört. Aufgewachsen bin ich in den ersten Jahren in einer Notunterkunft, ein Barackenlager, dem sog. “Witschel-Lager”. Drei Generationen (um die 10 Personen) lebten in zwei engen Barackenzimmern, die Schlafzimmer, Wohnzimmer und Küche zugleich waren. Meinen Eltern konnte ich für die ersten beengten Eindrücke meines Lebens keine Vorwürfe für Nazi-Deutschland, den irrsinnigen Krieg und den Holocaust machen, sie waren bei Kriegsende gerade mal 13 und 10 Jahre alt. Von meinen Großeltern weiß ich nicht viel, ich hatte nie Gelegenheit mit ihnen über diese Zeit zu plaudern, die mit Massenarbeitslosigkeit, Hunger, Not und Elend endete. Doch in einem waren sich nach 1945 unsere Vorgenerationen einig: “Unsere Nachkommen sollen es einmal besser haben als wir!” – Sie haben Wort gehalten!

Appell 1 an die Jungen heute: Bedenkt bitte bei eurer Kritik an die Vorgenerationen, dass sie euch bisher Not- und Hungerzeiten erspart haben. Damit haben sie euch das Wichtigste angedeihen lassen, was zum Überleben erforderlich war. Bedankt euch vielleicht hie und da bei euren Großeltern und Eltern, dass ihr Hunger und Not nie erleiden musstet. Für euch ist ein Leben ohne Not heute Normalität, für uns und unsere Vorfahren hingegen nicht.

In einem habt ihr recht: “Die Klimaentwicklung” war nach dem Kriege weltweit kein Thema. Wer in Trümmern lebt und arbeitslos ums pure Überleben kämpft, der hat für globale Themen weder Zeit noch Nerven. Aber unsere Vorgeneration hatte ein anderes, immens wichtiges Thema und das lautete: “Nie wieder Krieg!” Obwohl das Ansehen Deutschlands weltweit wegen der Verbrechen der Nazis am Boden lag, war eines auch für die Kriegsgegner von damals völlig klar: Frieden kann nur in einem vereinten Europa auf Dauer gesichert werden. Das bedeutete, die Wirtschaften der einstigen Erzfeinde – vor allem Deutschlands und Frankreichs – müssen so mit einander verflochten werden, dass jeder, der einen Krieg anzetteln wollte, sich damit nur selbst schaden würde. Mit der Montanunion begann die Erfolgsgeschichte die in der heutigen Europäischen Union mündete.

Appell 2 an die Jungen heute: Bedankt Euch bitte hie und da bei euren Eltern und Großeltern, dass sie es Euch ermöglicht haben, in ein seit fast 75 Jahren friedlich mit anderen zusammenlebendes Land hineingeboren worden zu sein. Für euch ist ein Leben ohne Krieg heute Normalität, für uns und unsere Vorfahren hingegen nicht. 

Die 1960er Jahre:

Um 1960 war die Weltbevölkerung auf über 3.000.000.000 Menschen angewachsen.

Die 1960er Jahre waren die “fetten Jahre” in Westdeutschland. Die Wirtschaft boomte, Vollbeschäftigung, Arbeitskräftemangel. Die Gewerkschaften setzten Jahr um Jahr zweistellige Lohnerhöhungen durch. Es ging uns so gut, dass die Politik auf Druck der Wirtschaft auch Menschen aus anderen Ländern, zunächst aus Italien und Griechenland, später auch aus der Türkei, vor allem aus Anatolien, als sog. “Gastarbeiter” zu uns einladen konnte. Freilich war dabei auch der Hintergedanke, mit neuen, “billigeren” Arbeitskräften die Macht der deutschen Gewerkschaften bei Lohnverhandlungen zu brechen. 

Bei all dem wirtschaftlichen Erfolg verlor unsere Elterngeneration in der Tat die Umwelt etwas aus den Augen. Chemieabfälle wurden ungefiltert in die Flüsse entsorgt und kamen im Rhein zusammen. Es war lebensgefährlich in den Flüssen zu baden. Ihr Jungen könnt euch heute gar nicht mehr vorstellen, wie durch Industrieabgase in den Industriezentren die Luft verpestet war. Das Wort “Smog” kennt ihr vermutlich nur aus den Megacitys in China und den USA, aber Smog war der Alltag im Ruhrgebiet. Über Jahrzehnte kannte man im Ruhrpott keinen blauen Himmel.

Appell 3 an die Jungen heute: Bedankt Euch vielleicht bei Gelegenheit bei der Vorgeneration, dass sie – entgegen eurer Vorwürfe – doch etwas getan, nämlich Kläranlagen gebaut und die Industrie zur Reinigung ihrer Abwässer verpflichtet und das Ruhrgebiet durch industrielle Abgasfilter vom Smog befreit haben. 

Wenn es in den 50er Jahren gelang, Deutschland in das Westbündnis als NATO-Mitglied einzubinden, mit der Montanunion und später mit den Römischen Verträgen zusammen mit anderen europäischen Staaten wie Frankreich und Italien die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) – und damit den Frieden und die wirtschaftliche Zusammenarbeit zu sichern, folgte in den 60er Jahren die Umsetzung des Verfassungsgebotes, dass die Bundesrepublik ein Sozialstaat sei. Die Regierung unter Kanzler Ludwig Erhard führte die Soziale Marktwirtschaft und Nachfolger Kanzler Kurt Georg Kiesinger die Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle ein und die Regierung Willy Brandt für die Jungen das Bundesausbildungsförderungsgesetz (kurz BaFöG). 

