Autor: Kurt O. Wörl
Mein Resümee zu 2022 könnte ein Rezept für mehr Optimismus sein: Das letzte Jahr hat mich gelehrt, dass sich das Leben richtig gut anfühlen kann, wenn man den Nachrichten-Konsum auf höchstens einmal wöchentlich beschränkt. Ich muss mir ja nicht permanent die Niedertracht und die Konflikte aus aller Welt in mein Wohnzimmer tragen lassen.
Mal ehrlich: Was genau könnte der Mehrwert für mich sein, wenn ich von Mord und Totschlag aus aller Welt erfahre oder davon, dass die deutsche Leichtmatrosin im Außenamt mal wieder dummes Zeug redet, wieder ein Verrückter Amok läuft, oder dass gar gerade wieder irgendwo ein kriegerischer Konflikt ausbricht?
- Kann ich mit diesem Wissen, an all dem Genannten, irgendetwas ändern?
- Ist ein Krieg etwa weniger schlimm, wenn auch mich das Grauen darüber erfasst?
- Hilft es den Menschen vor Ort, wenn ich deswegen nachts nicht mehr schlafen kann?
Ich glaube nicht. Gut, das Wissen über die pausenlosen Peinlichkeiten unserer talentfreien Möchtegern-Außenministerin könnte theoretisch mein Wahlverhalten beeinflussen, aber wirklich nur theoretisch. Denn da ich ohnehin keine Parteien/Politiker mit faschistoiden Ideen wähle, muss ich auch darüber nicht viel wissen.
Nein, diese Bombardierung mit dem Unrat aus aller Welt nimmt mir nur Lebensfreude und darin kann ich keinen Mehrwert erkennen. Wenn viele Menschen meinen, “früher war alles viel besser”, dann ist das natürlich Unsinn, denn das Gegenteil ist der Fall (wer es nicht glauben mag, dem empfehle ich den Bestseller von Hans Rosling, “Factfullness“, aus dem Jahre 2019). Nur wurden früher die Menschen nicht pausenlos mit dem Schrecken aus aller Welt penetriert, damals, als die Massenmedien noch überschaubar waren, nicht reißerisch um Klickzahlen buhlten, sich bemühend an das Neutralitätsgebot hielten, keine eigenen politischen Agenden fuhren und auf Alarmismus weitgehend verzichteten. Es sind nicht die Putins, nicht die Terroristen dieser Welt, die Angst und Schrecken verbreiten. Diesen Job erledigen lustvoll ausschließlich die Medien – und die erstgenannten bedienen sich dieser überaus gerne. Das Schlimme daran ist: einst angesehene Medien nähern sich immer mehr dem Boulevardstil und – noch schlimmer – dem hysterischen Habitus in den (A)Sozialen Medien an. So aber mutiert der Journalismus – vor allem in Deutschland – zur bloßen, immer unerträglicher werdenden Journaille und erfährt zurecht breite Kritik.
Gut, ich habe mir seit Jahresbeginn nun also eine Nachrichtendiät verordnet. Außerdem verzichte ich weitgehend auf Sendungen von/mit ideologiegetriebenen Lazarett-Poeten wie Georg Restle (Monitor), auf jene der institutionellen Zwietrachtsäer und Spalter in Polit-Talks – heißen sie nun Anne Will, Sandra Maischberger, Maybrit Illner oder wie auch immer.
Und wirklich: Ab- oder Umschalten wirkt tatsächlich ähnlich aufhellend auf das Gemüt, ja erheiternd, wie ein ersehnter Sonnenstrahl, der das Novembergrau durchbricht.
