Über die Liebe

Autor Kurt O. Wörl

Als ich ein Thema für einen Vortrag suchte und mich darüber mit der besten Ehefrau von allen beriet, entfloh mir versehentlich der Satz: „Ich möchte mal etwas ausarbeiten zu einem Thema, in welchem ich nicht besonders bewandert bin und welches mir einmal eine wirkliche Herausforderung sein könnte.“ Ohne lange zu überlegen schlug meine Beste vor: „Schreib doch einmal etwas über die ‚Liebe‘!“

Bravo! Da hatte ich also meine gesuchte Herausforderung und eine verbale Ohrfeige zugleich eingefangen!

Also bitte: Was ist das denn nun eigentlich, diese Liebe? Eine kleine Geschichte, die uns vielleicht in die Nähe des Wesens der Liebe führt:

Ein Mann lag seit längerem im Koma, aus dem er ab und an aufwachte. Seine Ehefrau war treu und unermüdlich Tag und Nacht an seinem Bett.

 

Eines Tages, als er wieder einmal bei Bewusstsein war, deutete er ihr, näher zu kommen. Sie beugte sich zu ihm und lächelte ihn liebevoll an. Er flüsterte mit schwacher Stimme:

 

„In all den schlimmen Zeiten warst du stets an meiner Seite.
Als ich meinen ersten Job verlor, warst du bei mir.
Als dann mein Geschäft Pleite ging, du warst, wie selbstverständlich, da.
Als wir unser Haus verloren, Du warst an meiner Seite.
Als es dann mit meiner Gesundheit abwärts ging, warst du stets in meiner Nähe, auch jetzt, wo es mir sehr schlecht geht. 

 

Weißt du was?“

 

Die Augen der treuen Gattin füllten sich mit Tränen der Rührung. „Was denn Liebling?“ hauchte sie fragend.

 

Er darauf: „Ich glaube Du bringst mir immer nur Unglück!“

Zugegeben, das war sicher nicht das, was die treue Ehefrau jetzt erwartet hätte. Aber eines muss man beiden zugestehen: Aus dem Gespräch sprach trotzdem so etwas wie wahre Liebe.

Sie war im Unglück stets für ihn da, er ertrug immerhin die Pechsträhnen, die er mit ihrem Dasein verknüpfte.

Fragt man aber danach, was Liebe denn sei so bekommt man oft blumige Antworten, etwa:

  • man fühle Schmetterlinge im Bauch,
  • man sähe die Welt durch eine rosarote Brille,
  • man könne jubeln vor Glück,
  • das Herz schläge Salto mortale, usw.

Das sind durchwegs wirklich wunderschöne Beschreibungen. Aber beschreiben sie die Liebe? Ist das die Liebe, von der uns Poeten und Romanciers so wunderbar zu berichten wissen? Oder sprechen diese in ihren Gedichten und Geschichten nicht eher nur über ein anfängliches Hochgefühl des Verliebtseins, das vor allem der Partnerfindung dient, wenn die Hormone Samba tanzen?

Ist es reine Natur also, die Männlein und Weiblein zueinander treibt? Muss man also in Wahrheit unterscheiden zwischen bloßem, triebgesteuerten Verliebtsein und der großen Liebe, die im besten Falle für ein Leben hält?

Täuschen wir uns nicht: dieses Gefühl von “unruhigen Schmetterlingen im Bauch” zu haben, welches wir mit dem Glück unserer Verliebtheit erklären, ist in Wahrheit mit Blick auf die physisch-biologischen Ursachen völlig identisch mit dem sprichwörtlichen “flauen Gefühl” im Magen, wenn wir etwas Unangenehmes, Ärgerliches, vielleicht Beängstigendes vor uns haben.