Zugleich wuchs aber – trotz sozialer Sicherung – eine äußerst kritische Jugend heran, die Generation, der auch ich vom Alter her angehörte: Die 68er-Generation. Das war die erste Generation, die mit gesättigten Bäuchen in Frieden und Freiheit aufwachsen durfte. Und obwohl sie selbst den Nazi-Terror gar nicht mehr erleben mussten, dankten sie es der Vorgeneration nicht, dass sie sich um ein besseres Land bemühte, sondern stellte hochnotpeinliche Fragen: “Was war euer Beitrag in Nazi-Deutschland? Habt ihr Schuld auf euch geladen? Habt ihr Widerstand geleistet?” – In Frieden und Freiheit ist es leicht, auf dem Podium der Moral jenen, die in einer Diktatur lebten, mangelnden Widerstand vorzuwerfen. Die Gnade der späten Geburt! 

Bei allen kritischen Anmerkungen: Natürlich hat die 68er-Jugend nicht nur utopische “linke” Ziele verfolgt. Sie kann zurecht auch gesellschaftliche Erfolge vorweisen. Sie war gegen den genauso irrsinnigen wie sinnlosen Vietnamkrieg der Amerikaner auf der Straße und natürlich waren viele Forderungen der 68er auch sinnvoll und prägend für die weitere Entwicklung in unserem Land. Die Gleichberechtigung von Mann und Frau, feministische Ideen und schließlich die aus der Krawalljugend zunächst hervorgegangene friedliche Hippie- und später die Friedensbewegung wäre ohne die 68er wohl nie so erfolgreich verlaufen. Das bürgerliche Lager gewöhnte sich langsam an den schrillen Jungendprotest und zeigte sich zunehmend toleranter.

Appell 4 an die Jungen heute: Bedankt euch vielleicht hie und da bei euren Eltern und Großeltern, dass ihr heute mit wohlwollender Begleitung der meisten Erwachsenen euren Schülerprotest inkl. Rechtsbruch (Schuleschwänzen) so ungefährdet und sozial abgesichert auf der Straße ausleben dürft. 

Doch damit nicht genug! Auch die bürgerliche Gesellschaft, zunächst unter Willy Brandt und später weiter unter Helmut Schmidt, leistete Enormes. Erinnert sei an die Ostpolitik und die Ostverträge, die für viele Menschen diesseits und jenseits des “Eisernen Vorhangs” große Erleichterungen im geteilten Deutschland brachte. Die Welt lebte im Kalten Krieg der Systeme. Hunderte Atomwaffen waren in Zentraleuropa aufeinander gerichtet. Die deutsche Politik schaffte eine deutliche Entspannung. Erstmals befasste sich unser Land auch ernsthaft mit der eigenen, unrühmlichen jüngsten Geschichte im Dritten Reich (etwas, was die DDR übrigens nie tat, sondern ein ähnliches Terrorsystem, nur aus anderer Ideologie gespeist, errichtete). Wie kein anderes Land hat West-Deutschland seine Geschichte aufgearbeitet. Das ist es, was mich persönlich vor allem stolz auf mein Land zu machen vermag, in dem meine Familie und ich stets in Sicherheit, Frieden und Freiheit leben durften. Ich habe keinen großen Grund, meinen Vorfahren Vorhaltungen für Versäumnisse zu machen.

Appell 5 an die Jungen heute: Bedankt euch vielleicht hie und da bei euren Eltern und Großeltern, dass sie sich mit den Verbrechen im NAZI-Deutschland intensiv auseinandergesetzt und damit einen großen Beitrag zur Versöhnung der Völker Europas beigetragen haben. Vielleicht erzählen sie Euch ja, von der großen, weltweit bewunderten Geste Willy Brandts, die als “Kniefall von Warschau” in die Geschichte einging. Dass ihr jungen Deutschen heute wieder in aller Welt freundlich aufgenommen werdet, hat sehr viel mit der Politik der Vorgeneration zu tun.

Die 1970er Jahre:

Die Weltbevölkerung nähert sich um 1970 der 4.000.000.000-Marke an.

Die 70er Jahre waren eine Aneinanderreihung von Krisenjahren. Wir erinnern uns ungern, als 1972 palästinensische Terroristen die Olympischen Spiele in München zerstörten und israelische Olympiateilnehmer ermordeten. Aus der 68er-Bewegung ging die linke Terrororganisation “Rote Armee Fraktion” (RAF) hervor, die sich unter den Wirtschaftseliten Deutschlands durch das Land mordete. Flugzeugentführungen, Geiselnahmen waren in der Tagespresse schon normal. Während die linksextreme Jugend ihren Gewaltorgien nachging, verstummte die restliche Jugend politisch fast völlig. Mit den Gewalttätern der RAF wollten wohl viele nichts zu tun haben (obwohl es trotzdem ein großes Umfeld von Sympathisanten gab) und im gemäßigten, bürgerlichen Spektrum schien es keinen großen Anlass fürs Krawallieren zu geben. Ich kann mich jedenfalls nicht an eine große Jugendbewegung in den 70er Jahren erinnern – zumindest nicht bis zum NATO-Doppelbeschluss 1979.

Dieser Beschluss enthielt folgendes Vorhaben: Um der Stationierung russischer SS-20-Mittelstreckenraketen (mit Atomsprengköpfen) etwas entgegen zu setzen, sollten in Europa, vor allem in Westdeutschland, ebenfalls solche Waffen (Pershing II und Tomahawk-Marschflugkörper) installiert werden. Zugleich wurden bilaterale Verhandlungen der Supermächte zur Begrenzung atomarer Mittelstreckenraketen gefordert. Helmut Schmidts SPD/FDP-Regierung setzte den Doppelbeschluss damals um und entfachte damit den sog. “Heißen Herbst”. Die Friedensbewegung mit Ostermärschen war geboren. Dies zusammen mit dem weiteren Niedergang der Wirtschaft beendete über ein Jahrzehnt sozial-liberaler Regentschaft. 

