Das Links-Rechts-Schema und die Hufeisen-Theorie:

Waren Mao und Che Guevara Nazis?

Wenn Links- und Rechtsextreme „diskutieren“ …

Autor: Kurt O. Wörl

Und? Finden Sie sich auch schon in der Schublade für Linksextreme oder Nazis wieder? Nein? Na, wenn Sie sich da nur mal nicht täuschen! Wenn es nach einigen wenigen meiner Kritiker ginge, würde meine Schublade das gesamte Polit-Spektrum von links-außen bis rechts-außen abdecken. Man nannte mich schon wiederholt eine „linke Ratte“, resp. „Zecke“ – z.B. einst auch mein eigener Vater – und ein Freund, leider immer noch sehr überzeugt und stramm bei den Linken aktiv, befürchtete gar einmal, ich könnte ihn „mit meiner Haltung noch irgendwann links überholen“.

Aber auch das Nazi-Etikett wollte man mir schon einmal ans Revers heften, weil sich die eine oder andere meiner Äußerungen angeblich „sehr nahe an Narrativen der AfD“ bewegten. Sei’s drum! Erstens kann man es nie allen recht machen, also versuche ich das gar nicht erst – auch weil das reiner Opportunismus wäre. „Everybodys darling is everybodys Depp!“ nannte das einst ein bedeutender Politiker aus Bayern. – Und zweitens, wenn ich den Durchschnitt der beiden mir schon mal zugeschriebenen Extreme nehme, befinde ich mich rechnerisch genau dort, wo ich meine auch hinzugehören und wo ich mich durchaus wohl fühle: in der vernunftorientierten, demokratieliebenden, liberal-bürgerlichen Mitte, dort also, wo man voltaire’sche Tugenden und den sachlichen Diskurs, der das Argument und nicht die Person adressiert, noch zu schätzen weiß.

Tilo Jung sieht nur noch Rechte

Wenn es nach dem jungen, aus seiner Sicht zweifelsfrei „links“ tickenden Journalisten Tilo Jung ginge – auf X (Twitter) bezeichnet er sich selbst als „belanglosen Videojournalist & Seltsamfrager“ – dann allerdings wären quasi fast alle – außer ihm natürlich – Rechte. In einem Schlagabtausch vom 17. Februar 2020, mit dem parteilosen (ehemals AfD-Mitglied) Europaabgeordneten Marcus Pretzell auf „X“, verriet Tilo Jung, wie weit seine Vorstellung davon geht, wer alles „rechts-außen“ im Politspektrum angesiedelt ist. Der Schlagabtausch verlief so:

Frage Pretzell: „Was waren denn Stalin, Mao und Che Guevara?“

Antwort Jung: „Autoritäre Herrscher, Diktatoren … rechter geht’s gar nicht“

Frage Pretzell: „Nur damit ich es verstehe: Die DDR war auch rechts, ja?“

Antwort Jung: „DDR war bis 89 ein autoritäres Regime. ergo rechts.“

Jung hat inzwischen seine Retweets wieder gelöscht, aber das Netz vergisst nichts und so konnte man Jungs argumentativen Fehlgalopp mit etwas Aufwand schon wiederfinden:

Warum er seine Retweets wieder gelöscht hat? Nun ich vermute, ihm ist nachträglich klar geworden, dass er damit den Nachfolgern der SED, den ihm doch nahestehenden Linken, leichtfertig mächtig und mit Anlauf in den Hintern getreten war: Die Linke im selben Sack wie die AfD oder gar die Nazis?

Die Hufeisen-Theorie bestätigt sich immer wieder

Ich sage ja! Richtig begründet, hätte Jung seine Worte aus meiner Sicht nicht löschen müssen, denn ich bin schon länger sicher, dass die von Jean-Pierre Faye in der Weimarer Zeit entwickelte, sog. „Hufeisen-Theorie“ in vollem Umfang zutrifft. Diese kann man wie folgt beschreiben:

Das Hufeisen-Theorie bezieht sich auf eine politische Konzeption, insbesondere im Zusammenhang mit Extremismus und politischen Ideologien. Die Grundidee besteht darin, dass sich extremistische Positionen am politischen Spektrum wie die Enden eines Hufeisens annähern können, indem sie extreme Ansichten teilen, obwohl sie scheinbar gegensätzlichen ideologischen Ursprungs sind.

Die Theorie besagt, dass sowohl extreme linke als auch extreme rechte Ideologien autoritäre Strukturen, Radikalität, Ablehnung von Pluralismus und Toleranz sowie die Bereitschaft zur Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung eigener Ziele teilen können. Trotz scheinbarer ideologischer Unterschiede könnten sie ähnliche Auswirkungen auf die Gesellschaft haben.

Nach dieser Theorie stehen Linksextreme und Rechtsextreme einander sehr viel näher als jede davon der demokratischen Mitte. Die folgende Grafik mag dies gut illustrieren.

