Merkel züchtete, die SPD lieferte den Humus

Autor: Kurt O. Wörl

2010 gab es eine denkwürdige Talkrunde bei “Maybrit Illner”. Thema war u.a. die anfangs der 2000er Jahre unter Kanzler Gerhard Schröder von der SPD und den Grünen eingeführte “HARTZ-IV-Reform” des deutschen Sozialhilfesystems.

Gast in der Sendung waren neben Ursula von der Leyen, damals noch Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Jürgen Trittin, zu dem Zeitpunkt noch einer der beiden Vorsitzenden von B90/GRÜNE, Ulrich Schneider vom Paritätischen Wohlfahrtsverband, der etwas schnöselige, arbeitsmarktpolitische Sprecher der FDP, Johannes Vogel und Hans-Jürgen Czentarra, ein beeindruckender Langzeitarbeitsloser aus Erfurt, der wütend und trotzdem noch erstaunlich sachlich, der Talkrunde sehr markante Worte ins Stammbuch schrieb. Ich empfehle vor dem Weiterlesen sich zunächst knapp fünf Minuten Zeit zu nehmen und genau zuzuhören, was der Mann der Talkrunde zu sagen hatte:

Haben Sie die betretenen Gesichter der drei Politiker beobachtet?

Nochmal zur Erinnerung an das Gehörte oben. Czentarra sagte (2010!):

[…]”Es wird folgendes passieren: Durch Hartz IV werden die Löhne in den Keller sinken. Genau das ist passiert! Dann ist die Büchse der Pandora noch geöffnet worden, indem nämlich die rot-grüne Regierung damals noch die Leiharbeit eingeführt hat. […] Da gibt es andere Menschen (Anm: die HARTZ IV einführt haben) die heute sogar in Vorständen von Leihfirmen sitzen und davon richtig Geld verdienen. […]

So, und jetzt wird eines gemacht, jetzt werden HARTZ-IV-Empfänger gegen die Leute, die ausgebeutet werden, die nämlich den ganzen Tag acht Stunden arbeiten gehen und dann noch auf’s Amt müssen und sich ausziehen müssen, das ist unmenschlich und nicht in Ordnung und das muss geändert werden. Und die darf man nicht gegeneinander ausspielen. Hier werden HARTZ-IV-Empfänger gegen Billiglöhner ausgespielt.

Sie (Anm: Maybrit Illner) haben mal in der vorletzten Sendung Herrn Gabriel (Anm: Siegmar Gabriel) hier am runden Tisch und da haben Sie eine wunderbare Frage gestellt: ‘Finden Sie das gut, dass Leute die in Lohn sind auf die Billiglöhner schimpfen, weil sie ihnen die Arbeitsplätze wegnehmen, dass die Billiglöhner auf die HARTZ-IV-Empfänger schimpfen und dass die HARTZ-VI-Empfänger auf die Ausländer schimpfen?’

Und jetzt haben wir nämlich auch die Problematik, die auch, wo wir unwahrscheinlich aufpassen müssen, die Rechtsentwicklung, die sich bei uns entwickelt, gerade bei uns im Osten ist es ganz schlimm mit Rechten.[…] Und den Leuten ist das in den sechs Jahren (Anm: seit Einführung von HARTZ IV) erklärt worden, ‘seid froh, dass ihr noch ‘nen Arbeitsplatz habt und habt Angst vor HARTZ IV. Und sie hatten Angst vor HARTZ IV. […]”

Vor allem der letzte Absatz seines Beitrags war wirklich prophetisch. Versetzen wir uns in das Jahr der Sendung 2010, vor acht Jahren also, zurück:

Rückblick

Zu dem Zeitpunkt gab es weder die die AfD (gegründet 2013) noch die “besorgten Bürger” der Pegida-Bewegung (Gründung 2014). Und es gab auch noch keinen extremen, massenhaften Migrationsdruck nach Deutschland, der folgte erst im Herbst 2015.

Wenn wir uns heute also fragen, warum die SPD ihren Status als Volkspartei verloren hat, warum die AfD für den Sumpf rechtsaußen interessant wurde und heute in Umfragen gleichauf mit der SPD liegt, dann hat, meine ich, Czentarra mit seinem Beitrag erschöpfend und sehr richtig Auskunft gegeben.

