Autor: Kurt O. Wörl
Medien – auch die öffentlich-rechtlichen – und linke Politiker schwadronieren zurzeit in verächtlicher Weise über die, dem Anschein nach “unerklärlich hohen, meldepflichtigen Nebeneinkünfte” von CDU/CSU- und FDP-Abgeordneten durch die Gegend. Es wird versucht, mittels einer Grafik des Statistischen Bundesamtes den Eindruck zu erwecken, als wären diese Abgeordneten von Habgier zerfressen und würden ihr politisches Amt nur als Nebentätigkeit und zum Lobbyieren ausüben und rücken diesen Umstand in die Nähe von Korruption.
Aber dieser offenbar gezielt tendenziös forcierte Eindruck ist falsch, sehr falsch sogar. Und es ist gar nicht schwer, dies auch – nur anhand öffentlich zugänglicher Quellen – zu belegen. Und das Ergebnis wird etwas zu früh echauffierte Bürgerinnen und Bürger womöglich überraschen. Doch zunächst zu einer der Grafiken, die derzeit von der Journaille genutzt wird, um Stimmung gegen CDU/CSU und FDP zu machen:
Die meldepflichtigen Nebeneinkünfte der Bundestagsabgeordneten
Quelle: nachgebildet nach statista
Was meinen Sie? Welche Seite der o.g. Grafik sollte uns mehr Sorgen bereiten: Die linke Seite, mit den offenbar hohen Nebeneinkünften der Abgeordneten in CDU, CSU und FDP oder die rechte Seite, mit den nicht minder offensichtlich geringen Nebeneinkünften der Linkinnen und Grüninnen?
Um es vorwegzunehmen: Aus objektiver Sicht sollte uns die rechte Seite der Grafik, die geringen Nebeneinkünfte im links-grünen Spektrum, sogar überaus beunruhigen.
Aus den Gründen:
Will man das Geheimnis lüften, warum Unionsabgeordnete und Liberale, anders als jene des politisch linken Spektrums, so sehr viel mehr Nebeneinkünfte generieren und offenbar dem Bundestagspräsidenten auch melden, bedarf es nur eines Blicks in die Lebensläufe dieser Politiker. Fündig wird man in den Biografien der Abgeordneten des Deutschen Bundestages, auf angeordnetenwatch.de, bei den Lebensläufen auf den Webpräsenzen der Abgeordneten und in deren WikiPedia-Einträgen. Und es hat einen guten und überaus aktuellen Grund, warum ich bei den letzten beiden Quellen exemplarisch auf jene der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock verlinkt habe.
Der außergewöhnlich dürftige und in den letzten Tagen wiederholt “korrigierte” Lebenslauf von Annalena Baerbock geriet in den letzten beiden Wochen wiederholt in die Kritik der Journaille, mit Schlagzeilen wie “Mehr Schein als Sein“, “Etikettenschwindel“, “Ungereimtheit im Lebenslauf“. Selbst die linke TAZ titelte “Lebenslauf von Annalena Baerbock – Hochgradig unprofessionell” etc. Auch NEURONENSTURM befasste sich damit >hier< und >hier<.
Und das Ergebnis der Durchleuchtung der Lebensläufe zeigt im Ergebnis: Union und Liberale haben sehr viele gestandene Politiker und Politikerinnen mit guten, ertragsreichen Berufen, wie Selbständige, Landwirte, solche mit eigenen Betrieben und Unternehmen, Kanzleien, etwa Juristen und Steuerberater aber auch gut ausgebildete Beamte usw. in ihren Reihen. Daran ist absolut nichts Anrüchiges. Man nennt sie gemeinhin Leistungsträger und sie sind besonders wichtige Persönlichkeiten in jedem Parlament.
Demgegenüber findet man im politisch linken Spektrum, zu welchen auch die Grüninnen sich noch immer zählen, vor allem viele Leute in Mandaten stehen, die man im normalen Leben “gescheiterte Existenzen” nennen müsste, hätten sie nicht Rettung in der Politik gesucht und ihre Diäten nun als zumindest zeitweise sichere Einkommensquelle.