Appell 6 an die Jungen heute: Wenn ihr auch beklagt, dass eure Vorgenerationen sich zu wenig um den Klimaschutz kümmerten, so sei doch daran erinnert, dass die Politik in den 1970er Jahren mit ganz essentiell und den Weltfrieden bedrohenden, anderen Themen beschäftigt war. Sie hat es gut gemeistert und ihr solltet dieser Generation euren Dank dafür nicht verweigern.

Die 1980er Jahre:

Zu Beginn der 1980er Jahre lebten bereits 4.500.000.000 Menschen auf Erden.

Wenig ruhig kündigten sich auch die 1980er Jahre an. Was euch klimabewegten Schülern vielleicht gar nicht bewusst ist: vor fast 40 Jahren, im Januar 1980, wurde die Partei “Die Grünen” gegründet. Ihre Hauptthemen: Anti-Atomkraft, Umwelt, Waldsterben, Ozonloch und Friedensbwegung. Wie bei alle neuen Parteien verlief auch die Gründung der Grünen nicht gerade demokratisch und rechtsstaatlich vorbildlich. Das war anfangs ein ziemlich zusammengeflickter, chaotischer Haufen aus alten K-Gruppen, enttäuschten Sozialdemokraten und Links-Liberalen. Steine gegen anders denkende Menschen warfen sie zu ihren Anfangszeiten ganz gerne, einschließlich ihres späteren Starpolitikers Joschka Fischer. Die Grünen haben zu Beginn viel Unfug in die Welt gesetzt, ihre Politik bestand vorwiegend aus Provokation und Polarisation, wie wir das heute von der AfD auch kennen. So versuchten sie irrer Weise Pädophilen den Weg in die Legalität zu ebnen. In ihren ersten Programmen warben sie ernsthaft für straflose Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern. – Kindesmissbrauch als Ziel eines neuen, anderen, Hauptsache nicht bürgerlichen Lebensstils. 

Wie alle neuen Parteien, setzten auch die Grünen vor allem auf populistische Forderungen und einer extremen Anti-Haltung zu allem, was auch nur den Anschein bürgerlicher Vorstellungen entsprach. Man war vor allem gegen alles was andere Parteien wollten. Wofür die Grünen wirklich eintreten wollten, fiel ihnen lange schwer, präzise zu formulieren. “Irgendwas mit Ökologie und Frieden und dem Verbot von Allem, was dem widerspricht”, mehr war zunächst nicht zu erfahren. So handelte sie sich schon früh den Ruf einer Verbots- und Vorschriftspartei mit obrigkeitsstaatlicher Regelwut ein. Sie übersahen: Den Menschen ihr Leben bis in das Privateste hinein vorschreiben zu wollen, war schon immer ein deutlicher Hinweis auf tiefes, faschistoides Denken. 

Was das damalige Umweltprogramm der Grünen angeht, so war das im Wesentlichen ein Plagiat des Umweltprogramms der FDP aus den Freiburger Thesen (inkl. Tipp- und Interpunktionsfehler). Die FDP war nämlich von allen deutschen Parteien die erste, die überhaupt den Umweltschutz in ihr Programm aufgenommen hatte. Sogar die Jugendorganisation der Liberalen, die Jungdemokraten, haben die Grünen später übernommen. Neben der breiten Unterstützung der Friedensbewegung, die unermüdlich gegen den NATO-Doppelbeschluss protestierte (der am Ende übrigens, wie es als eigentliches Ziel auch vorgesehen war, tatsächlich zum INF-Vertrag und damit zur Abrüstung der Supermächte in Mitteleuropa führte). 

Die wirtschaftlichen Probleme Westdeutschlands, mit wachsender Arbeitslosigkeit sowie der mangelnde Rückhalt, den Kanzler Helmut Schmidt wegen des NATO-Doppelbeschlusses noch in seiner Partei, der SPD, hatte, damit wollte sich die FDP als langjähriger Koalitionspartner nicht mehr länger verschleißen lassen. 1982 kündigte der Vorsitzende und Vizekanzler Hans-Dietrich Genscher die Koalition auf, die liberalen Minister traten zurück und im Rahmen eines Konstruktiven Misstrauensvotums stürzten CDU/CSU und FDP dann Kanzler Schmidt und wählten Helmut Kohl zum neuen Bundeskanzler.

Mit dem Beginn des Baus einer nuklearen Wiederaufbereitungsanlage im bayerischen Wackersdorf 1985 entfachten die Grünen dann einen breiten Protest in der Bevölkerung gegen dieses Vorhaben – übrigens erfolgreich! – Heute werden in der Anlage Zweiräder hergestellt, meine ich mich zu erinnern. Richtig Wind unter die Flügen bekamen die Grünen 1986, als am 26. April einer der Reaktoren des Kernkraftwerkes in Tschernobyl (Ukraine) explodierte. Der Nimbus der Kernkraft als saubere Energie war endgültig vorbei.

Was dann sollte bekannt sein: 1989 bricht das sozialistische System der DDR zusammen, die UdSSR folgte auf dem Fuß, auch die Tschechoslowakei und in der Folge immer weitere Staaten des Ostblocks. Wie es schien, würde Deutschland wiedervereinigt auf eine neue, gute Zeit zusteuern. 

Appell 7 an die Jungen heute: Wenn ihr den Vorgenerationen vorwerft, sie hätten sich nicht für euer Anliegen, dem Klima- und Umweltschutz, eingesetzt, dann ist das mit Blick auf die Grünen ungerecht, weil schlicht nicht wahr. Dass ihr heute eine so breite Unterstützung für euren Protest erfahrt, trotz der Kritik am Schuleschwänzen, habt ihr nicht zuletzt den Grünen von heute zu verdanken.

