Ibiza-Affäre:

Wenn Masken fallen

Autor: Kurt O. Wörl

Zum bekannt gewordenen Strache-Video aus Ibiza ist inzwischen so ziemlich alles gesagt. Ob wir je erfahren wer die Macher waren ist fraglich. Wie immer bei solchen Anlässen, schießen nun in den Medien die Spekulationen darüber ins Kraut, wer das konspirativen Treffen Heinz-Christian Straches mit einer lettischen “Investorin”, zugleich angeblichen Nichte eines putinnahen, russischen Oligarchen – zwecks illegaler Parteienfinanzierung – gefilmt und geleakt hat.

Rudolf Adam, Autor für den “Cicero“, verdächtigt – verschämt verklausuliert in einem Meer von Konjunktiven – den israelischen Mossad als Drahtzieher. Beweise legt der Autor keine vor. Aber er weist immerhin darauf hin, dass das Video schon fast zwei Jahre alt ist und er stellt berechtigte Fragen, nämlich:

  • Warum das Video erst jetzt, unmittelbar vor den Wahlen zum Europäischen Parlament geleakt wurde und
  • warum nicht schon vor den Nationalratswahlen im Oktober 2017, nach welchen es erst zur ÖVP/FPÖ-Koalition kam.

Wer weiß! – “Ein garstig Lied! Pfui! ein politisch’ Lied!” ließ Goethe in Faust I einst durch den Auerbachs Keller erschallen…

Mir ist das alles wurscht. Wichtig war nur, dass das Video öffentlich und damit offenbar wurde. Deutlich wurde, dass die “Fünfte Kolonne Moskaus” nicht mehr politisch “links”, sondern heute am “rechten” Außenrand zu suchen ist – und das scheinbar weltweit (von der russischen Wahlkampfhilfe für Donald Trump bis hin zur deutschen AfD, welche beständige Schützenhilfe vom russischen Propaganda-Portal “RT deutsch” erhält). Der FPÖ wurde nun brachial die Maske der Biedermänner vom Gesicht gerissen und die wahren Fratzen, stellvertretend für alle Populisten werden nun für jedermann sichtbar. Und kein Gemecker, bitte! Denn wer hinter den verschleierten Spenden aus der Schweiz für die AfD steckt, welche die AfD-Frontfrau Alice Weigel gehörig in die Bredouille brachten, ist auch noch nicht durchermittelt, aber eine leichte Ahnung beschleicht wohl jeden. – Könnte sein, dass der Pegida-Brüll “Volksverräter” in Kürze wie Bumerangs in den Parteizentralen der europäischen Rechtspopulisten einschlägt. – In Wien hat es soeben schon mal kräftig gescheppert. Man könnte auch von Landesverrat sprechen. Und das wollen “Patrioten” sein? … Aber lassen wir das!

Durfte das Video publik gemacht werden?

Für mich ist es keine Frage, dass das Strache-Video von “SPIEGEL” und “Süddeutscher Zeitung” zurecht publik gemacht wurde, ungeachtet der womöglich kriminellen Umstände der Entstehung. Erinnert sei hier an die Deals gekaufter Daten-CDs aus der Schweiz, welche Steuerkriminelle outeten. Zudem greift auf Ibiza weder das deutsche noch das österreichische Strafrecht, aber das nur am Rande.

Und in Zeiten preiswerter, fernsteuerbarer Smartphones, Tablets, Action- und IP-Cams muss man auch keine außergewöhnlichen geheimdienstlichen oder IT-Kenntnisse mehr haben, um solche Videos heimlich aufzunehmen.