Der Niedergang der SPD sollte deshalb eigentlich niemanden mehr verwundern. Ihr vor allem wird – und das zurecht – die Demontage des Sozialstaates (der übrigens im Grundgesetz fest verankert ist) angelastet. Die “Partei der kleinen Leute”, als welche die SPD immer galt und sich hier auch lange auf Lorbeeren ausruhen konnte, hat die kleinen Leute schlicht verraten – und das nicht zu erste Mal. Vor 104 Jahren, am 2. August 2014, stimmte die SPD-Fraktion im Reichstag geschlossen für die Kriegskredite, die erst die totale Mobilmachung und die Kriegserklärung an Russland ermöglichte. Damals schallte es den Sozies vom “linken” Flügel der eigenen Partei und von den Gewerkschaften entgegen: “Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!” 

Es ist einfach so: Die Spaltung der Gesellschaft heute ist nicht in erster Linie der AfD anzulasten. Die Spaltung fand weit vor der Gründung der AfD statt, denn sie ist das Ergebnis vor allem rot-grüner Sozialpolitik um die Jahrtausendwende.

Die verpasste Chance 2017 

Anfangs 2017 gab es für die SPD ein kleines Zeitfenster, in welchem sie das Ruder noch hätte herumreißen können, nämlich als Martin Schulz mit denkwürdigen 100% von den Delegierten des Bundesparteitages zum neuen Vorsitzenden der SPD gewählt wurde. In den Umfragen schnellte die SPD katapultartig nach oben und Schulz hätte nur wenige Worte benötigt, um diesen Trend zu entsprechen und ihn zu stützen. Er hätte nicht einmal eine flammende Rede halten müssen, sondern ohne zu zögern nur in wenigen Worten eine neue Programmatik verbindlich versprechen und offensichtliche Fehler offen eingestehen müssen, wie ich es eigentlich auch erwartet hätte. So in etwa hätte ich an Schulz’ Stelle mein erstes öffentliches Statement nach der Wahl abgegeben:

“Wir haben verstanden! HARTZ IV, die überzogene Einführung von Leih- und Zeitarbeit und der damit verbundene Sozialabbau unter unserer Verantwortung waren gewaltige Fehler. WIR haben das getan, nicht etwa die Neoliberalen in Union und FDP. WIR haben die Grundlage geschaffen, dass die von UNS Abgehängten, die Ärmsten im Lande, jetzt auch noch mit den Geflüchteten aus Syrien und anderen Ländern zusätzlich um einfache Arbeitsplätze und Sozialwohnungen in Konkurrenz stehen.

Wir haben unsere Fehler erkannt und wir werden diese Fehler wieder bereinigen. Das garantiere ich jetzt schon. Wir werden das tun, was dem wirtschaftlich stärksten Land alleine würdig ist. Wir werden das in Deutschland zum Schimpfwort verkommene Ideal, ein Wohlfahrtsstaat im Sinne Ludwig Erhards (Anm: “Wohlstand für alle!”), zeitnah wieder errichten.

Dass es einen Abstand zwischen Lohnempfängern und Leistungsbeziehern geben muss, ist wohl unvermeidbar, doch diesen Abstand kann man auf zweierlei Weise sicherstellen: Man kann es machen, wie wir es dummerweise und fälschlich gemacht haben, nämlich die Sozialleistungen kürzen und damit in einem Dominoeffekt auch die Löhne einbrechen lassen. Man kann den Abstand aber auch durch deutliche Anhebung aller Einkommen, vom ALG II, über den Mindestlohns und der Löhne insgesamt herstellen.

Wir haben zu unserer Schande aus dem reichsten Land Europas ein Billiglohnland gemacht. Unser gewaltiger Außenhandelsüberschuss beruht vor allem auf den durch unser Handeln erreichten Dumpingvorteil. Also ist auch auf allen Ebenen deutlich Luft nach oben. Diesen Spielraum werden wir nutzen. Das wird auch unsere Außenhandelsbilanz wieder auf ein Normalmaß bringen und durch eine erhöhte Binnennachfrage auch wieder ausgleichen.