Die 1990er Jahre:

Mit Beginn der 1990er Jahre war die Weltbevölkerung auf  fast 5.500.000.000 angewachsen.

Die Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 wurde vor allem für die Westdeutschen eine Herkulesaufgabe. Die Kosten für die maroden “Neuen Bundesländer” waren immens. Die 1990er Jahre standen deshalb ganz im Fokus des Prozesses der Wiedervereinigung. Es war sicher Helmut Kohls Meisterleistung, denn die Türe für eine Wiedervereinigung stand nur einen kurzen Moment offen und Kohl stellte im richtigen Moment den Fuß dazwischen. Wir Westdeutschen mussten unsere Rentenkasse mit den Bürgern der neuen Länder teilen (der Hauptgrund für die Absenkung des Rentenniveaus), der Solidaritätszuschlag, den wir noch heute bezahlen, wurde eingeführt.

Ich denke, dass die Regierungen schlicht keine großen Zeitfenster für eine ausgiebige Klimadebatte hatten. Dabei wurde der Weltklimarat bereits 1988 gegründet und wartete bald mit beunruhigenden Informationen zu einem angeblich “von Menschen verursachten” Klimawandel auf. 

Doch die Jugend blieb stumm, obwohl sich mit den Grünen eine Umweltpartei etabliert hatte. Ich kann mich jedenfalls nicht daran erinnern, dass die 90er Jahre auch nur irgendeinen erwähnenswerten Jugendprotest hervorgebracht hätte, wenn man vom traditionellen Krawall “linker” Gipfelgegner einmal absieht.

Appell 8 an die ostdeutschen Jungen heute: Ihr solltet hie und da euren Eltern und Großeltern danken, dass sie mit ihrer friedlichen Revolution 1989 euch ein Leben in Freiheit ermöglicht haben, dass die schlimmsten Umwelt- und Klimakiller in den Ostländern stillgelegt sind und dass ihr auch in euren Ländern heute angstfrei euren Protest äußern könnt. 

Die 2000er Jahre:

Zum Millenniumswechsel 2000 war die Weltbevölkerung auf über 6.000.000.000 angestiegen.

Die SPD besiegelte ihren eigenen beispiellosen, späteren Niedergang dann mit der sog. Agenda 2010, mit welcher der bereits von Ludwig Erhard eingeführte Sozialstaat völlig geschliffen wurde. Man versprach sich mit einem rigorosen Vorgehen gegen “Faulenzer”, unter der Tarnung eines “Förderns und Forderns”, eine Erholung der Wirtschaft. Zeitarbeit, Leiharbeit, befristete Arbeitsverhältnisse wurden so ermöglicht, auch wenn der Motor der Wirtschaft dennoch nicht anspringen wollte. In nur wenigen Jahren wurde aus einem Hochlohnland ein Billigohnland kreiert.

Der Motor der Wirtschaft sprang erst wieder mit der Umsetzung eines weiteren, nur für Deutschland genialen Schachzuges Helmut Kohls an, auch wenn es Gerhard Schröder vorbehalten blieb, ihn umzusetzen: Die Einführung des EURO als neue Währung 2002. Der beseitigte nämlich das Hauptproblem der deutschen Wirtschaft, nämlich die völlig überbewertete und deshalb harte D-Markt. Die D-Mark gefiel zwar den Kapitalbesitzern, weil sie wertbeständig war, für die Auftragslage der Unternehmen und für die auf Arbeit und Lohn angewiesene Gesellschaft war sie eine einzige Belastung. Die D-Mark war nämlich nur deswegen so hoch bewertet, weil andere europäische Staaten vorher ihre eigenen Währungen ständig abwerten konnten, um ihren Export damit zu stützen. Das war mit dem Euro nun nicht mehr möglich! Eine Währung, ein Wert in allen Beitrittsländern. Der Euro, jetzt sehr viel weicher und bei Menschen mit Geldvermögen deshalb auch sehr unbeliebt, ließ die deutsche Wirtschaft, besonders den Export, binnen weniger Monate – und das nun schon fast 17 Jahre in Folge – wieder explodieren. Dabei verlor man aus den Augen, welche Probleme damit vor allem die südeuropäischen Staaten bekamen. 

Allerdings war die Bundesregierung damals auch noch durch ein anderes Ereignis gefesselt: Nämlich von den Terroranschlägen in New York und Washington vom 11. September 2001 und den Folgen (die von den USA begonnenen Kriege in Afghanistan und im Irak). 

Klimarelevantes am Rande: Nach den Anschlägen wurde für die gesamte USA ein mehrtägiges Flugverbot angeordnet, das in der Folge die Klimaforscher schockierte: Nachdem mehrere Tage kein einziges Flugzeug Abgase über den sonst stets dicht beflogenen USA in die Atmosphäre abgeben konnten und weil durch den Wind die vorhandene Verunreinigung aus dem Land geblasen war, stiegt die Tagestemperatur plötzlich – ohne meteorologische  Ursache – gleich um mehrere Grade an. Der Zusammenhang, dass die Verdunkelung durch Flugzeugabgase eine dämpfende Wirkung auf die Erderwärmung haben kann, war nun erkannt. Der Umkehrschluss ist noch erschreckender: Würden wir tatsächlich den Flugverkehr von heute auf morgen massiv einschränken, könnten sich schlagartig die globalen Temperaturen erhöhen.

Jedenfalls: Sieben Jahre hatten Rot-Grün nun Zeit, sich auch des immer drängender werdenden Klimathemas anzunehmen, stattdessen widmete man sich einem gigantischen Gaspipeline-Projekt von Russland nach Deutschland, “Nordstream I”. Und die Jugend? Ich kann mich an keine breiten Jugendproteste in den 2000er Jahren erinnern.