Liebe steht für große Gefühle, für Glück, Hingabe, Menschlichkeit, Leidenschaft und Geborgenheit. Trotzdem bleibt sie uns immer unbegreiflich. Wir können immer nur eine Annäherung an dieses wunderbare Phänomen versuchen. So lade ich ein, mit mir einen Blick auf einige Erscheinungsformen der Liebe zu werfen. In unserer medialen Welt bekommen wir viele Bilder der Liebe zu sehen:

Erich Kästner wird die Frage zugeschrieben: „Warum wird nach dem Happy End, im Film gewöhnlich ausgeblend’t?“

Die Frage ist berechtigt. Das heißt nämlich, was danach passiert, wenn die Filmliebenden endlich alle Wirrnisse der Story überstanden und zueinandergefunden haben, bleibt für den Zuschauer im Dunkeln. Liebesfilme enden also meist genau dann, wenn die gefundene Liebe endlich ihren Lauf nehmen könnte. Und so lehren uns diese Werke auch nicht, dass eine Beziehung aus Liebe etwas Lebendes, etwas Dynamisches ist, woran man sich täglich weiterentwickelt.

Man hat vielmehr das Gefühl, wenn man diese Liebesidylle erst einmal gewonnen hat, dann bleibt das auf immer und ewig, man lebt nun glücklich und zufrieden – und die vorgestellte Geschichte könnte dann so enden: „Und wenn sie nicht gestorben sind, dann lieben sie noch heute!“

Mit so einer oder ähnlichen Auffassung gehen viele, vielleicht die meisten Menschen, heute in eine Ehe. Und diese doch sehr unrealistische Vorstellung des gemeinsamen Glückes, bis ans Lebensende, ist wohl auch der Grund, warum viele Leute nach einer gewissen Zeit des Zusammenlebens so enttäuscht sind.

Plötzlich nervt dieser vorher durch eine rosa Brille gesehene Mensch, weil er die Zahnpastatube nicht so auspresst, wie es der andere gerne hätte, weil er das Handtuch immer an den falschen Platz legt, seine Strümpfe in der Wohnung verteilt und das, wo er den andern doch angeblich liebt und das zu 100% des Tages.  Ist das Liebe?

Ich meine nein! Wenn ich vom anderen nur egoistisch fordere, dass er die Dinge so macht, dass sie mir gefallen und daran auch noch seine Liebe messen will, dann hat das gerade mit Liebe nicht viel zu tun.

Ich denke, wohl jeder hat schon einmal Enttäuschungen in der Liebe erlebt. Doch sollte man bei aller Traurigkeit darüber auch bedenken: Eine Enttäuschung ist zu allererst das Ende einer Täuschung! Gibt uns diese Erfahrung nicht eine neue Chance, danach eine beständigere Liebe zu entwickeln?

Bleiben wir bei der Liebe zwischen Mann und Frau (diese Partnerschaft ist nun einmal der beliebteste Ort für die Liebe): Es kommt unweigerlich der Tag, an dem man aus der ersten Verliebtheit aufwacht und am Partner Seiten entdeckt, die man gar nicht mehr so liebenswert findet. Dann gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man trennt sich oder man entscheidet sich den Partner so zu sehen wie er wirklich ist. Darauf aufbauend könnte man dann so etwas wie wahre Liebe entwickeln. Was das sein könnte, darauf möchte ich später zurückkommen. Schauen wir doch mal, wie das mit Männern und Frauen eigentlich so ist.

Für mich gibt es kaum etwas Unterschiedlicheres als Männer und Frauen. Sie sind die beiden Pole eines biologischen Systems, namens Mensch, das ja. Doch wenn man sich die Jahrtausende so anschaut, muss man sich geradezu wundern, dass die Menschheit noch nicht ausgestorben ist, dass sie sich immer noch vermehrt. – Und das ist bei den vielen Missverständnissen, die zwischen Männern und Frauen entstehen können, beinahe unglaublich.

Da Mann sagt “A” und die Frau versteht “B” und umgekehrt und trotzdem tun sie sich seit Anbeginn der Menschheit zusammen und verstehen sich gelegentlich sogar richtig gut. Sie sagt im, meist nur Frauen möglichen, subtilen Tonfall „der Mülleimer ist voll!“ und meint dies als Aufforderung, der Mann möge sein Buch zur Seite legen und gehen den Eimer zu leeren. Doch der überzeugt sich nur mit kurzem Blick ob des Füllstandes des Eimers und antwortet „Tatsächlich“ … und liest – ohne weitere Reaktion – weiter in seinem Buch. … und die Frau flippt, für ihn völlig unverständlich,  aus.