Mit dieser Darstellung wird zum Ausdruck gebracht, dass extremistische politische Haltungen – eigentlich entgegengesetzter Lager – einander näher sind als den politisch moderaten Ausprägungen ihres jeweiligen Feldes. Nicht der Rechts-Links-Gegensatz ist deshalb entscheidend, sondern das Verhältnis beider Extreme zum demokratischen Verfassungsstaat.

Aus der Weimarer Republik ist bekannt, dass es Bestrebungen gab, das unten offene Hufeisen durch Gründung einer sog. „Querfront“ zu schließen. Antidemokratische Kräfte hatten versucht, die Ideologien des Nationalsozialismus‘ und Sozialismus‘ miteinander zu verbinden, um politische Macht zu erringen. Die Konservative Revolution theoretisch und Reichskanzler Kurt von Schleicher ganz praktisch strebten ein solches Bündnis an.

Eine ganz ähnliche Entwicklung können wir derzeit, im Lichte des aktuellen Weltgeschehens, etwa infolge des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine und des eskalierten Nahostkonflikts – allerdings schleichend – beobachten. Es ist schon erschreckend, wie sehr sich in Deutschland heute die beiden Extreme immer mehr zu einer Einheitsfront annähern, obwohl sie vermeintlich ideologisch Welten trennen. Insofern stimme ich mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Kurt Schumacher (*1895, †1952) vollkommen überein, wenn er 1946 die extreme Linke zutreffend „rotlackierte Faschisten“ nannte. Vergleichen wir also:

  • Antisemiten traditionell schon immer bei Links- und Rechtsextremen gleichermaßen. Sogar die Klimaaktivistin Greta Thunberg und ihre global agierende „Fridays-for-Futur“-Entourage (FFF) frönen aktuell so ungeniert antisemitischen Vorstellungen, dass sich die deutsche Sektion von FFF gar genötigt sah, sich von beidem zu distanzieren. 
  • Rassisten auf beiden Seiten: Massiv agierende Antideutsche bei den Linken, völkisch argumentierende Fremdenhasser Rechtsaußen – auch in Reihen der AfD.
  • Putin-Versteher und Ukraine-Verächter hier wie da.
  • Anwendung von physischer Gewalt als legitimes Mittel zur Durchsetzung politischer Ziele ist auf beiden Seiten akzeptiert und bereits vielfach ausgeübt.
  • Ablehnung und Verachtung von Demokratie, Pluralismus, Rechtsstaatlichkeit, vor allem aber massive Intoleranz ggü. Andersdenkenden auf beiden Seiten. 
  • Ablehnung mehrheitsbestimmter politischer Entscheidungen und Verächtlichmachung staatlicher Institutionen, die im maßlosen Hass auf die Polizei als berechtigte Ordnungsmacht gipfeln, auf beiden Seiten (Steine- und Molotow-Cocktail-Werfer, Polizistenverprügler und ACAB-Parolen links, Polizisten mordende Verbrecher bei rechtsextremen „Reichsbürgern“ und Verschwörungstheoretikern u.ä. Gesocks).
  • Die einen träumen vom Umsturz, die andern von der Revolution. Man frage mich bitte nicht, wo dabei der Unterschied zu finden ist. 

Die Liste ließe sich problemlos noch eine ganze Weile fortführen. Einig sind sich beide Extreme in jedem Fall in ihrem Hass auf die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes und im Willen, diese zu zerstören.

Resümee

Das horizontale, aus dem britischen Parlamentarismus hergeleitete Links-Rechts-Schema habe ich schon lange aufgegeben. Es ist zumindest in Deutschland gar nicht mehr anwendbar. Was ist denn heute noch links, was ist noch rechts? Die Agenda 2010 und die damit verbundenen HARTZ-Gesetze wurden jedenfalls von der SPD und den Grüninnen beschlossen, nicht von der Union und den als „Neoliberale“ verunglimpften Liberalen. Rechte Politik durch Linke?

Die Soziale Marktwirtschaft hingegen war ein Werk der Union, namentlich unter Kanzler Ludwig Erhard, auch wenn die nur mit einer „Bildung light“ ausgestattete Außenminister-Darstellerin Annalena Baerbock diese in ihrer Rede vor dem Bundestag vor Kurzem fälschlich der SPD zugeschrieben hat. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall wurde unter CDU-Kanzler Kurt Georg Kiesinger Realität, die gesetzliche Pflegeversicherung führte Kanzler Helmut Kohl ein.  Soziale Politik durch Konservative – so wird ein Schuh daraus!

Das politische Spektrum ordne ich deshalb inzwischen eher vertikal: Oben die Demokraten, rechtsstaatlich gefestigten, sozial-humanitären, gewaltfreien und friedliebenden Kräfte, unten alle Antidemokraten, Rechtsstaatsfeinde, Dissoziale, gewaltbereite und von Umsturz oder Revolution träumenden Hetzer. Mein Ordnungsschema hat den Vorteil, dass unten alle – man verzeihe mir den Ausdruck – Polit-Idioten in einem Sack stecken, gleich welcher noch so depperten Ideologie sie verhaftet sein mögen.

Titelbild mit KI per Adobe Firefly erstellt


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