Appell 9 an die Jungen heute: Jetzt hättet ihr wirklich einen Grund, auf die grüne Elterngeneration mal so richtig sauer zu sein. Der rot-grünen Regierung lagen in ihrer Regierungszeit bereits drei Sachstandsberichte des Weltklimarates (IPCC) vor (1990, 1995 und 2001). Und sieben Jahre haben sie es nicht für nötig gehalten das Nötige anzustoßen. Wenn nicht eine Ökopartei, wer denn dann?

Für das Klima ein Hoffnungsschimmer war erst die neue schwarz-rote Bundesregierung ab 2005, erstmals unter Kanzlerin Angela Merkel. Sie machte das Klima zur Chefsache, – Gab sie zumindest vor! Publikumswirksam reiste sie zusammen mit ihrem Minister Sigmar Gabriel in die Arktis und beide ließen, in knallrote Funktionsjacken gewandet, von sich im Polareis wirklich beeindruckende Fotos für die Medien fertigen. Merkel ließ sich als “Klimakanzlerin” feiern. – “Jetzt geht’s los!” dachten die Klimabewegten. Und wirklich: Klimaziele wurden vereinbart, eines davon für 2020. Leider ist die Regierung Merkel aber vor allem durch Untätigkeit aufgefallen und wird ihre Klimaziele 2020 nun doch nicht erreichen.

Wir leben in 2019

 Die aktuelle Weltbevölkerung beträgt nun  rund 7.700.000.000 Menschen.

Der trocken-heiße Sommer letztes Jahr, der auch massiv auf die Wirtschaft Einfluss hatte, weil Deutschlands Flüsse und Ströme kaum mehr Wasser führten und die Binnenschifffahrt fast zum Erliegen kam sowie eine außergewöhnliche Hitzewelle selbst in Nordskandinavien, brachten das Fass zum überlaufen. Viele solche Sommer wird auch Europa nicht mehr verkraften. Deshalb nochmals: der Klima-Protest der Jugend ist – wenn auch nicht legal – so doch legitim. Er wird aber nur etwas bewirken, wenn sie ihn klug und unter ethischen und rechtsstaatlichen Normen führt und auch ganz persönlich für sich Konsequenzen akzeptiert. Dazu gehört auch, das eigentliche Problem unseres Planeten zu erkennen.

Das eigentliche Problem des Planeten – Lösung nicht in Sicht
 

Eingangs habe ich darauf hingewiesen, dass all unsere und eure Anstrengungen, den Planeten zu retten, am Ende vergeblich sein könnten, wenn wir nicht ein anderes, völlig aus dem Ruder laufendes Phänomen in den Griff bekommen. Und das Phänomen heißt: Die Entwicklung der Weltbevölkerung!

Zu jedem der letzten Jahrzehnte habe ich zunächst den jeweiligen Stand der Weltbevölkerung an den Anfang gesetzt. Wenn ihr also den Vorgenerationen vorwerft, das Klimaproblem nicht erkannt zu haben, dann sei euch entgegengehalten, dass sich die Weltbevölkerung seit 1950 bereits verdreifacht hat, sich – wenn die Entwicklung so weiter geht – in wenigen Jahren vervierfacht haben wird und dass ein Ende dieser Entwicklung nicht abzusehen ist. Daraus ist erkennbar, dass vor 50 Jahren der Mensch als Klimafaktor noch gar nicht so relevant gewesen sein konnte als heute und auch einen weitaus geringeren Energieverbrauch hatte. 

Es ist da eben ein Unterschied, ob 2.500.000.000 oder in wenigen Jahren 10.000.000.000 Menschen ernährt werden müssen. Die vierfache Menge an Menschen gibt auch die vierfache Menge an CO2, mit der bloßen Atemluft an die Atmosphäre ab. Immer mehr Menschen erfordern immer mehr landwirtschaftliche Anbauflächen, was zwangsläufig zur Rodung auch von Regenwäldern führt, welche das CO2 eigentlich wieder aus der Atmosphäre entfernen könnten. Mit der Bevölkerungsanzahl steigt auch der Bedarf an Fleischproduktion. Auch Schlachttiere müssen zusätzlich aus dem Ertrag der Anbauflächen ernährt werden, was noch mehr Rodungen zur Folge hat und immer mehr Rinder und Schweine erzeugen immer mehr klimaschädliches Methan. Hinzukommt: Gerade in den wenig bis nicht entwickelten Ländern schreitet der Bevölkerungszuwachs besonders extrem fort und Kläranlagen zur Reinhaltung der Gewässer kennt man dort eher nicht.

Habt ihr das Problem erkannt? Bekommen wir die Entwicklung der Weltbevölkerung nicht in den Griff, bekommen wir auch den Klimaschutz nicht in den Griff. Selbst wenn 80 Millionen Deutsche morgen kollektiv aussterben würden und damit keinerlei Klimaschaden mehr anrichten können, fielen damit nicht einmal zwei Prozent der täglichen, weltweiten Schadstoffeinbringung in die Atmosphäre weg. Genau so viel also, wie die Emissionen in Indien und China jährlich zunehmen.

Das will heißen: Es ergibt gar keinen Sinn, wenn die Länder der westlichen Welt (die übrigens durchwegs Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen haben und zudem ständig durch technische Innovationen viel für die Umwelt erreichen), meinen, sie könnten mit Protest oder gar Schulstreik auch nur einen Hauch an der Klimaentwicklung verändern, wenn wir nicht global die Bevölkerungsexplosion eindämmen können. 