Für ihn gab es gar keine Aufforderung den Eimer zu leeren, sondern nur eine schlichte Information: Der Eimer ist voll! Das ist für Männer nur ein mitgeteiltes Faktum – subtile Unterbotschaften verstehen nur die wenigsten Männer auf Anhieb. Ergo: Die Frau ist enttäuscht, und denkt verletzt, warum versteht er bloß nicht, was ich will? Woher kommt das? Die Frau hätte ihren Mann konkret auffordern sollen “Könntest Du bitte eben den Mülleimer ausleeren?” Er hätte es sicher getan.

Oder: Der Partner kommt nach Hause. Sie erzählt ihm, dass dieses oder jenes Problem anstünde und mit ihm darüber reden wolle. Er aber nicht, geht in sein Zimmer, sucht eine Lösung für das geschilderte Problem und präsentiert diese später ganz stolz seiner Partnerin. Die reagiert darauf überraschend “angefressen”: Denn, sie wollte von ihm gar keine Lösung des Problems haben, sondern mit ihm darüber reden! – Aber so sind sie nun mal, die Unterschiede der Geschlechter – im Großen und Ganzen jedenfalls: Männer wollen jedes Problem lösen, Frauen plaudern gerne darüber, selbst wenn sie keine Lösung finden … dann kann man nämlich noch länger und öfter darüber plaudern. Ist der Mann also ein Spielverderber, weil er Probleme löst?

Nun, wir glauben ja oft, jeder würde die Dinge so sehen wie wir selbst. Und so sind  Missverständnisse vorprogrammiert. Doch jeder hat in Wahrheit seine eigene Wirklichkeit im Kopf. – Und die ist genau so wahr, wie die Wirklichkeit des Partners und wie die eines jeden anderen Menschen. – Das gilt es anzuerkennen! Jeder lebt auf seiner eigenen Erfahrungsinsel, die sich der andere manchmal nicht einmal im Ansatz vorstellen kann. Man kann Brücken zur Insel des anderen bauen, das ja, aber man muss dann auch bereit sein, darüber zu gehen und das heißt, sich bemühen, den anderen  auch verstehen zu wollen. Wie sieht die Welt aus seiner Perspektive aus?

Haben zwei Menschen zu einer Liebe zusammengefunden, stellen sie bald fest, vielleicht noch nicht einmal bewusst, dass sie vielfältigen Gefahren ausgesetzt ist, ihre Liebe, z.B. wenn diese sich zu einer Liebe der Bedingungen entwickelt. In Deutschland wird inzwischen jede dritte Ehe geschieden. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der häufigste Grund ist eine sog. „Liebe unter Vorbehalt, unter Bedingungen“. Diese Pseudoliebe ist geknüpft an das Wort „WENN“.

Liebe unter Vorbehalt

„Wenn Du so bist, wie ich Dich haben will, dann liebe ich Dich!“ Das heißt, erst wenn Du meinen Vorstellungen entsprichst und tust, was ich will, dann liebe ich Dich und nur dann glaube ich Dir auch, dass du mich liebst!

Bei so einer bedingten Liebe, ist die Liebe wie eine Währung, wie Geld! Wir kennen das. Wer gut arbeitet bekommt vielleicht mehr Geld, als jemand, der nicht so gut arbeitet. Und eine Person, die sich „brav“ verhält und so ist, wie die andere Person sich das wünscht, bekommt dann eben mehr freundliche Worte und häufiger nette Lächeln, also mehr Zeichen der Akzeptanz. Dies, weil es eben für den Egoismus der anderen Person gut ist, wenn sich der Partner so verhält. – Das macht diese Pseudoliebe zur bloßen Währung. – Das aber ist keine Liebe! Das ist reiner Egoismus, die letztlich mit Erpressung operiert.

Wahre Liebe würde nämlich die totale, also völlige Akzeptanz des anderen Wesens in seiner Wesenheit bedeuten – so wie der oder die andere ist – ohne zu fordern, dass sie anders sein sollten.

Diese ideale Liebe ist nach meiner Wahrnehmung unter Menschen nicht sehr weit verbreitet. Wir wurden vielleicht von Kindesbeinen an dahingehend erzogen, dass all unser Tun zielgerichtet, also auf einen Zweck ausgerichtet und nicht seiner Selbstwillen sein solle. Deshalb lieben auch viele Menschen zielgerichtet – eben bedingt.