Und damit lüftet sich das Geheimnis, warum Unions- und FDP-Abgeordnete sehr viel mehr Nebeneinkünfte haben als Linkinnen und Grüninnen: Wer etwa als Landwirt ein Abgeordneten-Mandat annimmt, wird seinen landwirtschaftlichen Betrieb nicht für vier oder mehr Jahre Amtszeit stilllegen, sondern ihn von seiner Familie weiterführen lassen. Der Betrieb wird neben Ertragseinnahmen aus dem Betrieb vielleicht noch landwirtschaftliche Subventionen erhalten und beides muss dann als meldepflichtige Nebeneinkunft an den Bundestagspräsidenten gemeldet werden. Nicht anders werden Mandatsträger handeln, die Rechtsanwälte, Ärzte, Apotheker, einen Handwerksbetrieb haben und Unternehmer sind, zumal sie oft auch noch für angestellte Mitarbeiter Verantwortung tragen, die sie nicht für das Mandat in die Arbeitslosigkeit entlassen wollen. – So vor allem erklären sich die gar nicht so erstaunlich hohen Nebeneinkünfte auf der linken Seite der o.e. Grafik.
Und dann schauen wir uns den beruflichen Werdegang der Abgeordneten auf der rechten Seite der Grafik doch genauer an: Soziologen, Sozialpädagogen, Politologen, Philosophen, Theologen, Gewerkschaftler, Biologen, “Völkerrechtlerin”, Verwaltungswissenschaftler, Berufslose usw. Woraus genau, bitteschön, möchten diese Menschen denn auch Nebeneinkünfte zusätzlich generieren? Ihr Beruf ist Berufspolitiker und da müssen sie sich halt mit dem Einkommen, das daraus zu erzielen ist, begnügen. – Für sie erweist es sich oft sogar als existenzielle Katastrophe, ihr Mandat zu verlieren.
Und darin besteht eine große Gefahr. Diese Abgeordneten haben mehrheitlich keine Rückfallebene, wenn sie ihr Mandat verlieren. Sie sind Berufspolitiker, weil sie keinen anderen Beruf, in den sie zurückkehren könnten, haben und deshalb auf Gedeih und Verderb darauf angewiesen sind, immer wieder aufgestellt und gewählt zu werden. Zudem erlangen die meisten Abgeordneten der linken Parteien nur über die Parteiliste ihre Mandate und müssen sich deshalb ihrer Partei ggü. als besonders linien- und programmgetreu erweisen, um ihre Listenplätze nicht zu gefährden.
Das sieht bei der Union ganz anders aus. Vor allem der bayer. CSU gelingt es im großen Stil, stets alle oder fast alle Direktmandate zu holen und diese direkt gewählten Abgeordneten sind aus meiner Sicht auch die wahren Volksvertreter. Sie sind bekannt und beliebt und werden von den Wählern deshalb direkt in die Parlamente entsandt. Und bekannt und beliebt sind sie als Persönlichkeiten, deren Lebensleistungen anerkannt sind, weil sie nahe an der Bevölkerung sind und sprichwörtlich dem “Volk aufs Maul schauen”. Man achtet sie und bringt ihnen großen Respekt entgegen. Und sie können es sich als Stimmenbringer auch leisten, hie und da ihrer eigenen Partei zu widersprechen, wenn sie das für erforderlich halten.