Die Lösung des Problems könnte sein, dass wir unseren Wohlstand in die Länder der Dritten Welt exportieren. China ist bislang das einzige Land, welche in solche Länder Infrastruktur liefert und damit Entwicklungshilfe leistet – wenn auch nicht ganz uneigennützig. Es hat sich gezeigt, vor allem in Europa und in den USA, dass steigender Wohlstand zu einem Rückgang der Geburtenraten führt. Die Gründe dafür sind wissenschaftlich fundiert erforscht und bekannt aber ziemlich komplex, sie würden den Rahmen hier sprengen.

Liebe klimabewegte Jugend: Das Stab des Staffellaufes des Lebens liegt jetzt auch in eurer Hand. Macht etwas daraus!

Aber hütet euch vor zweifelhaften Idolen

Wenn ihr wissen wollt, warum viele Erwachsene eurer Schulschwänzerei so skeptisch gegenüberstehen, dann mag das vielleicht an folgendem liegen:

Weitaus mehr Respekt als euer aktuelles Idol, Greta Thunberg, welche ja außer Schuleschwänzen und mit einem Schildchen bewaffnet vor dem schwedischen Reichstag sitzend, bislang nicht viel Konkretes für ihr Anliegen getan hat, ringt uns Erwachsene nämlich der aus Bayern stammende Felix Finkbeiner ab (heute 22 Jahre alt). Der hat bereits 2011 eine Aufsehen erregende Rede vor den Vereinten Nationen gehalten und statt die Schule zu schwänzen ein konkretes und auch noch erfolgreiches Projekt – “Plant-for-the-Planet” – in die Welt gesetzt. 

Hört euch zunächst an, was Felix Finkbeiner in brillantem Englisch als 13Jähriger vor den Vereinten Nationen (und  – anders als Greta – damit auch an der richtigen Stelle!) zu sagen hatte. Um es vorweg zu nehmen: er forderte die Pflanzung von 1.000 Milliarden (also eine Billion) Bäumen (ein Drittel des derzeitigen, weltweiten Baumbestandes). 

Anders als Greta und ihre Schulschwänzer-Fangemeinde heute nutzte Felix seine Schule als Forum, um sein Anliegen, etwas gegen den  Klimawandel tun zu wollen, zu verkünden.

2007 bereits, als er – erst neun Jahre alt – in der vierten Klasse war, hielt er vor seiner Klasse ein Referat in welchem er vorschlug, dass Kinder in jedem Land der Welt eine Million Bäume pflanzen sollten. Er ging mit gutem Beispiel voran und pflanzte den ersten Baum zusammen mit Mitschülern an seiner Schule und gründete damit die überaus erfolgreiche, bereits erwähnte Bewegung “Plant-for-the-Planet”.

Nach nur drei Jahren (!) konnte die Bewegung Vollzug melden: Es wurden bis 2010 tatsächlich weltweit eine Million Bäume von Kindern gepflanzt. Und es ging rasant weiter. Zusammen mit anderen Organisationen und mit Unterstützung der durch Felix aufgeweckten Vereinten Nationen wurden Stand Januar 2018 bereits 1,8 Milliarden Bäume gepflanzt. Und es schlossen sich immer mehr Kinder aus immer mehr Ländern an. Weitere Organisationen, wie die Pfadfinder schlossen sich weltweit an. Ihr Ziel ist es jetzt, weltweit 1.000 Milliarden (also 1 Billion) Bäume zu pflanzen, wovon inzwischen bereits 13,64 Milliarden gepflanzt sein sollen (gemäß Baumzähler).

Versteht ihr nun, warum euer Schulstreik, in welchem ihr nur Forderungen und Vorwürfe an die Vorgenerationen verkündet, nicht dieselbe Dynamik und dieselbe Begeisterung entfalten kann wie jene, ebenfalls von Idealismus getragene Vorgehensweise von Felix Finkbeiner? Muss euch angesichts seiner Leistung euer “Friday-for-Future” nicht selbst ziemlich banal und albern im Vergleich erscheinen?

Schuleschwänzen, plärren und Schildchen hochhalten ist noch keine sooo große Anstrengung, eher ein “cooler” Event. Felix Finkbeiner aber hat mich bereits 2011 überaus beschämt, dass wir erst des Vorbildes von Kindern beduften, verloren gegangene Baumbestände wieder zu pflanzen. Die Scham öffnete schon vor Jahren auch meinen Geldbeutel und ließ mich zumindest an der Finanzierung neuer Baumsetzlinge beteiligen.

10. und letzter Appell an die Jungen heute: Wie ich eingangs erwähnte, finde ich euren Protest gut und richtig und auch wichtig. Wir Alten haben sicher noch nicht alles fürs Klima erreicht, aber wir haben vieles getan, was euch täglich satt werden lässt, was euch Frieden und Freiheit als Normalität erscheinen lässt. Dazu gehört, dass man sich rechtsstaatlich verhält und bestehende Gesetze achtet. Bislang findet ihr euren “Schulstreik” noch “cool”, aber der könnte bald ungemütlich werden. Ich denke, dass es demnächst neben Verweisen für euch auch Bußgelder für eure Eltern hageln wird. Ihr verzichtet doch für euer Anliegen – als Schadenersatz an die Eltern – dann sicher gerne auf euer Taschengeld, oder?
 