Über 36 Jahre Ehe mit der besten Ehefrau von allen erlauben mir vielleicht schon ein paar Erkenntnisse preiszugeben. Aber ich wäre nicht ehrlich, würde ich behaupten, wir hätten stets danach gelebt. Wir haben uns das Leben schon manchmal auch sehr schwer gemacht und auch heute noch “staubt es” ab und zu. – Aber wie man aus der bedingten Liebe herausfindet, zumindest in der Theorie, ist uns das klar geworden. Wir haben erfahren:

Wenn Dir an Deinem Partner etwas auf die Nerven geht und Du möchtest, dass sich etwas ändert, reagiere nicht mit Bedingungen, Forderungen, Drohungen, etwa mit dem Androhen von Liebesentzug oder mit der Drohung nicht mehr mit dem Partner sprechen zu wollen. Jeder kennt das: Druck erzeugt nur Gegendruck.

Das heißt jeder, den man durch Bedingungen zwingen will, sich zu ändern, wird sich mit beiden Beinen dagegen stemmen. Wenn man den andern aber so lässt wie er ist und sagt: „Ich liebe Dich trotzdem!“, dann kann er vielleicht leichter seine Position überdenken, vielleicht sogar aufgeben und sich verändern. Und mal ehrlich: Meistens stören uns am andern doch nur die Dinge, die wir an uns selbst nicht leiden mögen. Aus meinem Bekanntenkreis kenne ich mehrere tragische Fälle, die zur Trennung führten:

Ursache war fast immer: Sie wurden nicht müde, unablässig zu versuchen, den Menschen an ihrer Seite zu verändern – ihn zu zwingen, so zu sein und das zu tun, wie sie das haben wollten. Am Ende haben sie den Partner dann verlassen, weil sie nämlich auch noch erfolgreich damit waren, weil ihnen das „Verändern des anderen“ nämlich gelungen ist und er oder sie schließlich nicht mehr die waren, die man einst kennen und lieben gelernt hatte.

Klammern in der Liebe

Neben der bedingten Liebe ist eine weitere Gefahr das, “Klammern in der Liebe”. Es gibt Beziehungen, die sehr eng aneinander geklammert sind, nach dem Motto: Hier sind wir und da draußen ist die feindliche Welt. Alles andere interessiert nicht mehr, nur die Beziehung. Doch auch darin sind starke Einschränkungen der Lebensmöglichkeiten enthalten. Je mehr Angst man hat, jemanden zu verlieren, man kann dann wörtlich sagen, je mehr man in so einer engen Beziehung liebt, umso verletzlicher wird man. Deswegen ist Liebe für viele Menschen durchaus gefährlich, denn sie lassen sich auf die Beziehung gar nicht mehr ein. Ein Zustand, den man auch so beschrieben könnte: Man kann sich selbst ohne den anderen gar nicht mehr denken.

Ich weiß wohl: Verschmelzung in der Liebe, das Einswerden zweier Menschen, gilt oft als Ideal, als Höhepunkt der Liebe. – Und das kann es auch sein, – aber immer nur kurzzeitig. Der Wunsch nach dauerhafter Verschmelzung hat es nämlich an sich, dass die Partner ihre Konturen aufgeben und sich den anderen einverleiben wollen, mit Haut und Haaren. Der andere wird nicht als eigenständiger Mensch und Partner, sondern als Teil des eigenen Ichs betrachtet. Und das geht selten gut!

Der libanesische Dichter Khalil Gibran hat es sehr schön anhand von Tempelsäulen veranschaulicht: danach sieht der Wunsch nach Verschmelzung so aus, dass jede Säule, also die Partner, die Hälfte ihres Seins aus dem Fenster werfen müssten, um mit der verbleibenden Hälfte des anderen zu einer Säule zu verschmelzen. Bildlich also das Gefangensein im Anderen. Das aber kann keine Partnerschaft sein. Das ist Aufgabe des Selbstseins. Jemand, der selbst nicht mehr stehen kann, kann auch in einer Partnerschaft nicht mehr bestehen.

