Bayern ist Deutschland – und umgekehrt

Autor: Kurt O. Wörl

Frankreich hat’s leicht. Frankreich ist ein Zentralstaat ohne Bundesländer. Um einen Franzosen der Jetztzeit im Ausland zu karikieren genügt ein Männchen mit spitz zulaufendem Oberlippenbart, Baskenmütze oder wahlweise einer phrygischen Mütze (Jakobinermütze), vielleicht noch eine Flasche Wein in der linken und ein Baguette in der rechten Hand und fertig ist der Franzose. Diese Stereotype passt im ganzen gallischen Fünferland. Gut, bei den Bretonen muss man da ein bisschen aufpassen.

Aber wie karikiert man eigentlich Deutsche heute im Ausland?

Ja, früher war das leichter: preußische Pickelhaube, wahlweise, wenn es besonders weh tun soll, eine schwarze SS-Uniform mit Hakenkreuz am Ärmel oder ein fieses Gesicht mit Kartoffelnase unterm deutschen Stahlhelm, vielleicht noch den Deutschen Michel mit Schlafmütze und Kerze in der Hand (weil wir alle Revolutionen in der Vergangenheit verschlafen haben; aber den Hintergrund kennt im Ausland ja fast keiner und wird auch eher im Inland verwendet) und fertig war der typisch Deutsche.

Aber heute? Welche Stereotypen wählt man heute im Ausland für uns, um uns in Karikaturen eindeutig als Deutsche zu identifizieren, ohne auf unsere unrühmliche Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu verweisen? – Na gut, ich fand Angela Merkel schon als in Leder gedresste Domina, Peitsche schwingend die Südeuropäer züchtigen, aber da wird eher die deutsche Dominanz in der Wirtschaftspolitik als “der Deutsche schechthin” persifliert.

Ich habe mich ein bisschen umgesehen in ausländischen Online-Medien und kam zu einer überraschenden Feststellung: Wenn auf typisch deutsche Stereotypen gesetzt wird, dann werden da fast durchgehend nur bayerische Stereotypen verwendet: Hut mit Gamsbart, Lederhose, dicker Bauch, Maßkrug mit überschäumendem Bier, Brezl oder Frauen von feistem Körperbau, in Dirndln mit atemberaubend überquellender Oberweite im gewagtem Ausschnitt, manchmal gefolgt von zwei schielenden Kindern, ebenfalls in Lederhose und Dirndl.

Aber so überraschend ist das eigentlich gar nicht. Denn: mal Hand aufs Herz, wie würde man einen Niedersachsen, einen Westfalen, Mecklenburg-Vorpommerer, einen Brandenburger, einen Saarländer oder Pfälzer, einen Hessen oder Thüringer, gar Bremer oder Hamburger und Sachsen-Anhalter im Ausland denn darstellen wollen – außer auf die o.g. preußischen Stereotypen der Vergangenheit zurückzugreifen? 

Baden Württemberg bietet zumindest mit dem Schwarzwälder Bollenhut der Frauen (der mit den roten Bollen) noch einen Ansatz, aber was wäre das typische Outfit eines typischen männlichen Baden-Württembergers?

Es ist jedenfalls erstaunlich, dass Deutschland im Ausland offenbar vor allem mit Bayern gleich gesetzt wird. – Mir soll’s recht sein, irgendwo stimmst ja auch – wenn man den wirtschaftlichen Erfolg und die demokratischste, mit Plebiszit ausgestattete Verfassung nach vorne stellt, haben die “Saupreiß’n” nicht allzu viel zu bieten. Die haben ja noch nicht einmal eine CSU! 

Nicht überzeugt? Dann geben Sie in der Google-Bildersuche nacheinander folgende Begriffe ein (am besten per Copy&Paste) – um es nur in den verbreitetsten Sprachen zu versuchen. Nicht probieren sollte man es in Arabisch, Hebräisch oder Türkisch. Da bekommt man nur Unfreundliches zu sehen.

  • Cartoon Germany (Englisch),
  • Cartoon Allemagne (Französisch),
  • Dibujos animados Alemania (Spanisch),
  • Alemanha dos desenhos animados (Portugiesisch),
  • 卡通德國 (Chinesisch),
  • การ์ตูนเยอรมนี (Thai).
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