Bleibt fair, auch wenn ihr sehr idealistisch euer Anliegen verfolgt:

Ja – und ich wiederhole mich gerne – euer Protest ist richtig und wichtig. Und ja, ihr habt recht, wir und unsere Vorgänger haben viel zu wenig fürs Klima erreicht. Aber tatenlos waren wir nicht und was wir getan haben, kann sich im weltweiten Vergleich durchaus sehen lassen:
 

Wir haben inzwischen Fahrzeug- und Kaminabgase mit Katalysatoren und Rußfilter gereinigt, fahren jetzt bleifreies Benzin, wir trennen Müll und haben in öffentlichen Gebäuden das Rauchen untersagt. Häuser werden heute gegen Wärmeverlust und damit gegen sinnloses Heizen in die Atmosphäre gedämmt, wir nutzen inzwischen Energiesparlampen mit LED-Technik, schaffen wunschgemäß Atomkraftwerke ab, steigen aus der Kohleverstromung aus. Wir bauten und bauen Windkrafträder und Sonnenkraftanlagen, wir haben das an die Wand gemalte sog. Waldsterben erfolgreich abgewendet und das Ozonloch wieder geschlossen. Die Fische aus dem Rhein und anderer Flüsse sind heute wieder genießbar. Wir schreiben heute auf recyceltem Papier und mit dem Dosen- und Flaschenpfand haben wir etwas für den Wertstoffkreislauf getan. Daneben haben wir gesichert, dass ihr in Frieden, Freiheit und Wohlstand selbstbewusst aufwachsen konntet und stellten eure Bildung sicher und, dass ihr im weltweiten Vergleich ein ziemlich komfortables Leben leben könnt.

 
Seht es uns nach, wenn wir vielleicht in Sachen Umwelt nicht ganz so übersensibilisiert waren wie ihr es heute vorgebt zu sein. Vielleicht hatten wir in unserer Jugendzeit nämlich auch gar nicht so viel Anlass, über Klima und Umwelt nachzudenken? – Ich will es erklären:

 
Zu unserer Jugendzeit kaufte man Milch nicht Tertapacks, sondern mit einer Milchkanne beim Milchladen offen oder in Mehrwegflaschen im Supermarkt ein. Wir stiegen in Häusern die Treppen hinauf und hinab, weil stromfressende Fahrstühle eher selten in Wohnhäusern vorhanden waren. Wir liefen zum Supermarkt und fuhren nicht mit einer PS-starken Maschine dorthin zum Einkaufen. Wir wuschen die Windeln unserer Kinder und verwendeten keine Einmalwindeln (aus Holz und damit aus Bäumen gemacht). Wir warfen das Gewaschene nicht in einen elektrischen Wäschetrockner, der 2000 Watt Strom in der Stunde verbraucht sondern haben sie auf der Leine in Sonne und Wind getrocknet. Jaja, die Sonnen- und Windenergie zu nutzen war für uns damals ziemlich normal.

 
Die jüngeren Kinder trugen die Kleidung der älteren Geschwister auf und wir kauften nicht bei jeder Gelegenheit neue Klamotten bei H&M, KIK oder NKD, die, weil unter schrecklichen Arbeitsbedingungen in ostasiatischen Ländern zu Billigstlöhnen gefertigt, eine ziemlich üble Ökobilanz aufweisen, die in einem T-Shirt-Preis von wenigen EUR keinesfalls eingepreist sein kann.

 
Bei uns gab es – wenn überhaupt – nur einen Fernseher und ein Radio im Haus und nicht jeweils beides in jedem Zimmer. Der Fernseher hatte die Größe einer DIN-A-4-Seite und nicht die einer Kreidetafel in der Schule.

 

Wenn wir durstig waren, tranken wir aus dem Wasserhahn und nahmen nicht für jeden Schluck einen Plastikbecher. Und Mineralwasser kauften wir in Mehrwegglasflaschen und nicht in Wegwerfflaschen aus Plastik. Kaffee tranken wir aus Porzelantassen und nicht im Pappbecher als “Cafe to Go”!

 
In die Schule liefen wir – oft über mehrere Kilometer oder fuhren mit dem Rad. Dass unsere Mütter für uns einen 24-Stunden-Fahrdienst im SUV einrichten, wäre ihnen – schon mangels SUV – nie eingefallen.

 
Vielleicht waren wir nicht so sensibel in Sachen Klima und Umwelt, weil wir noch sehr viel näher an und mit der Natur lebten? Wir wussten, das Kühe nicht wirklich lilafarben sind und keine “Milka”-Aufschrift an der Seite trugen, dass Blumen nicht nur auf dem 4K-HD-Fernseher gut aussehen, sondern in der Natur noch sehr viel schöner und noch viel höher aufgelöst betrachtet werden können und zudem noch herrlich duften. Aber wir haben doch auch vieles in Sachen Umwelt zum Besseren gewendet. 

 
Mit Protest allein ist aber noch kein einziges CO2-Molekül eingespart. Euer Protest ist derzeit nicht mehr als eine Aufforderung an die Vorgängergenerationen, endlich tätig zu werden. Greta Thunberg möchte gar, dass wir in “Panik” geraten. Kein gutes, ja sogar ein ziemlich dummes Ansinnen. In Panik neigen nämlich Menschen dazu kopflos, überstürzt und reflexiv zu handeln, um dann genau das Falsche zu tun.

 
Protest alleine nimmt man auch bald nicht mehr ernst, wenn den Protestierenden durch das eigene Verhalten keine Glaubwürdigkeit anhaftet. Man möchte schon auch sehen, dass wer Forderungen an andere stellt, diese auch an sich selbst stellt. Dazu ein paar Tipps:


Das Leben ist ein Staffellauf der Generationen.

 
Jetzt seid nämlich ihr Jungen bald dran, wir geben im Staffellauf des Lebens den Stab des Handelns an euch weiter. Und – auch wenn ihr noch zur Schule geht – ihr könnt schon jetzt manches für ein Gelingen eurer Ziele, der Rettung des Planeten, tun:


Tipp 1:
Verzichtet ab sofort auf neue Smartphones, Tablets, Spielekonsolen. Sie alle werden unter enormem CO2-Ausstoß hergestellt. Die verwendeten Materalien wie Kobalt, werden in den Ländern der Dritten Welt größtenteils von Kindern in unsicheren Minen abgebaut. Denkt immer daran, wenn eure Augen mal wieder beim Prüfen euer Instagram-, Twitter-, Facebook- oder WhatsApp-Accounts versunken sind, welch ein umweltschädliches Teil ihr gerade in den Händen haltet.
 