Gibran stellt der Säulenverschmelzung ein Partnerschaftsmodell mit Aussicht auf Erfolg entgegen: Demnach ist jeder als eigenständige Säule in der Lage selbst zu stehen. Und die Partnerschaft sieht dann so aus, dass die beiden Säulen das Tempeldach gemeinsam aufbauen und tragen (also das gemeinsame Leben, den Nachwuchs, die Familie). Dazu muss jede Säule das Ihrige tun, aber jede bleibt eine eigenständige Säule – also ein eigener Mensch. Dann und nur dann hat die Liebe zwischen zwei Menschen eine Chance auf lange Dauer, weil das Modell die Freiheit in der Zweisamkeit sichert.

Es geht also darum, trotz des Wunsches nach Nähe selbständig zu bleiben und den anderen immer wieder loszulassen. – Wer den anderen versucht festzuhalten, wird ihn womöglich genau deswegen verlieren.

Eifersucht

Mit dem Festhalten verbunden ist die schlimmste aller Gefahren für die Liebe, die Eifersucht. Was man liebt, das muss man loslassen, sonst wird die Liebe zum Gefängnis, aus dem der andere früher oder später ausbrechen will. Das aber ist für machen leichter gesagt als getan, vor allem, wenn er von starker Eifersucht geplagt ist. „Eifersucht ist eine Leidenschaft, die mit Eifer sucht, was Leiden schafft.” So lautet ein wohl bekanntes Sprichwort.

Eifersucht hat mit Angst zu tun und mit Egoismus und ist letztlich ein Gefängnis. Ein kleiner Kasten, in dem wir eingesperrt sind und in den wir noch etwas mit hineinziehen wollen, etwas, was wir unbedingt haben möchten … den Partner. “Freiheit” ist bei solchen Vorstellungen nicht vorgesehen!

Liebe aber muss sich doch entfalten können wie ein Bäumchen, das zum Baum werden will. Sperren wir das Bäumchen ein, dann kann daraus nur ein verkümmertes Bonsai-Bäumchen werden, dort kann nichts zur Größe heranwachsen.

Man kann eifersüchtig sein, weil der Lebenspartner sich mit anderen Menschen gut versteht. Das hat mit Habenwollen zu tun, mit Exklusiv-Haben-Wollen, nur für sich allein. Es ist also ein ganz egoistischer Zug. Der hat damit zu tun, dass man dem Partner nichts eigenes gönnt, z.B. mit Anderen Freude zu erleben usw. – Diese Form der Beziehung will den anderen besitzen und beherrschen und ihn nicht um seiner Selbstwillen lieben.

Manchmal hört man Menschen sagen: „Dadurch, dass mein Partner eifersüchtig ist, erkenne ich, dass er oder sie mich liebt!“ Das finde ich sehr dramatisch und sehr fatal und ist zudem ein Irrtum! Warum?

Wenn eine Person so spricht, dann erkennt sie die Liebe des Anderen nicht etwa, weil er ihr ein strahlendes Lächeln schenkt, sie erkennt es nicht, weil er sie in den Arm nimmt, sie erkennt es nicht daran, dass er sie mit einem liebenden Blick ansieht, sie erkennt es nicht daran, dass sie sich geborgen fühlt in seiner Nähe. Sie erkennt es nur daran, dass er sauer wird, weil die Person den Blick mit einem anderen Mann oder einer anderen Frau gewechselt hat.

Ein bisschen Eifersucht mag eine Beziehung vielleicht etwas beleben, das ist eine Frage der Dosierung. Trotzdem erreichen die Partner mit Eifersucht meist das Gegenteil von dem, was sie wollen. – Sie treiben den Partner von sich weg. – Denn eines steht fest: Übertriebene Eifersucht ist einer der größten Feinde der Liebe.

Und wenn ich eifersüchtig bin, dann muss ich mich fragen – vor allem, wenn ich dem anderen damit fürchterlich auf die Nerven gehe – warum ich eifersüchtig bin. Letztlich steckt dahinter nämlich das Gefühl, “ich bin diesen Partner, diese Partnerin eigentlich gar nicht wert”. Ich bin unzulänglich, ich bin nicht gut genug für den oder für die. In meiner Vorstellung besteht dann die Gefahr, dass der andere mir jederzeit davonlaufen kann, wenn jemand anderes daherkommt, weil die anderen sowieso viel besser sind als ich. Das kann durchaus pathologische Züge annehmen:

