gefunden von Kurt O. Wörl
Mir graut ehrlich gesagt vor dem Moment, an dem nächste Woche das amtliche Ergebnis der Wahlen zum Europäischen Parlament bekannt gegeben wird. Wie es aussieht werden Europas „Rechte“ massive Triumphe feiern können. Die ZDF-Doku „Schafft sich Europa ab? EU-Gegner auf dem Vormarsch“ zeichnet ein ziemlich düsteres, aber schlüssiges Bild von den rasend fortschreitenden Veränderungen im gar nicht mehr so geeinten Europa. Die Analysen fokusieren auch eine Person als Hauptverursacherin: Angela Merkel und ihre Austeritäts- und Migrationspolitik. Wird die Kanzlerin am Ende als Zerstörerin der EU in die Geschichte eingehen?
Ein paar Aspekte aus der Doku, die sich spontan im Gedächtnis festgesetzt haben:
Interviewbeitrag:
…“ Was wir sehen ist ein Kampf darüber, welche Form von Demokratie siegen soll: eine liberale Demokratie oder direkte Demokratie, eine pluralistische Mitte oder mehr die Stimme des Volkes. Diese Schlacht wird für den Rest unseres Lebens ausgetragen. Es sei denn, die liberalen Eliten finden einen Weg, den Menschen mehr zu vermitteln, dass sie verstanden werden.“
Guido Reil, Arbeiter (Zechenkumpel) und auf Platz 2 der AfD-Liste für die Europawahl (nach 26 Jahren SPD-Mitgliedschaft trat der Gewerkschafter in die AfD über) meint:
… „Ich bin dahin gegangen, wo meine Leute sind, die Arbeiter. Die AfD ist heute die neue Arbeiterpartei. Die Berufsklientel, die am meisten die AfD wählt, sind die Arbeiter.“
Das scheint zuzutreffen. Nach Reils Statement liefert die Doku die erhobenen Daten dazu. Demnach wählte die Arbeiterschaft bei den Bundestagswahlen 2017 so:
CDU/CSU | 16% |
SPD | 17% |
Grüne | 9% (!) |
AfD | 34% (doppelt so viel wie bei der SPD) |
LINKE | 22% |
FDP | 11% |
Damit ist die AfD nominell die wichtigste Interessenvertretung der Arbeiter im Bundestag, zumindest dem Stimmanteil nach.
Guido Reil weiter:
„Arbeiter waren auch immer national eingestellt, bodenständig eingestellt. Also ein Arbeiter ist niemals seinem Land böse. Das sind auch immer die, wenn es Krisen gibt, die bis zum Schluss bleiben. Akademiker, die sind sofort weg. Wenn irgend eine Region Probleme hat, dann gehen die dahin, wo sie besser leben, wo sie besser verdienen können. Aber Arbeiter, die bleiben, – bis zum Schluss.“
Die SPD, einstige „Partei der kleinen Leute“ und mit ihrer Agenda-Politik Schleiferin des Sozialstaates und die Linke, die ja angeblich der Herrschaft des Proletariats zum Durchbruch verhelfen will, sollten darüber gehörig nachdenken, warum sie ihre Zielgruppe gar nicht mehr erreicht, die AfD aber scheinbar schon. – Und das sieht in anderen EU-Ländern nicht anders aus. Die Sozialisten in Frankreich z.B. sind praktisch nicht mehr präsent, schon gar nicht bei den Arbeitern. Die wählen inzwischen Marine le Pens „Rassemlement National“.
René Cusperus, Politikwissenschaftler meint in der Doku:
„Populismus ist eine Bewegung der unteren Mittelklasse, die man in Amerika die ‚ausgequetschte Mittelschicht‘ nennt. Wir wissen das auch aus der Nazi-Geschichte, dass diese Mittelschicht auch die treibende Kraft für den nationalen Sozialismus war. ‚Nie wieder!‘ heißt daher auch, dass wir die untere Mittelschicht niemals unter Druck setzen sollten – wirtschaftlich und kulturell. Und genau das haben wir getan. Die Regierungen haben es in den letzten Dekaden getan und das ist gefährlich. Man sollte die Regierungen dafür in Verantwortung ziehen, weil ‚Nie wieder!‘ bezieht sich nicht nur auf Political Correctness oder den Holocaust, ‚Nie wieder!‘ bedeutet auch, die Bedingungen verhindern unter denen sich die Menschen in der Gesellschaft nicht mehr zu Hause fühlen. Und genau das ist das Problem im Moment.“
Über folgenden Link geht es zum Nachsehen der Doku, welche bei mir beklemmende Gefühle hinterließ:
ZDFinfo: Schafft sich Europa ab? EU-Gegner auf dem Vormarsch
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