Folgen für den Parlamentarismus
Das wird vor allem bei der Diskussion um eine dringend erforderliche Parlamentsreform für den Bundestag immer wieder sichtbar. Denn weil die Union die meisten Direktmandate holt, führt dies im Übermaß zu Überhang- und Ausgleichsmandaten, aus zwei Gründen: Die Hälfte der Abgeordneten muss über die Parteilisten (Zweitstimme bei der Wahl) gewählt werden und die Sitzverteilung aller Abgeordneten erfolgt ebenfalls auf Basis des Zweitstimmenergebnis und die Sitzverteilung muss dem Proporz des Wahlergebnisses entsprechen. Da die 50:50-Regelung für Direkt- und Listenmandate – aus nicht ganz nachvollziehbaren Gründen – eingehalten werden muss, erhält die Union also regelmäßig zusätzliche Sitzplätze (Überhangmandate), weil kein Direktmandat verloren gehen darf. Damit der Proporz dem Zweitstimmenergebnis entspricht, erhalten die anderen Parteien ersatzweise sog. Ausgleichsmandate. So ist der Bundestag, der grundsätzlich nur 598 Sitzplätze haben sollte, durch Überhang- und Ausgleichsmandate inzwischen zu einer Größe von 709 Abgeordneten ausgeufert. Es sitzen zurzeit also 111 Abgeordnete mehr im Bundestag als dort sitzen sollten und er ist damit nun das weltweit größte Parlament – mit massiven Kostenfolgen durch den zusätzlichen Alimentierungsbedarf für die überzähligen Abgeordneten.
Das Bundesverfassungsgericht hat inzwischen das Parlament per Urteil dazu verpflichtet, diese Fehlentwicklung zu bereinigen – bisher wurde dies nicht bzw. nur unzulänglich umgesetzt und das scheitert vor allem an den Listenabgeordneten, die ihre Felle davonschwimmen sehen, wenn das Parlament wieder auf Standardgröße verkleinert werden sollte. Folgerichtig verlangen sie stattdessen die Kürzung der Direktmandate, um auf diese Weise Ausgleichsmandate zu vermeiden. Man will die wahren Volksvertreter also verringern, um so den Einfluss der Parteien-Abgeordneten ggü. den direkt vom Volk gewählten zu erhöhen.
Demokratischer und richtig wäre aber der umgekehrte Weg: Die 598 regulären Parlamentssitze sollten zunächst mit allen direkt gewählten Abgeordneten besetzt und der Rest dann mit Listen-Abgeordneten, bis zum Proporz des Wahlergebnisses, aufgefüllt werden. Das hätte gleich zwei Vorteile: Volkesstimme hätte wieder mehr Gewicht und der Einfluss der Parteien würde wenigstens etwas zurückgedrängt. Diese sollen nach dem Willen des Grundgesetzes an der Willenssbildung des Volkes auch nur mitwirken, sie aber nicht dominieren. Aber genau das wollen überwiegend über die Liste gewählte Abgeordnete des linken Spektrums gesichert wissen. Nachteil meiner Vorstellung: keiner! Eine Partei mit vielen Direktmandaten hätte dann eben weniger Listenkandidaten in der Fraktion – und das wäre auch gut so.
Bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht in Bälde die Neuregelung der Sitzplatzverteilung verbindlich per Urteil vorgibt, wenn der Bundestag nicht zu einer vernünftigen Selbstregulierung die Kraft findet.
Die über eine Parteienliste Gewählten (und das sind fast alle Abgeordneten der kleinen Parteien) halte ich persönlich zum größten Teil für Abgeordnete nur zweiter Klasse und nehme sie – mit wenigen Ausnahmen – auch nicht besonders ernst. Sie sind vor allem Vertreter ihrer Parteien im Parlament und weniger solche der Bürger dieses Landes – und wer genau hinsieht, wird feststellen, dass sie oft auch besonders dogmatisch in Bezug auf die Parteilinie auftreten. Wenn ich Kontakt zu Abgeordneten suche, dann jedenfalls stets zu den direkt gewählten.