Der Partner, die Partnerin wird mit einem wahren Kontrollsystem überzogen. Nicht das allerkleinste private Geheimnis wird geduldet. Private Briefe werden geöffnet, das Handy nach verdächtigen SMS und der Computer des Partners nach verborgenem Mailverkehr durchsucht. Treffen mit Freunden, besonders aus der Zeit vor der Partnerschaft, werden systematisch mit allerlei Tricks sabotiert, Gespräche mit Anderen, auch Telefonate mit anderen vorsätzlich gestört oder ganz unterbunden usw. – immer mit dem Ziel, jede potenzielle Gefahr für die Partnerschaft von außen komplett auszuschließen. Gelingt das nicht, prasseln Vorwürfe über Vorwürfe wegen Geheimniskrämerei auf den oder die andere nieder. – Mehr noch: das eigene krankhafte Misstrauen wird oft dem anderen, der seine Privatsphäre, die es auch in der Partnerschaft gibt und wie sie jedem Menschen zusteht, nicht völlig preisgeben will, unterstellt: „Du hast kein Vertrauen zu mir, sonst würdest Du keine Geheimnisse vor mir haben.“ Die Botschaft lautet dann: „Du sollst Dich doch auf mich konzentrieren und sonst auf nichts!”

Eine solche Liebe ist keine Liebe – wenn sie denn überhaupt je eine war. – Das ist nichts anderes als pure Tyrannei, pures Besitzenwollen, getragen von einem tief sitzenden Minderwertigkeitskomplex.

Eigentlich ist die Empfehlung zur Trennung hier noch einzig hilfreich oder jene, unverzüglich am eigenen Selbstbewusstsein zu arbeiten, vielleicht auch externe, therapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen, um das verloren gegangene Selbstwertgefühl wieder zu steigern und sich darauf zu konzentrieren, was den eigenen Wert ausmacht. – Ansonsten muss man eine solche Beziehung wohl als gescheitert betrachten. Man leidet mehr aneinander als man sich gegenseitig aufbaut und durch die Wirrnisse des Lebens hilft.

Es gilt: „Du kannst nicht wirklich haben, wenn Du nicht bereit bist, nicht zu haben!“ – Irritierend, nicht wahr?

Liebe der Begrenzung

Es gibt eine typische Frauen-Frage, die hassen die meisten Männer, wie kaum eine andere. Sie lautet: “Liebst Du mich?“

Für viele Männer ist das beinahe die dümmste aller denkbaren Fragen, denn sie kann in einer gewollten Beziehung nur auf eine Weise beantwortet werden, nämlich mit „Ja selbstverständlich liebe ich Dich!“. Würde er antworten: „Nein“ oder gar „Ja natürlich, da ich alle Frauen liebe, wieso sollte ich bei Dir eine Ausnahme machen!” wäre das sicher nicht die erwartete Antwort. Doch diese alberne Frage wird oft noch getoppt mit einer bei Männern noch unbeliebteren Frage, nämlich „Und wie sehr liebst du mich?“

Ach ja, manche würden Liebe manchmal nur zu gerne an einer Skala messen, um zu erfahren, wie sehr man geliebt werde. Aber Liebe lässt sich nun einmal nicht in Stärke und Ausmaß messen. Ganz im Gegenteil! Ist sie nicht das einzige in unserem Leben, das sich umso mehr vermehrt, je mehr wir davon hergeben? Das Ideal in der Liebe kann man also auf einen Satz gebracht so ausdrücken:

„Ich liebe Dich, weil Du bist wie Du bist!”

Nur wenn der Satz „Ich liebe Dich!” so gemeint ist, dann kommen wir m.E. der wahren Liebe ein großes Stück näher. Nehmen wir einmal an, wir lieben einen anderen Menschen wirklich sehr und sein Glück ist uns sehr wichtig. Wäre unsere Liebe zu ihm dann so groß, ihn/sie sogar in eine andere Partnerschaft wechseln zu lassen, wenn er/sie dort glauben glücklicher zu sein? – Erst wenn wir das können, dann erst haben wir die wahre Liebe begriffen. Liebe verlangt Bereitschaft zum Loslassen.

Der Schweizer Ökonom und Informatiker René Egli, erfolgreicher Autor und Bewusstseinstrainer, ist Entdecker der Lebensformel, „Das LOLA-Prinzip“. Darin geht es um Loslassen, um Liebe und das Zusammenspiel von Aktion und Reaktion. Er meint:

„Alles, aber wirklich alles beginnt immer bei sich selbst. Ich habe wahrscheinlich große Mühe, andere zu lieben, auch andere zu akzeptieren, wenn ich mich selbst nicht akzeptieren oder nicht lieben kann. Meine radikale Botschaft ist deshalb: Immer bei sich selbst zu beginnen. Nicht irgendwo bei den anderen. Je mehr ich bei mir Dinge nicht akzeptieren kann, Dinge, die ich verurteile, desto mehr projiziere ich das nach außen, verurteile auch andere, kann auch andere Menschen nicht akzeptieren. – Darin ist auch eine Grundregel des Christentums enthalten – ‚liebe Deinen nächsten wie Dich selbst!’”.

Viele Menschen beachten den Nachsatz … “wie Dich selbst!” nicht.

Weiter äußert sich Egli im Resümee über die Liebe sinngemäß so:

„Je mehr wir urteilen, umso weniger können wir lieben.”

Und nun stelle man sich vor, wir liebten ohne zu verurteilen, ohne zu vergleichen, ohne etwas zu erwarten. So, wie man z.B. auch die Natur liebt. – Ich jedenfalls stelle mir das als einen wunderbaren Zustand vor, der aber nur durch bedingungslose Liebe möglich ist.

  • Bedingungslose Liebe kann per Definition nämlich gar nicht urteilen.
  • Bedingungslose Liebe kann nicht in „Gut“ oder „Schlecht“ unterteilen und das heißt: bedingungslose Liebe teilt das Leben nicht … kann also nicht auf pathologischem Dualismus beruhen.
  • Bedingungslose Liebe ist Ganzheit, … ist das Leben.
  • Bedingungslose Liebe ist schließlich auch ein Gefühl der Einheit. – Nicht ein Gefühl der Trennung.
  • Bedingungslose Liebe unterscheidet sich also vom Alltäglichen, in dem wir immer getrennt sind, etwa von Konkurrenten, Mitbewerbern, Nebenbuhlern. Begriffe, die folglich zur bedingungslosen Liebe nicht passen.

Und physisch betrachtet ist diese totale Einheit in bedingungsloser Liebe auch die totale Abwesenheit von Konflikten. Damit wird Liebe zur Supraleitung im Leben, weil sie der extremste Zustand der Konfliktlosigkeit ist. Und das ist eine Frage der inneren Einstellung. Wenn ich von dem Gedanken beseelt bin, was kann ich geben, dann bin ich nach Egli immer ein reicher Mensch. Wenn ich nur denke, was kann ich nehmen, dann werde ich immer arm sein.

Diese Geldmenschen, von denen wir in letzter Zeit arg viel hören mussten, sind das nicht in Wahrheit ganz, ganz arme Menschen, auch wenn sie über und über mit Hab und Gut ausgestattet sind? Um wie viel reicher sind doch jene, welche sich in den Dienst der Menschenliebe stellten oder stellen? – Mir fällt an dieser Stelle Albert Schweitzer ein.

Wichtig ist also demnach vor allem, dass wir Liebe ausstrahlen. Es gibt ein universelles Gesetz von Aktion und Reaktion das besagt, nur was Du aussäst das kannst Du auch ernten. – Und nur wer Liebe säet, kann auch Liebe ernten.

Liebt also das Leben lieben, so wie es ist, auch wenn es manchmal schwierig ist. Warum? Nun, – weil wir gar keine andere Möglichkeit haben, um mit unseren innersten Ängsten anders fertig zu werden. Liebe drückt sich in ganz bestimmten Eigenschaften aus: Freundlichkeit, Wohlwollen, Toleranz, Großzügigkeit, Mitgefühl, auch Humor.

Wenn jemand überzeugt so der Welt gegenübertritt, dann, sagen wir – ist er ein Liebender. Liebe ist also etwas, das nur einfach auch getan werden muss. Die richtige Zeit dafür ist übrigens immer jetzt gleich, sofort!

Bild von Julie Rose auf Pixabay

Print Friendly, PDF & Email

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert


The reCAPTCHA verification period has expired. Please reload the page.