Es ist schon dem Amtseid aller Regierenden geschuldet, das Wohl der Bevölkerung stetig zu fördern und der klaffenden Schere zwischen Arm und Reich entgegen zu treten. Das reichste Land in Europa muss auch den höchsten Mindestlohn bezahlen. Das reichste Land in Europa muss auch das höchste Rentenniveau haben und das reichste Land Europas muss auch das beste Bildungssystem haben und die Reichsten unseres Landes müssen wieder mehr zum Wohl der gesamten Gesellschaft in die Pflicht genommen werden, von mir aus auch nur aus patriotischen Gründen, aus Liebe zur Heimat, wenn Vernunft als Grund alleine nicht genügt. Es kann nicht sein, dass ausgerechnet Deutschland im Sozialwesen nur einen mittleren Platz einnimmt. Unser künftiges Wahlprogramm wird wieder ein 100% sozialdemokratisches sein. Das mit Euch durchzusetzen, dazu  fühle ich mich durch eure einstimmige Wahl auch zutiefst verpflichtet und motiviert. Und ich will, dass links neben uns in den Parlamenten bald keine weitere linke Partei mehr Sitze belegen kann.”

So hätte ich gesprochen, aber ich bin weder SPD-Vorsitzender noch Martin Schulz.

Notabene: Zum Thema Mindestlohn gibt es eine interessante Statistik vom Januar 2018, aus der hervorgeht, dass das reichste Land Europas, Deutschland, tatsächlich nur einen mittleren Platz beim Mindestlohn einnimmt:

Gesetzlicher Mindestlohn pro Stunde in der EU

Fehler über Fehler

Und dann hätten die Medien eigentlich allwöchentlich mit ganz konkreten Vorhaben und Beschlüssen in dieser Richtung gefüttert werden müssen. Die Öffentlichkeit hätte in Echtzeit vom Werden des wirklich sozialdemokratischen, neuen Wahlprogramms informiert werden müssen. Dann – und nur dann – hätte die SPD einen neuen Höhenflug erwarten können.

Doch das genaue Gegenteil geschah. Zögerlich wurden nur marginale Fehler am Sozialabbau als “korrekturbedürftig” eingeräumt. Viel zu vage fiel das Wahlprogramm der SPD aus, viel zu spät wurde es öffentlich bekannt. Statt die Tagesthemen zu beherrschen, schwieg man sich aus und überließ die Themensetzung der AfD. Man stand mehr auf der Bremse als auf dem Gaspedal.

Statt dass nach Schulz’ grandioser 100%-Wahl zum Bundesvorsitzenden nun ein tolles, werdendes Wahlprogramm die Medien beherrscht musste Schulz nach Landtagswahlen zunächst eine Wahlniederlage nach der anderen mit bitterer Miene kommentieren: am 07.05.2017 die Niederlage in Schleswig-Holstein und nur eine Woche später jene ausgerechnet im Stammland der SPD, in Nordrhein-Westfalen. Warum er in NRW im Wahlkampf auch noch untergetaucht war (immerhin lebt er in Würselen in NRW), ist schlichtweg schleierhaft. Immerhin durfte er am 15.10.2017 dann doch wenigstes einen kleinen Lichtblick kommentieren, nämlich die gewonnene Wahl in Niedersachsen. Doof nur, dass die eben erst nach den Bundestagswahlen stattfand und auf die Bundestagswahlen nicht mehr strahlen konnte.

Doch Schulz wäre nicht Schulz, wenn er nicht auch den kleinsten Erfolg wieder mit dem Hintern einreißen würde. So wurden Schulz und die SPD schließlich auch noch wortbrüchig und ging nach dem Scheitern der versuchten “Jamaika-Koalition” gegen die eherne und kategorisch vorgetragene Aussage, keinesfalls eine neue GroKo einzugehen doch erneut wieder eine solche mit der Union ein, ermöglichten es Angela Merkel so, noch einmal vier Jahre das Land mit Stillstand und Aussitzen zu demolieren.

Und wenn man in der SPD schon Mist baut, dann aber auch richtig: Obwohl es Martin Schulz vor Journalisten öffentlich kategorisch ausgeschlossen hat, je als Minister in ein Kabinett unter Angela Merkel einzutreten, machte er plötzlich geltend, doch Außenminister und Vizekanzler im neuen Kabinett werden zu wollen. Dümmer geht’s wirklich nimmer!

Mister 100% war daraufhin zurecht nach nur einem Jahr als SPD-Vorsitzender Geschichte und Andrea Nahles löste ihn ab. Die will zwar die SPD jetzt “runderneuern” (fraglich wie das in Regierungsverantwortung im Rahmen eines Koalitionsvertrages gehen soll), aber, dass sie auch die Politik der SPD erneuern möchte, hat sie nicht gesagt. Insofern sind die erbärmlichen 17% für die SPD in den aktuellen Umfragen also auch völlig angemessen und mehr als gerecht. Zumindest kann man beobachten, dass sie wirklich Energie investiert. 