Fazit
Die Darstellung der Nebeneinkünfte oben dokumentiert also nicht eine besondere Habgier unter den Abgeordneten der Union und der FDP, sondern schlicht, dass diese ggü. den linken Parteien mehr engagierte und erfolgreiche Leistungsträger in ihren Reihen haben – und genau diese Leute sind überaus wichtig für jedes Parlament in jeder Demokratie. Vielleicht spricht aus der Kritik an den Nebeneinkünften oft auch nur der blanke Neid, aber letztlich ist jeder Abgeordnete selbst verantwortlich für seinen Lebenslauf und ob er seinen Wählern vertrauenerweckend als beruflich abgesicherter Macher oder bloßer Berufspolitiker, abhängig von Partei und Mandat, gegenübertreten will. Das gilt auch für inzwischen 40jährige, damit schon in der Mitte des Lebens stehende Kanzlerkandidatinnen, mit überaus magerem Curriculum Vitae – sprich für Annalena Baerbock.
Die bayerische Sicht wird wohl im Wesentlichen so aussehen:
Mit der Bodenständigkeit und Volksnähe der CSU als Volkspartei und mit den plebiszitären Möglichkeiten, die die Bayer. Verfassung bietet, ist auch die über 70jährige Erfolgsgeschichte der bayer. CSU zu erklären. Bei allen menschlichen Mängeln, die die Partei – wie jede andere – natürlich auch aufweist (Amigo-Affäre, Spezlwirtschaft) – wo Menschen sind, da menschelt es eben – so hat sie doch, ob allein oder in einer Koalition regierend, Bayern aus einem eher ärmlichen Agrarland in das erfolgreichste Bundesland entwickelt. Sie hat die einst nach Bayern geflossenen Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich nicht an Habenichtse aus aller Welt verfüttert, wie das etwa Berlin heute handhabt, sondern in die Infrastruktur und Modernisierung des Landes gesteckt. Denn genau dafür ist der Finanzausgleich nämlich gedacht.
Will heißen: Was unterm Strich herauskommt ist maßgeblich und das kann sich in Bayern sehen lassen. Bei einer Talkrunde meinte vor Jahren ein bayerischer Journalist (Name leider entfallen), danach gefragt, warum die CSU so fest und erfolgreich im Sattel sitze, sinngemäß:
“Es ist so, dass wir unsere ‘Schwarzen Lumpen’ (sic!) seit den 1950er Jahren genau kennen und wissen wie sie ticken. Ja, Schlitzohren sind darunter und der Filz ist oft recht mächtig, aber sie hatten auch ihre Ohren stets ganz nah an der Bevölkerung und sind bemüht, deren Wollen in der Politik umzusetzen. ‘Dem Volk aufs Maul schauen’ nannte es einst Franz Josef Strauß.”
Ich füge hinzu: Und wenn die Schwarzen mal nicht ganz so spuren, wie es die Bayern mehrheitlich wollen, dann bringen wir sie mit Volksbegehren und Volksentscheiden eben wieder zur Räson! So haben wir ein Verfassungsorgan, den Bayer. Senat (das einstige, teure Austragsstüberl für abgehalfterte Politiker) abgeschafft, so haben wir das Rauchverbot in Gaststätten durchgesetzt und die Schwarzen zu begeisterten Bienenschützern gemacht. So geht volksnahe Politik, so geht gelebte Demokratie!
Die anderen Parteien wollen aus Sicht der Bayern nur “ideologische Hirnfürze” durchsetzen, Menschen nach ihren Pipi-Langstrumpf-Vorstellungen umerziehen und ihnen Vorschriften bis ins private Leben hinein oktroyieren. Sowas wollen glückliche Bayern freilich nicht. Hier gilt das Prinzip “leben und leben lassen”. Und das ist es, was die berühmte Liberalitas Bavariae meint, nur begreift das Prinzip kaum jemand außerhalb Bayerns, man freut sich aber immerhin, wenn das überaus erfolgreiche Bayern alljährlich sein Füllhorn in den Länderfinanzausgleich ausgießt.
Und das meint einer, der sein Leben lang – mit wenigen, strategisch überlegten Ausnahmen – die CSU nicht gewählt hat.
Lesen Sie auch: