Kapitän spricht aus dem Nähkasterl

Autor: Kurt O. Wörl

Anlässlich der Beendigung seiner Zusammenarbeit mit “Mission-Lifeline” war gestern Ex-Lifeline-Kapitän Claus-Peter Reisch zu Gast bei Markus Lanz. Reisch ist – neben Carola Rackete – sicher der bekannteste Seenothelfer aus Deutschland.

Wie bereits vorher in einem Interview mit der “Zeit” erklärte er gestern, dass er sich von “Mission Lifeline” getrennt habe, weil ihm Vieles an der Organisation zu linksradikal wurde. – Eben erst in einem Revisionsverfahren auf Malta freigesprochen, habe er aber noch einen letzten Gruß aus der Amtszeit Matteo Salvinis (Ex-Innenminister Italiens) zu Hause vorliegen, nämlich einen Bußgeldbescheid über 300.000 EUR. Hier laufe allerdings noch das von seinen Anwälten gewählte Einspruchsverfahren, der Ausgang ist also noch ungewiss.

Während Carola Rackete sich in linksextremen Kreisen offenbar sehr wohl fühlt (aktuell “hilft” sie beim “Klimaretten”) und ihre eigene Radikalität bereits unter Beweis gestellt hat, durch widerrechtliches Eindringen mit ihrem Schiff in einen für sie gesperrten Hafen, plus vorsätzlichen Rammens eines Polizeibootes vor laufenden Kameras, verortet sich Reisch nach eigenem Bekunden bei der bürgerlichen Mitte der Vernunft und hält nichts von Radikalität.

Statt Politiker – wie aus linksextremen Kreisen üblich – in der Person zu diffamieren, suche er lieber das Gespräch mit Politikern, wolle sie mit Argumenten überzeugen, sie also ins Boot holen. Zum Beispiel habe ein für eine Stunde geplantes Gespräch mit Innenminister Horst Seehofer dann doch zwei Stunden gedauert und Seehofer habe eingeräumt, dass er nach dem Gespräch einige Aspekte an der zivilen Seenotrettung nun etwas anders sehe.

Wenn sich andere Lifeline-Aktivisten stattdessen über Twitter zu diffamierenden Herabwürdigungen von Politikern hinreißen lassen, wie etwa ggü. dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz, der als “Baby-Hitler” beschimpft wurde, dann wolle er, Reisch, damit nichts zu tun haben. Er wolle sich seine Reputation von Extremisten nicht ruinieren lassen.

Nicht gelten lässt Reisch das Argument, dass bisher im Mittelmeer umso mehr Menschen ertrunken seien, je mehr Seenotrettung betrieben wurde. Doch da irrt sich Reisch in der Tat, denn bei allem was man gegen Matteo Salvini vorbringen kann: Nachweislich waren in der Zeit, als Italiens Häfen für die privaten “Seenotretter” geschlossen waren, kaum noch seeuntüchtige Boote unterwegs, ertranken kaum noch Menschen im Mittelmeer. Als die Häfen in der Nach-Salvini-Zeit wieder geöffnet waren, wurden von der libyschen Küste wieder verstärkt überfüllte Schlauchboote – hergestellt in China – losgeschickt und es gab wieder Tote. – Eine ganz ähnliche Erfahrung machte übrigens vor Jahren Australien, als von der Regierung offen und international kommuniziert wurde, in internationalen Gewässern nicht mehr nach Flüchtlingsbooten zu suchen. – Die Sogwirkung kann nicht mehr bestritten werden und auch nicht, dass die privaten Seenotretter letztlich zu Vertragserfüllern der Schlepperbanden werden, denn die setzen ja darauf, dass die Geretteten von den NGO nach Europa verbracht werden. Es ist eine Dilemma-Situation, gewiss, – aber die lässt es eben nicht zu, sich einfach die Hände in Unschuld zu waschen, wie das Reisch mit seinem Widerspruch versucht.

Anders als die mehrheitlich linksextrem agierenden “Seenothelfer”, die, wie etwa Carola Rackete und ihre Entourage, so viele Migranten wie möglich nach Europa bringen möchten, gewissermaßen als “Strafe für die Untaten der Europäer zur Kolonnialzeit” will sich Reisch dafür einsetzen, die Fluchtursachen in Afrika selbst zu bekämpfen. Europa könnte schon mal damit anfangen – meint er – und keine subventioniert hergestellten Lebensmittel mehr nach Afrika exportieren, welche den Landwirten in Afrika die Erwerbsgrundlage rauben, weil sie gegen subventionierte Preise der importierten Produkte keine Chance haben. 

Resümee

Ich nehme Reisch seine wohlmeinende heute Haltung ab. Er gibt sich als integerer Mann, den man sich auch als Nachbarn gut vorstellen kann, der in sich ruht und mit beiden Beinen im Leben steht. Dafür steht er auch als erfolgreicher Selfmade-Unternehmer, der nach eigenem Bekunden stets bürgerlich, meist die CSU, gewählt hat. Er macht auch kein Hehl daraus, dazu gelernt zu haben und dass er seinen Idealismus nicht mehr von Radikalen, die eine ganz andere, nämlich eine linksextreme Agenda fahren, instrumentalisieren zu lassen gedenkt. Genug sei genug!

Vor ziemlich genau einem Jahr war ich von Reischs hehren Absichten übrigens noch nicht so überzeugt. Es ergab sich nach einer Rundfunksendung zwischen ihm und mir ein längerer E-Mail-Austausch, im Rahmen dessen er teilweise auch ziemlich patzig reagierte (wir berichteten). 

Markus Lanz ließ – ganz untypisch für ihn – seinen Gast diesmal weitgehend ausreden, ohne ihm zu oft ins Wort zu fallen, wohl, weil dieser nicht ganz so eloquent reden kann. Jedenfalls war Lanz zurückhaltender als vorher, als es um die Neuregelung der Organspende ging und er seine Gäste – wie üblich – ständig unterbrach, um ihnen seine eigenen “Besserwissereien” unter die Nase zu reiben. Die Lanz-Sendung könnte eine der interessantesten Talkshows im deutschen Fernsehen sein und sie wäre perfekt, wenn sich Lanz etwas mehr als Moderator und Zuhörer denn als Diskussionsteilnehmer und weniger inquisitorisch bei seinen Fragen an seine Gäste verstehen würde.

Hier das Gespräch mit Claus-Peter Reisch zum Nachgucken:

Foto: Henning Schlottmann unter CC-Lizenz


Lesen Sie auch:

Ein ambivalenter Austausch

Lesen Sie auch:

Sind private Seenotretter Helden?

Lesen Sie auch:

Moralistischer Größenwahn

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.