Die Rolle der Günen

Dass die “Grünen”, obwohl für das HARTZ-IV-Desaster mitverantwortlich, bei Wahlen und Umfragen nicht genau wie die SPD abgewatscht wurden und werden, ist nachvollziehbar und verwundert nicht. Die “Grünen” sind die Partei des fetten Bürgertums, im Wesentlichen eine Partei wohlhabender, gut verdienender Intellektueller, kurz eine Beamten- und Lehrerpartei. Das Wählerklientel der “Grünen” ist vom Sozialabbau im Wesentlichen gar nicht betroffen.

Sie ist auch längst keine “linke” Partei mehr, sondern im Kern stockkonservativ strukturiert. Das – zugegeben gekonnt – aufrecht erhaltene “linke” Image ist nur noch Mogelpackung und wird auch nur noch vom “grünen” MultiKulti-, Minderheiten- und Genderismus- und Feminismuswahn gestützt. Für die Benachteiligten in der Gesellschaft haben sie nicht wirklich Essenzielles im Programm. Auch deshalb fallen den “Grünen” inzwischen offenbar Koalitionsverhandlungen mit der Union sehr viel leichter als der FDP, zumal eine solche in Baden-Würtemberg bestens funktioniert. Es ist unübersehbar, wie sehr sie doch nur zugerne mit der Union regieren möchten.

“Grüne” gehen allenfalls noch als Salonlinke durch, die noch ab und zu ein bisschen “links” daherreden aber meist ein ziemlich spießiges, “rechts”-bürgerliches Leben, bevorzugt in gentrifizierten, teuren Stadtvierteln mit viel Bio, führen, in welchen sie doch eher selten mit den Opfern ihrer eigenen Sozialpolitik in Berührung kommt.

Angela Merkels Homunkulus: die AfD

Die Anfänge

Die AfD hingegen ist eine Züchtung der großen Koalition unter Angela Merkel, prächtig gedeihend auf dem von der SPD aufbereiteten Humusboden der Marke HARTZ IV. Dass diese neue, inzwischen zur Rechtsaußenpartei degenerierte Partei heute mit zweistelligen Wahl- und Umfrageergebnissen aufwarten kann, geht zur Gänze auf das Konto der Kanzlerin. Inzwischen liegt die AfD in Umfragen mit 17% mit der SPD gleichauf. Man darf also fragen: Hat nun eigentlich die SPD ihren Charakter als Volkspartei eingebüßt oder ist die AfD eine neue Volkspartei? Man kann dieser Frage kaum mehr ausweichen.

Um das AfD-Phänomen zu verstehen, muss man sich die Anfänge dieser Partei genauer ansehen:

Die “Alternative für Deutschland”, kurz AfD, wurde 2013 von unzufriedenen Konservativen, hauptsächlich ehemalige CDUler, gegründet. Leute, die in der sich unter Angela Merkel zunehmend sozialdemokratisierenden CDU keine politische Heimat mehr hatten. Es waren im wesentlichen EURO-skeptische, durchaus honorige Liberal-Konservative um Bernd Lucke, die mit der AfD sich eine neue politische Parteiplattform, eben eine Alternative zur Union, schaffen wollten.

Die ersten Parteiprogramme der AfD hätten auch von der FDP oder von der bayer. CSU stammen können. Im Wesentlichen waren das “neoliberale” Zielvorstellungen, durchwegs gegen die Sozialstaatlichkeit gerichtet. Hauptsächlich war die AfD aber eine Reaktion auf den Finanzcrash 2008, auf die folgende Banken- EURO- und Griechenlandrettung zu Lasten heutiger und künftiger Steuerzahler. Für “kleine Leute” hatte die AfD nie etwas im Gepäck. Im Gegenteil forciert die AfD bis heute programmatisch einen weiteren Sozialabbau. Sie haben noch nicht einmal ein Rentenkonzept im Programm stehen.