Habt ihr schon einmal ausgerechnet, wie viel Strom diese mindestens 300.000.000 nur in Deutschland betriebenen Geräte beim Betrieb oder Wiederaufladen fressen?
 
Diese 300 Mio. Geräte kosten im Durchschnitt etwa 400 EUR. Stellt euch vor, diese wären nie gekauft worden. Damit alleine hätten die Nichtkäufer 120 Milliarden EUR für Entwicklungshilfe spenden können, ohne ihren Lebensstandard einschränken zu müssen. Und dann stellt euch diese Verzichtsaktion einmal weltweit vor!
 
Gewissensfrage: Werdet ihr künftig auf solche Geräte verzichten? Denn wirklich: Demos kann man sicher auch ohne WhatsApp und Co. organisieren!
 

Bedenkt dabei auch: rund 25% des weltweit aktuellen Energieverbrauchs frisst alleine die technische Infrastruktur des Internets und wird als Wärmeemission zudem an die Atmosphäre abgegeben. In jedem Server des Netzes stecken auch die Bauteile, deren Herstellung wiederum enorme Mengen an CO2 verursachen.


Tipp 2:
Geht wieder zu Fuß in die Schule und verzichtet, auf Urlaubsreisen in Flugzeugen und auf Schiffen. Zahlt lieber den höheren Preis der Bundesbahn und verzichtet auf den billigen Flixbus, der mit Diesel fährt. Denn es sind hauptsächlich junge Leute, welche den billigen Linienbusdienst in Anspruch nehmen.


Tipp 3:
Statt teurer Markenklamotten aus Fernost, tragt preiswerte Jeans und Schuhe aus heimischer Fertigung. Die müssen nicht erst um den halben Globus transportiert werden. Aber bedenkt dabei auch, dass in Fernost dann Menschen arbeitslos werden könnten.


Tipp 4:
Verzichtet auf Burger, Currywurst und Pommes, die sind erstens ungesund und die Fleischauflage stammt von Rindern und Schweinen, welche das klimaschädliche Methan in Massen von sich geben. – Ein Drittel eurer Generation ist ohnehin schon viel zu dick.


Tipp 5:
Redet den Graffiti-Kameraden unter euch ins Gewissen. Unabhängig vom mangelnden Respekt vor fremden Eigentum: Für die Reinigung der Wände und Wagons öffentlicher Verkehrsmittel von den “tags” müssen Substanzen, welche die Atemluft und damit die Atmosphäre stark belasten, verwendet werden. Gleiches gilt, wenn ihr öffentliche Verkehrsmittel benutzt: Legt nicht die beschuhten Füße auf die Sitze, auch diese müssen mit Chemikalien wieder gereinigt werden.


Tipp 6:
Und wenn ihr freitags demonstriert: Nehmt bitte euer Demomaterial auch wieder mit nach Hause und verunstaltet damit nicht den öffentlichen Raum rund um die städtischen Müllbehälter. Euer Müll wird nämlich von der kommunalen Müllabfuhr beseitigt und diese Müllfahrzeuge fahren mit Diesel. 


Tipp 7:
Gleiches empfehle ich euch, wenn ihr Open-Air-Konzerte besucht. Habt ihr schon mal gesehen, wie viel Plastik- und anderen Müll Musikfans eurer Generation nach jedem Event zurücklassen? Ich habe das zweifelhafte Vergnügen, mir nach dem jährlichen “Rock im Park”-Event in Nürnberg rund um den Veranstaltungsraum die Parkanlagen betrachten zu dürfen. Da sind viele unter euch, die es im Persönlichen offenbar nicht so ernst mit dem Umweltschutz nehmen. – Der Müll wird wiederum von der städtischen Müllabfuhr beseitigt und in der Müllverbrennung (!) vernichtet.


Wichtigster Tipp 8 zum Schluss:
Wenn ihr wirklich etwas ganz Konkretes für das Weltklima tun wollt, überzeugt eure Greta Thunberg, dass vom Sitzen vor dem schwedischen Reichstag alleine nicht ein Mikrogramm klimaschädlicher Stoffe aus der Atmosphäre verschwindet. Überzeugt sie, bei “Plant-for-the-Planet” mitzumachen. Und wenn ihr da alle mitmacht, dann nützt das dem Weltklima weit mehr als euer Krakelen freitags zur Schulzeit. Welcher Erwachsene möchte eurer wirkliches Engagement für das Klima dann noch skeptisch betrachten? – Denn es gibt nichts Gutes, außer man tut es!

Verzeiht, wenn Euch meine Anregungen vielleicht etwas arg paternalistisch vorkommen, aber aus eurer Sicht bin ich ein alter Mann. Aber nur wenn wir die Lebenserfahrung der Alten und den Idealismus der Jungen zusammenbringen und uns nicht von den politischen Spaltern, die nur instrumentalisieren wollen, polarisieren lassen, haben wir eine Chance, auf diesem Planeten etwas zu erreichen, was uns überleben lässt. Dabei sollten wir  uns bewusst halten:

Wir können tatsächlich die Lebensgrundlagen unseres Planeten – und damit uns selbst – vernichten. Aber der Planet hat bereits viele Klimakatastrophen überstanden. Er wird auch das Menschenzeitalter überstehen. Vielleicht zunächst arg ramponiert, aber die  gute alte Erde wird sich – ohne störende Menschen – bald wieder erholen. Da bin ich mir ziemlich sicher.

Foto: pixabay Creative Commons CC0


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