Außerdem gibt es nun auch Medien, die auf bloßes Bad-news-are-good-news-Geschwafel verzichten und sich dem Konstruktiven Journalismus verschrieben haben. Eine sympathische, neue Herangehensweise, die nicht in erster Linie die Übel, gar den Terror aus aller Welt in unsere Wohnzimmer tragen, sondern sich auch um Lösungsansätze für Probleme bemüht und zudem auch berichtet, was aktuell und/oder im Laufe eines Jahres alles richtig gut läuft. –
Also: raus aus der Pessimismus-Spirale,
rein in ein von Optimismus geprägtes Leben.
Und siehe da, 2022 war nur in der Nachrichtenlage wieder ein ziemlich beknacktes Jahr. Aber für mich und die Meinen – wenn ich ehrlich bin – war es besser als manches Jahr davor.
Ist das schon weltfremder Eskapismus? – Ich meine nicht – oder naja – vielleicht ein bisschen schon. Aber ich flüchte nicht aus der Realität. Nur bemühe ich mich seit heuer, meine Aufmerksamkeit bewusst auf jene Dinge zu lenken, die ich persönlich auch wirklich mit beeinflussen kann.
Den eigenen Weg bewusst und unbeirrt vom Lärm der Welt zu gehen, das hat etwas Stoisches, etwas Beruhigendes. Da fällt das Streben nach dem Glück gar nicht mehr so schwer. Man schläft gut und tief, ist besser gelaunt, sieht mit Freude in jeden neuen Tag hinein.
Hinzu kommt, dass nahezu alles, was uns im ersten Moment als Beschwernis erscheint, oft eine viel wichtigere, vielleicht sogar sehr gute Seite haben kann, wenn man nur ein bisschen darüber nachdenkt und bereit ist, den Blickwinkel auch einmal zu verändern. Ein Unbekannter aus dem weltweiten Netz hat es vor Jahren in passende Worte gekleidet:
Ich bin dankbar …
- für die Steuern die ich zu zahlen habe,
weil das bedeutet, ich habe ein eigenes Einkommen, - für das Geschimpfe über die Regierung,
weil das bedeutet, wir leben in einem freien Land und haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, - für den Stau auf der Urlaubsreise,
weil das bedeutet ich bin gesund, kann mir die Reise leisten und habe das Recht, dies frei zu tun, - für die kritischen Worte meiner Partnerin,
weil das bedeutet ich lebe nicht einsam, - für den Kinderlärm vor dem Haus,
weil das bedeutet, wir haben eine Zukunft, - für die Parklücke in der hintersten Ecke des Parkplatzes,
weil das bedeutet, ich kann mir ein Auto leisten, - für das Durcheinander nach einer Feier,
weil das bedeutet, ich war von lieben Menschen umgeben, - für den Rasen, der gemäht, die Fenster, die geputzt werden müssen,
weil das bedeutet, ich habe ein Zuhause, - für die Hose, die ein bisschen zu eng sitzt,
weil das bedeutet, ich habe genug zu essen, - für die Geräusche meiner Nachbarn,
weil das bedeutet, dass ich noch gut hören kann, - auch für das Wenigerschöne in der Welt,
weil das bedeutet, dass ich noch gut sehen kann, - für Müdigkeit und schmerzende Muskeln am Ende des Tages,
weil das bedeutet, ich kann noch arbeiten, - für den Weckruf des Weckers morgens,
weil das bedeutet, mir wird ein neuer Tag geschenkt!
Wenn wir uns über die Widernisse des Alltags ärgern, genügt es oft, nur ein bisschen den Blickwinkel zu verändern, um Zufriedenheit zu empfinden, etwa so: wenn dir das Leben Zitronen schenkt, dann frage nach Tequila und Salz!
Das Leben sollte auch keine Reise sein, mit dem Ziel in einem attraktiven, gesunden Körper ins Grab zu steigen. Wir sollten lieber seitlich hineinrutschen, mit Schokolade in der einen und einer Flasche Sekt in der anderen Hand, der Körper total abgerockt, faltig und verbraucht, aber glücklich schreiend:
“Wow, was für eine wilde Fahrt war doch dieses Leben!”