Die liberal-konservativen Ziele der AfD wurden 2014 mit dem Erscheinen der Pegida-Bewegung (“Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes”) zunehmend auf den Kopf gestellt. Gegen Luckes Mahnungen und Widerstand öffneten die Rechts-Nationalen um Alexander Gauland und Björn Höcke die Partei für national-völkische Kräfte, weil man sich von “rechts-außen” weitere Schubkraft für die Partei erhoffte. Zunächst noch nicht sonderlich erfolgreich. Die Partei dümpelte trotz Rechtsruck immer am Rande der 5%-Klausel herum.

Angela Merkel: “Wir schaffen das!”

Das änderte sich, als Angela Merkel gegen europäisches und deutsches Recht (gegen Schengen- und Dublin-Abkommen und nationale Grenzübertrittsregeln), ohne vorherige Absprache mit den europäischen Nachbarn, die Schleusen öffnete. Als sie Hundertausende Flüchtlinge (vorwiegend junge Männer, wenige Frauen und Kinder) unkontrolliert, bei totalem Kontrollverlust, einreisen ließ und vor allem die Bayer. Staatsregierung vor enorme Herausforderungen stellte, da die Menschenmassen vor allem zunächst aus Österreich kommend nach Bayern einreisten. Bei der Beurteilung des Crashs zwischen Merkel und Horst Seehofer, sollte man auch die Bilder von bayerischen Bahnhöfen, mit von “linken” Gruppen inszenierten “Refugees welcome”-Aktionen im Kopf haben, um sie zu verstehen. Kein anderes Bundesland war so sehr betroffen wie Bayern (neben Österreich).

Hernach – “wie klug!” stellte sich Merkel einigen Migranten auch noch für Selfies zur Verfügung stellte, die wie eine Einladung an alle Bedrückten rund um die Welt gingen.

Stoisch und gegen alle Vernunft und Kritik gab sie in der Folge immer nur einen einzigen Satz, ohne eigentliche Rechtfertigung, von sich: “Wir schaffen das!” Die Kanzlerin zündete mit ihrem in Europa nicht abgesprochenen Alleingang den ersten Wirkbeschleuniger für den Aufstieg der AfD.

Die Silvesternacht 2015/2016

Einen weiteren Schub erfuhr die Erfolgsgeschichte der AfD mit der denkwürdigen Silvesternacht 2015/2016 in Köln, als es auf der Domplatte, vor dem Kölner Hauptbahnhof, zu massenhaften sexuellen Übergriffen auf Frauen, Diebstählen und Raubhandlungen durch junge nordafrikanische Männer kam, welche überwiegend keinen legale Aufenthaltstitel in Deutschland hatten. Dass die Kölner Polizei am Neujahrstag dann auch noch völlig frei erfunden von einer “ruhigen Silvesternacht ohne besondere Vorkommnisse” sprach, die Leitmedien über mehrere Tage hinweg die Vorfälle schlicht verschwiegen, weder darüber berichteten noch sie kommentiertem, wirkte dann für die AfD wie ein zusätzlicher Nachbrenner im Düsenjäger.

Seither braucht sich die AfD um ein gutes Wahlprogramm keine Gedanken mehr zu machen. Es genügt, wenn sich die Partei auf die Themen Asyl. Migranten und Islam beschränkt.

Das Programm der AfD interessiert keine Sau

Doch damit nicht genug. Die Analysen zur Bundestagswahl im Herbst 2017 brachten Erstaunliches hervor: Demoskopen stellte in Umfragen fest, dass 70% der AfD-Wähler die Partei gar nicht wegen ihres Programms und auch nicht wegen ihrer fremdenfeindlichen Positionen wählten. Beides war den meisten völlig schnuppe. Nein, sie wählten die AfD, weil sie damit den etablierten Parteien, besonders SPD und CDU, wirkungsvolle Denkzettel verpassen konnten. Die Überlegung für diese Wähler ist simpel:

Für jeden AfDler, der neu ins Parlament kommt, muss ein Abgeordneter anderer Parteien dasselbe verlassen. Und wenn Abgeordnete und ihre Existenz direkt betroffen sind, zeigt das stets mehr Wirkung in den etablierten Parteien als jeder Protest auf der Straße und jeder Appell an die Vernunft.

Größter Aderlass bei der “LINKEN”

Ausgerechnet viele einfache Menschen, jene eben, welche von der SPD aufgegeben und mit HARTZ IV verraten wurden, wählten nicht etwa aus Protest die “LINKE”, wie man hätte erwarten können, sondern eben die AfD. Mehr noch: bei der Analyse der Wählerwanderung wurde festgestellt, dass gerade die “LINKE” einen besonders starken Aderlass hin zur AfD zu verzeichnen hatte. Warum ist nicht ganz klar, aber möglicherweise wegen deren “Grenzen-auf-für-alle-Haltung” oder weil Sahra Wagenknecht nicht wirklich erkennbar Regierungsbeteiligung auf Bundesebene anstrebt (nur mein Eindruck).

AfD mobilisiert Nichtwähler

Außerdem mobilisierte die AfD außergewöhnlich viele ehemalige Nichtwähler, die aus Frust darüber, mit ihrer Stimme doch nichts ändern zu können, egal, welcher etablierten Partei sie ihre Stimme geben, schon lange nicht mehr zur Wahlurne gegangen waren und nun mit der neuen Kraft am Markte, der AfD, neue Hoffnung auf Veränderung schöpften. Viele gaben bei den Befragungen auch an, dass nur eine starke AfD die beste Chance bieten kann, Angela Merkel endlich aus dem Kanzleramt zu entfernen.

Verrückt! früher sorgte man sich um zu geringe Wahlbeteiligung, der Demokratie willen, heute fürchten sich die Etablierten vor hohen Wahlbeteiligungen. Doch es gibt einen Ausweg:

Mehr Politik für die Bevölkerung, weniger Engagement für Lobbyisten. Dann kann die AfD wieder getrost zu einer unschönen Randnotiz der deutschen Geschichte verkümmern. Mit Angela Merkel allerdings, wird das nicht klappen.

Medien und AfD

Ich habe sie schon noch im Kopf, die wie von Besoffenen verfassten Schlagzeilen, überwiegend im Sinne von “Refugees welcome”. Ich will den Journalisten noch nicht einmal üble Absichten unterstellen. Vielleicht erkannten sie, wie brandgefährlich sich die Lage zuspitzte und wollten so einen Beitrag für ein erträgliches, öffentliches Klima schaffen. Egal welche Motivation dahintersteckte, es ging jedenfalls massiv in die Hose. Die Medien gaben der AfD und den Pegidisten nur alle Werkzeuge in die Hand, ab sofort die Medien als “Lügenpresse” zu beschimpfen. Nun gut, nach der bereits erwähnten Silvesternacht wurde auch die besoffene Berichterstattung hierzulande wieder etwas sachlicher und realistischer. 

Doch ist das Kind schon in den Brunnen gefallen und die Leitmedien tun immer noch viel zu wenig, ihre Glaubwürdigkeit wieder herzustellen (sie lag in der relevanten Zeit auch für die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei weit unter 40%. Nach einer neuen Studie, die der WDR bei “infratest” kürzlich vorstellte, soll die Glaubwürdigkeit deutscher Medien inzwischen wieder bei 52% liegen, aber das ist halt keine wirklich neutrale Studie, wenn sie der WDR bezahlt, der selbst ein Interesse an guten Ergebnissen haben muss. Ich denke eher, sie wird noch deutlich unter 50% liegen. Viele Menschen informieren sich weiterhin aus ungeprüften Quellen im Internet und besonders viele AfD-Affine beim russischen Propaganda-Medium “RT-aktuell”. Und wenn ich ganz ehrlich bin, in die “Neue Züricher Zeitung” habe auch ich immer noch weitaus mehr Vertrauen, als zu deutschen Blättern.

Die Dänen hatten dasselbe Problem, auch in Dänemark war die Glaubwürdigkeit der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten infolge einseitiger Berichterstattung des DR im Keller. Aber der DR kann sich heute wieder einer stabile Glaubwürdigkeit freuen und zwar deshalb, weil der Intendant schonungslos analysiert und durchgegriffen hat. Ich habe darüber schon in anderen Beiträgen berichtet, z.B. im Dezember 2016 hier: 

Politik und Medien stecken in der Krise

 

Abschließend: Wie der DR aus seinem Tief herauskam? Ein erstaunlich selten selbstkritisches Medien-Magazin, nämlich ZAPP berichtete bereits im Februar 2016 darüber. Wenn man zwischen den Zeilen genau hinhört, hört man von den ebenfalls interviewten, deutschen Jorunalisten zwischen den Zeilen nach wie vor eine eher trotzige “Weiterso-Argumenation” heraus. Nur wissen es die Dänen inzwischen besser. 30 Minuten, die sich wirklich lohnen:

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