Eine Experten-Regierung – eigentlich ein demokratischer Glücksfall

Besonders aber freue ich mich darüber, dass nach dem Rücktritt des Vizekanzlers Heinz-Christian Strache, dem Rauswurf des Innenministers Herbert Kickl und dem  Rücktritt aller FPÖ-Minister die ÖVP-FPÖ-Koalition zu Geschichte ist. Ich denke, dass dieses Ende mit Schrecken für Kanzler Sebastian Kurz eher als Erlösung vom Schrecken ohne Ende empfunden wird. Zu oft stand für Kurz Fremdschämen für den angebräunten Koalitionspartner auf der Tagesordnung. – Dass er überhaupt eine Koalition mit dem korrupt-rassistischen FPÖ-Haufen gewagt hat, bleibt sein unrühmlicher Beitrag im Geschichtsbuch der Republik Österreich und der Fleck auf seiner weißen Weste. Bleibt zu hoffen, dass seine desaströse Erfahrung in allen demokratischen Parteizentralen Europas – vor allem aber bei den Wählern Europas – angekommen ist.

Was mich aber wirklich begeistert, ist die nun angestrebte “Experten-Regierung”, in welcher die Ressorts mit untadeligen Fachleuten ohne parteiliche Bindung besetzt werden sollen. Bei den politischen Parteien ist sie nicht sehr beliebt, zum einen, weil gut dotierte Minister-Posten nicht für Parteigänger zur Verfügung stehen, zum anderen, weil die Regierung eine Minderheitenregierung darstellt und für jedes Vorhaben im Parlament eine Mehrheit gesucht werden muss. Das ist anstrengend aber es entspricht im Grunde dem eigentlichen Parlamentsgedanken: Die Exekutive will etwas durchsetzen und muss sich argumentativ um Mehrheiten bei den Volksvertretern bemühen, weil selbst unter Fraktionszwang auf keine sichere Mehrheit gesetzt werden kann. Das zwingt zur Konsens- und  Kompromissbereitschaft. – In Dänemark gibt es häufig so eine Minderheitenregierung und das Land lebt bisher wunderbar damit. – Aber Konsens ist ohnehin ein ausgeprägter Teil des soziokulturellen Kodes der dänischen Gesellschaft.

Linientreue Laien sind eher selten erste Wahl

Umgekehrt erzeugt es in meinem Magen immer ein eher flaues Gefühl, wenn Ministerien nicht von Experten, sondern von stümperhaften Partei-Laien (oft solchen, die nie einen anderen Beruf ausgeübt haben und somit Experte für gar nichts sind) geführt werden. Mir fällt hier vor allem die aktuelle deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung ein, die Frau die niemand kennt und die auch nichts tut, außer Ministerin zu sein. Von wem spreche ich… kommen Sie, nicht googeln… na…?

  • Tipp 1: gelernte Bankkauffrau und Hotelfachfrau, also für das Ressort Bildung und Forschung “prädestiniert”! – Klingelst schon?
  • Tipp 2: Sie will ihrer Fachfremdheit damit begegnen, “die richtigen Fragen zu stellen”. – Jetzt aber oder?
  • Tipp 3: Seit einem Jahr im Amt, antwortet sie auf wiederholte Fragen der Journalisten nach ihren aktuellen Aktivitäten im Ministerium immer wieder “ich verschaffe mir gerade einen Überblick!” – Jetzt?
  • Tipp 4: Unter ihrer Leitung hat ihr Ministerium bislang nicht einen einzigen Gesetzesentwurf auf den Weg gebracht, aber dafür hat sie in einem Artikel in einer Zeitungsbeilage überraschend erfahren, was Algorithmen sind.  Uuund…?

Also gut ich lüfte das Geheimnis: ich spreche von Ministerin Anja Karliczek, jener Frau, die nach eigener Auskunft von ihrer Berufung zur Bildungs- und Forschungsministerin “selbst überrascht” war. Ob Sie sich den Namen nun merken können oder nicht, wird den weiteren Gang der Welt eher nicht beeinflussen. Und nein, ich habe nichts gegen diese Frau – sie tut ja nichts, was mich ärgern könnte.

Jedenfalls scheint mir Sebastian Kurz’ Entscheidung für ein Experten-Kabinett, mit Blick auf Anja Karliczek, dafür umso attraktiver und erstrebenswerter. – Zudem: Dass die angebräunten “Freiheitlichen” nun die Ministerien geräumt haben, lässt die Luft draußen plötzlich frischer erscheinen.

Foto: pixabay Creative Commons CC0

 

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